Читать книгу Der Säbeltänzer - Erhard Regener - Страница 8

4. Abgeschlossen

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Hecki stürmte zur Tür herein, stoppte aber, kaum, dass er im Zimmer war und drehte sich um.

"Sag mal Atsche, warum steht denn die Tür offen?"

"Sie geht nicht mehr zu."

"Ist sie kaputt?"

"Ich habe sie eingetreten."

"WAS? Warum das denn?"

"Als ich heute früh rein wollte, war sie abgeschlossen."

"Ja, na und? Du hättest klopfen können, damit dir deine Spannemänner aufmachen."

"Also ich wiederhole mich: Die Tür war abgeschlossen! Hecki, begreifst du denn nicht? Wer macht denn sowas? Stell dir vor: Die schließen ab, bevor die wichtigste Person anwesend ist. Hier musste ein Exempel statuiert werden, damit diese Knallfrösche begreifen, dass es bei mir gewisse Grenzen gibt. Und überhaupt, was soll der Unsinn? Was kann man denn hier klauen, meine durchgekaute Zahnbürste? Ich habe noch nie und nirgends abgeschlossen. Ich bin ohne Abschließen aufgewachsen, bei meinen Eltern, im Internat, bei der Armee. Und ich werde jetzt nicht damit anfangen. Abschließen tabu! Ich meine, rein hypothetisch: Ein Mädel überlegt es sich doch noch und will nachts zu mir in die Kiste hüpfen - und dann ist die Tür abgeschlossen. Was soll das?"

"Junge, träum weiter. Wenn ich sehe, wie du dich gestern angestellt hast: Du bekommst doch bei den Mirzen nicht das Mindeste auf die Reihe. Aber dein Optimismus ist beeindruckend."

"Und stell dir nur vor, Wolfi schleppt ständig ein riesiges Schlüsselbund mit sich rum, das ist so groß wie ein Kohlrabi, das passt kaum in die Hosentasche. Was sind das nur für Menschen? Ich begreife das nicht."

"Verstehe. Das alles ist dir also durch den Kopf gegangen, als du völlig zugedröhnt das Brett eingetrampelt hast? Sag mal, hast DU denn kein Schlüsselbund?"

"Nein. Nur einen Dietrich, damit lassen sich alle einfachen Schlösser knacken. Na ja, und noch einen Dreikantschlüssel für die Erste-Klasse-Abteile in der Bahn, die warum auch immer für den Pöbel zugesperrt werden."

"Und wenn du zu deinen Eltern fährst, wie kommst du ins Haus?"

"Der Schlüssel hängt hinter dem Torpfosten. Das weiß auch die Postfrau, meine Freunde, Verwandte."

"Also das ganze Dorf."

"Kann man so sagen."

"Hast du nicht gesagt, du bist Jäger. Dann müsst ihr doch einen Waffenschrank haben."

"Der Schlüssel hängt neben dem Waffenschrank. Es gibt nur den einen Schlüssel."

"Und der Autoschlüssel?"

"Steckt."

"Und was ist jetzt mit der Tür?"

"Ach, das ist so'n primitiver Scheiß. Es ist fast nichts kaputt. Wenn man genau unter der Türklinke gegen das Brett tritt, springt gleich das Sicherungsblech aus der Zarge. Das muss ich nur wieder anschrauben."

"Und die Holzsplitter?"

"Wo gehobelt wird, fallen Späne. Dann muss ich eben größere Schrauben nehmen."

"Ihr vom Lande seid schon ein bisschen eigenartig."

"Wie viele vom Dorf kennst du denn?"

"Ach komm, jetzt mal zur Sache du alter Säbeltänzer. Wie geht es dir heute?"

"Beschissen. Dein letzter Würger gestern war zu viel. Was meinst du mit Säbeltänzer?"

"Das weißt du nicht mehr? Rosana hat dich genervt, dass du auch mal tanzen sollst und nicht immer nur saufen. Im Radio lief gerade der 'Säbeltanz'."

"Der aus dem Ballett von Chatschaturjan? Danach kann man doch nicht tanzen."

"Genau, jedenfalls nicht mit einem Mädel. Darum haben wir beide getanzt, Oberkörper frei, jeder ein langes Brotmesser, wir sind da rumgehüpft wie zwei Rumpelstilzchen. Das Ballett vom Bolschoi-Theater hatte es nicht besser machen können. Ein Wunder, dass keiner eine Schramme abgekriegt hat, und damit meine ich vor allem die Umstehenden."

"Ja, jetzt wo du es sagst, dämmert es langsam."

"Ach Junge, das sind doch Kinkerlitzchen. Du glaubst ja gar nicht, was gestern sonst noch passiert ist."

"Du glaubst ja nicht, was heute früh passiert ist.", Atsche war sich sicher, die bessere Geschichte auf Lager zu haben.

"Okay, dann du zuerst."

"Hecki, warst du hier schon duschen?"

"Wozu? Ich gehe jeden Sonnabend in die Badewanne. Außerdem weiß ich gar nicht, wo die Dusche ist."

"Das wusste ich bis vor einer Stunde auch nicht. Junge, da hast du was verpasst. Es gibt nur eine einzige Dusche für Männer und Weiber - nur eine einzige Dusche! Das ist so fetzig. Ich sage nur: Ich habe das Paradies gesehen."

"Eine einzige Dusche für alle? Das nenne ich mal eine architektonische Meisterleistung. Was hast du genau gesehen?"

"Katrin!"

"Wer ist das denn?"

"Na, die war gestern auch auf der Feier: lange gewellte braune Haare, knackige Möpse."

