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Die Zeiten ändern sich

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Johanna hatte schon in aller Frühe, ehe sie ins Posthaus gegangen war, die Kühe gemolken. Sie kam gerade rechtzeitig zum Morgenkaffee. Sie tranken jeder eine Tasse Kaffee, nahmen jedoch kein Brot dazu. Laura hatte gesagt, sie müssten sparsam damit umgehen; sie hatten zwar ausreichend Mehl, aber verschwenden dürften sie es nicht.

»In Stockholm sollen die armen Leute schon hungern«, sagte sie. »Ich habe von jemandem, der mit einem der Reisenden gesprochen hat, gehört, dass die Leute ein Lagerhaus draußen vor der Stadt aufgebrochen haben, und dass Soldaten dorthin kommandiert worden sind.«

»Auf Nygården haben wir nur halb so viele Säcke mit Mehl, wie wir sonst hatten«, sagte Johanna.

»Wenigstens haben wir Kaffee«, sagte Birgitta.

»Solange der Vorrat reicht«, murmelte Laura. »Sie führen ja auch auf dem Meer Krieg, und dann schießen sie auf die Schiffe, die den Kaffee bringen.«

»Wer führt denn alles Krieg miteinander?«, fragte Johanna.

»England und Russland und Frankreich, nehme ich an«, sagte Laura.

»Ist Schweden auch dabei?«

»Nein, zumindest im Augenblick nicht, und wir können nur hoffen, dass der Frieden bestehen bleibt, denn Krieg bringt nur Unglück.«

»Meine Großmutter hat von den Russen erzählt.«

»Ja, die wollen wir nicht noch einmal hier haben.«

»Meine Großmutter sagt, dass sie den Leuten von Singö alles abgenommen und jedes Haus niedergebrannt haben.«

»Sie haben auch in Byholma Höfe niedergebrannt«, sagte Birgitta. »Mein Großvater hat erzählt, dass die Kosaken am schlimmsten gewesen sind, und sie hatten Pferde dabei. Sie haben einen Mann mit einem Strick festgebunden und ließen ihn hinter dem Pferd herlaufen. Als er ihnen den Weg nicht zeigen wollte, haben sie ihn blutig geschlagen.«

»Gott bewahre uns vor den Kosaken«, sagte Laura.

»Kosaken?«, sagte Johanna, »was sind das eigentlich für welche?«

»Sie sind eine Art Reitervolk«, antwortete Laura. »Sie tragen Pelze, die voller Läuse sind. Sie haben einem Mann auf Singö die Kleider abgenommen und ihm dafür einen Kosakenkittel gegeben, und dann musste er ihn wohl oder übel anziehen, denn er war ja völlig nackt, der Arme. Aber dieser Kittel bestand mehr aus Läusen als aus Stoff, und er wurde von diesen Kosakenläusen fast aufgefressen.«

Johanna hatte Wasser geholt. Als sie gerade mit dem Eimer auf dem Weg zurück ins Haus war, erblickte sie ein paar Männer, die auf dem Weg vor dem Hoftor entlanggingen. Durch das Küchenfenster konnte sie dann erkennen, dass es drei gut gekleidete Herren waren, ein älterer und zwei junge, und außerdem Sigurd, der ihnen offenbar den Weg zeigte. Er ging mit kleinen schnellen Schritten voran, und zog die Mütze ab, ehe er die Türe öffnete. Der Postmeister kam ihnen auf dem Flur entgegen. Johanna konnte die Stimmen durch die Küchentür vernehmen, dann verschwanden die Geräusche; Johanna vermutete, dass sie in das Kontor gegangen waren.

Ein paar Minuten später kam Laura in die Küche. Sie erzählte, dass sie unerwartet Besuch von ein paar Herren erhalten hätten, die sich auf dem Weg nach Stockholm befänden; sie wären gerade mit dem Schiff aus Åland angekommen; sie wären hohe Beamte, ihr Wagen hätte sich verspätet, vielleicht würden sie übernachten.

Laura bat Johanna, in drei Gästezimmern die Kachelöfen anzuheizen. Holz lag dort schon, es war trocken und fein gespalten, außerdem Birkenrinde. Johanna nahm ein brennendes Talglicht in einem Kerzenhalter mit, fachte damit das Feuer an, und bald knisterten die Flammen in allen drei Kachelöfen.

