Читать книгу Sonntagsgedanken, Lesejahr C - eBook - Elmar Gruber - Страница 23
Erkannt sein
ОглавлениеJeder Mensch will er-kannt,
an-erkannt und be-kannt sein.
Ich leide, wenn ich verkannt
und falsch oder ungerecht beurteilt werde.
Andererseits bekomme ich Angst,
wenn ich voll durchschaut werde;
wenn ich entlarvt werde
und mich nicht mehr verstecken kann.
Menschen müssen sich anerkennen.
Sie müssen aber auch ein Geheimnis bleiben
und Geheimnisse haben dürfen,
sonst verlieren sie ihre Anziehungskraft.
Doch einmal kommt alles auf: „Nichts ist verborgen,
was nicht offenbar werden wird“ (Mk 4,22). Am Ende, beim Tod, beim „jüngsten Gericht“ wird das sein.
Unsere Identität ist erst dann vollkommen,
wenn nichts mehr verdrängt wird,
wenn alles so, wie es ist, angenommen wird.
Das Schreckliche beim jüngsten Gericht wird sein,
daß sich jeder so sehen muß,
wie er vor Gott ist
– und das ohne „Narkose“!
Gott sieht mich ganz,
er sieht auch das Verborgene;
vor ihm kann ich mich nicht verstecken.
Nun hängt es von meinem Gottesbild ab,
ob das jüngste Gericht die große Befreiung
und Versöhnung wird
oder die große Rache und Vergeltung,
ob Himmel oder Hölle.
Der allerbarmende Gott bedeutet Himmel,
der strafende Gott Hölle.
Doch alle Schuld muß vergeben werden.
Vergeben heißt nicht ignorieren
oder „unter den Teppich kehren“.
Schuld vergeben heißt:
Die Schuld mit den ihr innewohnenden
vernichtenden Kräften annehmen.
Das kann nur die Liebe.
Sie verwandelt die vernichtenden Kräfte
in kreative Kräfte:
Vergebung kommt aus Barmherzigkeit
und bewirkt Barmherzigkeit.
Das Schwierigste ist,
daß ich mir selbst vergebe,
mich in meiner Schuld annehme:
Wenn ich mich so sehen muß, wie ich bin,
aber gleichzeitig sehe,
daß mich Gott von Ewigkeit her
so geliebt hat, wie ich jetzt vor ihm
und vor mir dastehe,
wird das gelingen.
Durch diese Vorstellung wird Gott jetzt schon zum Ort,
wo ich nichts mehr verstecken muß.
Der Vater, der auch das Verborgene sieht,
wird alles vergelten:
das Gute mit Gutem
und das Böse mit der verwandelnden Kraft seiner Liebe.
Mein Gottesbild entscheidet,
ob die Allwissenheit Gottes Angst macht
oder Trost und Hoffnung gibt.
Herr, du kennst mich ganz. Befreie mich von allem Mißtrauen deiner grenzenlosen Liebe gegenüber.