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Eins sein
Оглавление„Anfang“ ist nicht nur zeitlich zu verstehen;
„Anfang“ ist der „Ur-sprung“ alles Wirklichen.
„Wort im Anfang“ bedeutet:
das Innerste im Anfang ist das „Wort“.
„Wort“ ist sozusagen der Ursprung vom Ursprung.
Gott ist der Ursprung von allem, was es gibt,
und somit ist Gott das Wort,
zu allererst sein eigener Ursprung.
Alles Geschaffene hat ein Woher,
hat einen Ursprung außerhalb von sich. Gott hat seinen Ursprung in sich; er ist sein eigener Ursprung. Die Bezeichnung „Wort“ für den innersten „Kern“ alles Wirklichen soll uns helfen, die „Wirklichkeit“ Gottes, die Wirklichkeit der Schöpfung tiefer zu erahnen und zu erfassen. In unserem Erdenleben können wir diese Ur-Wirklichkeit nur anfangshaft erahnen.
Auch wenn wir Gott einmal „schauen“ dürfen,
wird seine Liebe für uns Geschöpfe
ein letztlich unergründliches Geheimnis bleiben.
Das muß auch so sein;
denn könnten wir Gott jemals ergründen,
wäre er nicht mehr das, was er ist: Gott.
Was bedeutet nun „Wort“?
Die Bedeutung von „Wort“ wird uns klarer,
wenn wir das Sprachfeld betrachten,
das mit „Wort“ angesagt ist:
Aus-sprechen, an-sprechen, ab-sprechen;
Aus-spruch und An-spruch,
Aus-rede, An-rede, Ab-rede …;
hören, an-hören, ab-hören;
er-hören, ge-hören, ver-hören;
horchen, ge-horchen …
Es wird deutlich, daß mit „Wort“
alle Vorgänge angesprochen und ausgesprochen sind,
die für unser Leben und unsere Wirklichkeit
von Bedeutung sind.
Martin Buber faßt dies formelhaft zusammen:
„Alles wirkliche Leben ist Begegnung“;
„Gott ist Beziehung“.
Gott selbst ist Beziehung,
und er ist der Ursprung aller Beziehungen,
in denen und aus denen wir leben.
Beziehung ist ein „Verhältnis“:
das Verhalten von verschiedenen,
gegensätzlichen Wirklichkeiten,
die mitsammen geeint, eins sind
ohne Aufhebung der Verschiedenheit
und Selbständigkeit.
Nicolaus Cusanus bezeichnet Gott
als die Einheit aller Gegensätze.
Man könnte das mit einer Batterie vergleichen:
Wenn Plus und Minus richtig geschaltet sind, spenden sie Energie;
wenn sie kurzgeschlossen sind, löschen sie sich aus.
Die Theologie bringt das innergöttliche Verhältnis
in der Lehre von der heiligsten Dreieinigkeit
zum Ausdruck: Ein Gott in drei Personen.
Auch unsere menschlichen Beziehungen sind „dreipolig“:
Ich und Du und die Liebe, die uns eint.
Die Liebe, die uns eint,
ist etwas Drittes, das wir erleben
und das unser Lieben bewirkt,
das wir aber selbst nicht „machen“.
Gott ist es, der uns eint,
der uns aber auch trennt,
damit wir selbständig bleiben
und unser Selbstsein
nicht auflösen durch Verschmelzung.
Die ständig geforderten Verzichte und Ablösungen
und die oft so schmerzlichen Enttäuschungen
dienen letztlich der Aufrechterhaltung
unseres Selbstseins.
Wenn voneinander entfernte Menschen
auf einen Punkt zugehen,
kommen sie einander „nahe“.
Wenn Menschen einander nahe sein wollen,
müssen sie mitsammen auf Gott zugehen:
Durch ihn werden sie geeint
und gleichzeitig in ihrer Selbständigkeit
und Individualität erhalten.
Gott eint und trennt zugleich.
Das Wesentliche in den christlichen Ehen
und Beziehungen
ist nicht die Unauflöslichkeit
- das ist die Folge – ,
sondern der Versuch,
die irdischen Bindungen und Beziehungen
aus dem Glauben an die ewige Liebe zu leben.
Herr, schenk mir das Glück in meinen Beziehungen und gib mir die Kraft, die notwendigen Enttäuschungen und Ablösungen zu bewältigen.