Der Wagen kam nicht, die Gäste blieben. Es wurde spät, der ältere Gast hatte sich schon gegen neun Uhr hingelegt, aber die beiden jüngeren saßen zusammen mit Margareta in dem kleinen Salon neben dem Speisezimmer. Der Postmeister entschuldigte sich bald, die Frau des Hauses hatte sich ebenfalls schon zurückgezogen. Die drei jungen Leute blieben auf, sie hatten sich viel zu erzählen.

Johanna servierte Wein und süßes Kleingebäck, außerdem dünne Scheiben Roggenbrot mit Käse. Die Herren wählten das Gebäck, Margareta zog den Käse vor.

Sie redeten über die große Welt, über den Krieg und über Bonaparte. Johanna hatte den Namen schon gehört und wusste, dass er Frankreichs Herrscher war, nicht König, denn in Frankreich hatten sie keinen, sie hatten den König erschlagen, das hatte ihr Vater gesagt. Mehr wusste sie nicht.

Sie ging zwischen Küche und Salon hin und her. Gelegentlich blieb sie stehen und beschäftigte sich mit Tassen und Gläsern, machte sich an den Holzspänen zu schaffen, sah nach dem Feuer, ging mit Gläsern und Flaschen zum Tisch zurück. Sie wollte gerne zuhören, deshalb fand sie Vorwände, um bleiben zu können. Man kümmerte sich nicht um sie. Offenbar war es üblich, die Dienerschaft im Zimmer zu haben, eine kleine stille Magd war wie ein Stuhl oder ein Schreibtisch, sie war da, aber sie störte niemanden.

»Petersburg ist eine phantastische Stadt«, sagte der kleinere der beiden Männer. »Die Paläste sind großartig, eine solche Pracht sieht man nirgendwo sonst, ja, es sei denn in Paris.«

»Sind Sie in Paris gewesen, mein Herr?«, fragte Margareta.

»Es war mir vergönnt, die französische Hauptstadt zu besuchen«, antwortete der Mann.

»Jetzt werden wir jedoch auch unsere russischen Freunde besser kennen lernen«, sagte der größere Mann.

»Sind das denn unsere Freunde?«, wollte Margareta wissen.

»Tempora mutantur«, antwortete der Mann. »Die Zeiten ändern sich, das müssen wir begreifen, jetzt geht es um die Sicherheit des Reiches.«

»Und wir wissen ja nicht, ob wir uns auf England verlassen können«, sagte der andere Mann.

»Alles ändert sich«, sagte Margareta. »Der Meinung bin ich auch, wir stehen am Anfang einer neuen Zeit. Ich glaube, dass Bonaparte uns den Weg zeigen wird. Die Zeit der Unterdrückung ist in Europa vorüber, jetzt kommt eine neue Freiheit für alle, die nicht im Reichtum geboren sind.«

»Na ja«, murmelte der kleine Mann. »Die französischen Ideen sind schnell verflogen, sie sind wie trockenes Laub im Wind. Unser König schätzt Bonaparte nicht, und ich denke wie er.«

»Aber man muss doch zugeben, dass diese Gedanken trotzdem sehr zählebig sind«, antwortete Margareta. »Die Idee von Freiheit und Gleichheit scheint fortzuleben.«

»Das ist jetzt vorbei«, sagte der Mann, der in Paris gewesen war.

In dieser Nacht blieb Johanna in der Mägdekammer neben der Küche. In ihrem Abendgebet bat sie Gott, dass er sie ihren Vater bald wiedersehen lassen möge. Darum betete sie jeden Abend, und sie war immer noch davon überzeugt, dass der Vater lebte.

Am nächsten Morgen kam der Wagen und holte die drei Besucher ab. Johanna machte die Gästezimmer sauber, nahm neue Bettlaken heraus, machte die Betten, holte Holz. Nach der Mittagspause fegte sie den Boden des Speisezimmers. Margareta schaute herein, sie suchte ein Buch im Regal des Salons und hatte Johanna gehört, jetzt wollte sie nur guten Tag sagen.

»Du hast gestern Abend alles sehr gut gemacht«, sagte sie. »Es ist spät für dich geworden, die Herren hatten so viel zu erzählen. Sie sind draußen in der großen Welt gewesen und wollten, dass wir das auch ja begreifen.«

»Sind die Russen jetzt unsere Freunde?«, fragte Johanna.

»Im Augenblick scheint das so zu sein, aber das kann sich schnell ändern. Nichts ist wie früher, alles in Europa ist umgestürzt worden.«

»Gibt es hier in Schweden Krieg?«

»Man kann nichts voraussagen. Das Einzige, was ich weiß, ist, dass wir einer ganz neuen Zeit entgegengehen.«

Das brennende Meer

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