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3.3 Wie man richtig spiegelt
ОглавлениеBeim Spiegeln gibt es etwas sehr Wichtiges zu beachten: Man muss jene Art des Nachmachens vermeiden, die das Gegenüber lächerlich machen könnte. Es gibt zwei Schutzmaßnahmen vor dieser Assoziation: Die erste Maßnahme, mit der Sie vermeiden können, dass der Gesprächspartner Ihre Bewegungen als Nachäffen empfindet, ist das leichte, zeitliche Verzögern Ihres Spiegelns. Warten Sie also einen Moment, bevor Sie ihn imitieren. Die zweite Maßnahme ist, ein hundertprozentiges und kontinuierliches Imitations-Playback zu vermeiden.
Imitieren Sie stattdessen durch spiegelverkehrte Haltungen oder Bewegungen. Wenn Ihr Gesprächspartner sich z. B. mit dem Daumen der rechten Hand die Brille in der Mitte des Gestells zurechtrückt, nehmen Sie dazu, nach einer kleinen Verzögerung, den Daumen Ihrer linken Hand. Imitieren ist wirksam, egal ob eine Position exakt gespiegelt wird – wenn z. B. beide Gesprächspartner ihre Arme verschränken – oder nur symbolisch, wenn also der beobachtete Partner seine Arme kreuzt, der Beobachter aber nur seine Hände; wenn der beobachtete Partner seine Beine auf Oberschenkelniveau übereinanderschlägt und der Beobachter auf Knöchelebene; wenn der beobachtete Partner sein rechtes Ohr berührt und der Beobachter sein linkes Ohr.
Das Nachahmen zur Herstellung von Rapport beschränkt sich nicht auf das Spiegeln von Körperpositionen. Es ist hilfreich, sich auch an andere nonverbale Schlüsselelemente der Kommunikation anzupassen. Wenn Sie z. B. sehen, dass Ihr Gesprächspartner den Kopf hängen lässt und wegsieht, können Sie diese Bewegungen ebenfalls spiegeln. Ein anderer Parameter, den man beachten sollte, ist der Sprechrhythmus. Wenn eine Person langsam spricht und oft Pausen einlegt – vielleicht, um nach Zeichen eines Verständnisses Ihrerseits zu suchen –, können Sie dieses Tempo spiegeln. Wenn das Sprachmuster der Person flott und schnell ist, vermeiden Sie langsame, penible Erklärungen.
Die Anpassung an das Verhalten eines Patienten kann gelegentlich dem allgemeinen Verständnis eines »angemessenen« Benehmens einer medizinischen Fachkraft widersprechen. Oft wird eine offene Körperhaltung gegenüber dem Gesprächspartner als professionell angesehen. Früher hielten Forscher aufgrund von Experimenten eine aufrechte, offene Haltung für erwünscht und effektiv. Doch nachdem sie Personen ausgewertet hatten, die in eine konfrontative Unterhaltung verwickelt waren, revidierten sie diese Meinung. Unter solch konfrontativen Bedingungen kam es zu einem besseren Rapport zwischen den beteiligen Gesprächspartnern, wenn beide sich zurücklehnten und so voneinander wegbewegten, als wenn wie gewöhnlich die eine Person (die Fachkraft) versuchte, sich aufrecht zu positionieren, unabhängig davon, was die andere tat (Bernieri et al. 1996).
Sollte Ihr Gegenüber Sie darauf ansprechen, dass Sie ihn imitieren, oder falls Sie sich selbst beim Spiegeln irgendwie unwohl fühlen, können Sie sich Folgendes klarmachen. Im Grunde geht es beim Spiegeln darum, dass Sie für einen Moment erfahren wollen, wie sich Ihr Patient fühlt, um mit diesem intuitiv erworbenen Wissen die Interaktion sinnvoll fortzuführen. Immer mehr Untersuchungen zeigen die Verbindung zwischen Körperhaltung und Mimik einerseits und den damit einhergehenden Gefühlen andererseits: Ist man beispielsweise froh, tendiert man dazu, aufrechter zu stehen und lebhafter zu sein. Ist man dagegen traurig, lässt man oft den Kopf hängen, bewegt sich langsam oder runzelt die Stirn. Diese Verbindung zwischen Körper und Seele ist jedoch keine Einbahnstraße: Beispielsweise ist es möglich, mit der lokalen Injektion von Botulinumtoxin, das die Stirnmuskeln vorübergehend lähmt, die Symptome einer therapieresistenten Depression zu verbessern (Parsaik et al. 2016).