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2.1 Das Bedürfnis nach Abgrenzung beeinflussen
ОглавлениеDie festen Verknüpfungen im Gehirn sind eine Erklärung für die persönlichen Raumpräferenzen. Der Mensch beginnt sein Leben mit einem Bedürfnis nach sehr engem Kontakt. Die Chemie des Gehirns und des Körpers fördert die Nähe des Babys zu seiner Mutter, damit es Nahrung und Wärme erhält und vor Gefahren geschützt ist (Pederson 2004). Gleichzeitig sind die Menschen vorprogrammiert, einen Sicherheitsabstand zu Fremden und allem Unbekannten zu halten. Befinden sich Bedrohungen in sicherer Entfernung, wird unser Vorderhirn aktiviert, um Möglichkeiten und Lösungen optimal kritisch auszuloten. Allerdings wird das Mittelhirn aktiver, sobald eine Gefahr näherkommt, und triggert ohne komplexere kognitive Beteiligung des Vorderhirns eine Kampf- oder Fluchtreaktion mit dem Versuch, den Abstand wiederherzustellen (Mobbs et al. 2007). Dennoch benötigen einige Menschen mehr Nähe, um sich sicher zu fühlen, besonders in einer Gefahrensituation, in der sie das Gefühl brauchen, beschützt und verstanden zu werden, so wie sie es als Kind in den Armen ihrer Mutter waren.
Wie sich die gleichzeitigen, konkurrierenden Impulse nach Nähe und Abstand auf die Entwicklung der Person und ihre Wahrnehmung als Erwachsener auswirken, ist individuell sehr unterschiedlich. Für die meisten Menschen ist das Bedürfnis nach persönlichen Grenzen einigermaßen flexibel und richtet sich nach Umweltfaktoren. Zum Beispiel gilt, dass das Bedürfnis nach Abstand größer wird, je dunkler die Szenerie ist (Adams a. Zuckerman 1991). Eine Studie aus dem Jahr 1980, die das Bedürfnis nach persönlichem Raum bei Erwachsenen bei Krankenhausaufenthalten untersuchte, ergab, dass in dieser Umgebung der bevorzugte zwischenmenschliche Abstand geringer war als zu Hause (Geden a. Begeman 1981). Es wurde auch nachgewiesen, dass ein verwandtschaftliches oder freundschaftliches Verhältnis zum Gegenüber die persönlichen Grenzen beeinflusst. In der gerade erwähnten Studie sollten die Patienten Stellvertreter anderer Personen neben ihre eigene Silhouette stellen. Sie positionierten Familienmitglieder am nächsten zu sich selbst und platzierten in zunehmendem Abstand den Arzt, die Krankenpflegerin und, am weitesten entfernt, einen Fremden.
Das Gefühl für den benötigten Raum ist ein wichtiger Faktor, den man beachten sollte, wenn man Kontakt und Rapport herstellt. Zum Glück werden die Forschungsarbeiten ständig fortgeführt. Ein Beispiel dafür ist die experimentelle Studie von Lawrence E. Williams und John A. Bargh an der Yale University. Beide fanden heraus, dass das jeweilige Gefühl von Distanz einer Person deren emotionale Intensität von Stimuli abschwächen kann (Williams a. Bargh 2008). Außerdem können der Studie zufolge Gefühle emotionaler Distanz von natürlichen Zeichen oder Signalen in der Umgebung hervorgerufen werden, die keinen Bezug zu einem selbst haben. Mit anderen Worten: Allein die räumlichen Beziehungen zwischen Objekten in der Umgebung können beeinflussen, wie jemand die Situation und Interaktion beurteilt.