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3.2 Spiegeln und (bewusst) nicht spiegeln

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Das Imitieren von Handlungen ist ein Weg, um die Botschaft zu senden: »Ich bin wie du.« Einer der Vorteile, »gleich« zu sein, ist sozialer Natur. Menschen wertschätzen andere, die so sind wie sie. Andere zu imitieren vergrößert nachweislich die eigene Akzeptanz durch die Imitierten und begünstigt harmonische soziale Interaktionen (Chartrand a. van Bargh 1999). So ist es kein Wunder, dass Kulturen oder Individuen, die stärker auf Wechselbeziehungen ausgerichtet sind, sich tendenziell besser an das Verhalten anderer anpassen als Kulturen oder Individuen, die sich durch größere Unabhängigkeit auszeichnen (van Baaren, Maddux a. Chartrand 2003).

Während die Anpassung an das Verhalten anderer Menschen unter normalen Bedingungen automatisch abläuft, haben wir oft beobachtet, dass dieser Mechanismus gehemmt wird, wenn Gespräche kontrovers verlaufen oder ein Gesprächspartner unter Stress steht. Diese Hemmung lässt sich vielleicht auf die bekannte Tendenz des Menschen zurückführen, seine natürliche Neigung zur Imitation zu verringern, wenn er sich mehr um sich selbst sorgt als um seine Wechselbeziehung mit oder Abhängigkeit von anderen (ebd.).

Während der von uns angebotenen Ausbildungen in Kurzzeitbegleithypnose lassen wir die Teilnehmenden oft eine emotional aufgeladene Unterhaltung spielen, in der sich eine Person so uneinsichtig und störrisch wie möglich verhalten soll. Das Ergebnis ist immer, dass die Partner Haltungen einnehmen, die nicht zueinander passen. Im zweiten Teil dieser Übung wird dann einer der beiden Teilnehmenden aufgefordert, die Körpersprache und Gestik des anderen zu spiegeln. Jedes Mal werden die Interaktionen in diesem zweiten Teil der Übung viel harmonischer, egal wie stark der Gegenspieler versucht, unkooperativ zu bleiben. Wie sich empirisch eindeutig gezeigt hat, erzeugt die Anpassung an die Körperhaltungen und Gesten des Konversationspartners Harmonie und erleichtert den Kontakt.

Menschen in Rapport nehmen unbewusst ähnliche Körperhaltungen ein. Wenn wir andere Menschen sehen, scheinen wir oft zu spüren, wer von ihnen einen guten Kontakt zu seinem Gesprächspartner hat und wer nicht. Vielleicht haben Sie sich dabei ertappt, das zu erraten, wenn Sie Paare in einem Restaurant sehen. Hatten Sie unbewusst die Körperhaltungen beobachtet und bewertet?

Anpassung ist wichtig

Um den Effekt des Spiegelns und des bewussten Nicht-Spiegelns zu demonstrieren, baten wir zwei unserer ärztlichen Kollegen, uns bei zwei Videos zu helfen, in denen sie eine schwierige Kommunikationssituation darstellen sollten. Wir machten heimlich mit G., der die Rolle des Arztes spielen sollte, aus, dass er die Körperhaltung seines Kollegen H., der den Patienten spielte, bewusst nicht spiegeln sollte. H. wusste nichts von unserer Anweisung an G. Im Drehbuch stand, dass der Patient schon eine Weile auf seine Behandlung gewartet hatte. Gerade, als er an der Reihe war, wurde ihm von G. gesagt, dass Notfall dazwischengekommen sei und er den Raum verlassen und ein anderes Mal wiederkommen müsse. Der Patient (H.) wurde von uns im Vorfeld heimlich angewiesen, sich so stur wie möglich zu verhalten. Damit war er so erfolgreich, dass er schließlich den Arzt (G.) dazu brachte, verzweifelt den Raum zu verlassen.

Als wir diesen Videoclip während einer Podiumsdiskussion zum Thema Kommunikationstraining auf einem nationalen Medizinertreffen zeigten, erklärten wir dem Publikum, dass wir G. instruiert hatten, ein bestimmtes Verhalten nicht zu zeigen, was dann den Ton der gefilmten Interaktion beeinflusst hatte. Wir ließen die Zuschauer raten, welche Anweisung wir gegeben hatten. Die Teilnehmenden stimmten überein, dass diese Kommunikation sehr schlecht verlaufen war, konnten aber den Grund dafür nicht angeben. Einzelne Wortmeldungen beschrieben verschiedene Verhaltensweisen oder Auslassungen, für die G. eindeutig nicht verantwortlich gemacht werden konnte. Es wurde Kritik laut, er hätte vergessen, sich dem Patienten vorzustellen oder die Vorgänge nicht erklärt und dem Patienten nicht zugehört, was aber alles nicht zutraf. Zum Glück konnten wir das Video zurückspulen und mehrere Zuschauer mussten zugeben, bei ihren Vermutungen übersehen zu haben, dass der Arzt sich am Anfang sehr wohl vorgestellt und dem Patienten die Hand geschüttelt, seine Vorgehensweise erklärt und dem Patienten zugehört hatte.

Bevor wir das Rätsel auflösten, zeigten wir ein zweites Video mit denselben Schauspielern. Darin spielte G. wieder den Arzt und bekam von uns wiederum heimliche Instruktionen. Dieses Mal wurde er jedoch angewiesen, alle Körperhaltungen und -bewegungen des Patienten zu imitieren. Obwohl H., der Patient, sein Bestes gab, sich daneben zu benehmen, schaffte er es diesmal einfach nicht, aggressiv und unvernünftig zu agieren. Und G. spürte nicht den Stress, den er im ersten Video erlebt hatte, als er den Patienten nicht spiegeln durfte. Die Zuschauer bewerteten das Verhalten von G. im zweiten Video als sehr gut, es gelang ihnen aber nicht herauszufinden, welchen Verhaltensaspekt G. im zweiten Video gezeigt und im ersten Video vermieden hatte. Erst als wir das zweite Szenario wiederholten, lachten viele Teilnehmenden laut über die Nachahmung, die jetzt offensichtlich geworden war.

(Tagebucheintrag von E. Lang)

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