"Da klingelt nichts. Hast du die gestern noch gepimpert?"

"Nein, du Trollo. Ich habe sie heute früh in der Dusche gesehen – nackt, splitternackt!"

"Und dann hast du sie in der Dusche gepimpert?"

"Nein Mann. Wir haben uns mit kaltem Wasser vollgespritzt."

"Ich lach mich tot. Sag mal Asche, wie alt bist du?", Atsche sah ein, dass er hier nicht punkten konnte.

"Okay, und du, was war bei dir gestern Abend noch?"

"Das glaubst DU jetzt aber nicht, ich glaube es selber kaum.", Hecki zitterte vor Gier, es endlich zu erzählen.

"Na was?"

"Erinnerst du dich an die kleine Schlanke, mit den kurzen brünetten Haaren?"

"Keinen Dunst. Es waren so viele und ein ständiges Kommen und Gehen."

"Hirni, das war die Einzige mit einem roten Hemd."

"Ach du meinst die Spindeldürre, mit den fast nicht vorhandenen Titten."

"Na endlich zündelt der Zunder bei dir."

"Ja und? Du willst mir doch nicht erzählen, dass du die noch gehupert hast?"

"Nein und Ja."

"Also was nun, hast du sie oder nicht?"

"Nein."

"Und wozu dann die ganze Aufregung? Geschichten, bei denen ich NICHT gevögelt habe, habe ich selber genug. Vielen Dank für die Information."

"Mann, aber die wollte! Wir waren fast die Letzten bei der Fete, dann sind wir auf den Flur raus und haben uns begrabbelt. Ich wollte sie mit auf mein Zimmer nehmen, da sagt sie mir, dass sie ihre Tage hat."

"Also doch nichts. Hecki, komm zur Sache oder lass es ganz sein."

"Wir sind dann in den Keller, da hat sie mir die Hose aufgemacht - und hat doch tatsächlich mein Ding in den Mund genommen. Ist das denn zu glauben?"

"Nein, das ist nicht zu glauben. Das habe ich noch nie gehört, von keinem."

"Doch, ja! Und die alte Drecksau hat das ganze Zeug runtergeschluckt. Ist das denn zu fassen? Das würde ich nicht mal mit meinem eigenen Zeug machen."

"Nein! Das ist unfassbar, absolut und in jeder Hinsicht unfassbar. Und wie war's?"

"Unfassbar! Absolut unfassbar!"

"Mann, du Glückspilz. Und das gleich am ersten Tag. Warum kann mir sowas nicht passieren?"

"Weil du vom Dorf bist, ein Bauer eben. Und weil du Trottel nur Augen für diese Rosana hattest. Dabei hättest du gleich bei irgendeiner von den anderen zuschlagen können. Hast du denn nicht geschnallt, wie die Klunten auf dich reflektiert haben, als du mit deiner Gitarre einen auf Troubadour gemacht hast? Darauf stehen doch alle Weiber. Mensch, Atsche, dir kann man einfach nicht helfen."

"Ja, scheiße, vielleicht hast du recht. Aber Rosa hat doch Klasse, oder?"

"Vergiss es, Mann. Eine nette kleine Kohle, ja. Aber bei der landest du nie. Die sind da unten alle katholisch, genau wie die Polen. Eine Polin kriegst du auch nur ins Bett, wenn du ihr die Hochzeit versprichst. Ich habe es versucht: Aufwand und Nutzen stehen in keinem Verhältnis, glaube mir. Nee Mensch, konzentrier dich auf das Machbare. Sonst bleibst du ewig auf deiner bisher einzigen Nummer im Leben sitzen."

"Hecki, wollen wir ein Abkommen schließen?"

"Das kommt auf das Abkommen an."

"Ich kann die Zeichen, die die Mirzen aussenden, einfach nicht deuten. Du musst mir dabei helfen, mich unterrichten."

"Weißt du eigentlich, was ein Abkommen ist? Das ist etwas Reaktives, ein Einvernehmen zum beiderseitigen Vorteil. Dieses Agreement hier hilft nur dir, ausschließlich dir. Ich habe nichts als Arbeit damit und ..., und ich kann mich nicht mehr auf meine eigenen Kampfziele konzentrieren. Warum also sollte ich das tun?"

"Um mir zu helfen."

"Okay, überredet."

"Ich danke dir."

"Na ja, einen Tipp hätte ich da gleich für dich."

"Ich bitte darum."

"Wenn du bei einem Mädel landen willst, solltest du besser nicht einschlafen, während sie mit dir redet."

"Wie bitte?"

"Huh, huh, huh ...,", Hecki kicherte in sich hinein und krümmte sich dabei.

"Ja, du und Rosa, ihr habt nebeneinander auf dem Bett gesessen. Du wolltest sie die ganze Zeit mit deinen rudimentären Spanischkenntnissen beeindrucken. Das hätte auch fast funktioniert. Aber dann hat sie dich irgendetwas gefragt. Und anstatt zu antworten hast du nur behindert mit den Armen gefuchtelt und bist ohne jede Vorwarnung nach hinten gekippt, einfach so - und hast dich nicht mehr gerührt, bis zum Schluss nicht. Junge, du bist mir eine Kanone, ich meine: echt zum Schießen."

"Verdammte Scheiße! Und was hat sie gesagt?"

"Ach, nu' mach dir mal nicht ins Hemd, gelacht hat sie. Was ist, gehen wir zur Einschreibung?"

"Das wird sich nicht vermeiden lassen, wenn wir in Neustadt bleiben wollen."

"Und das wollen wir."

"Auf jeden Fall!"

Der Säbeltänzer

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