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Fremde Last

Eine Woche nach dem dramatischen Auftauchen des Dampfschiffs Hecla im Nebel wussten alle in Grisslehamn, was geschehen war. Der Åländer Sven Granlund war mit einem schwedischen Frachtsegler zurück nach Hause gefahren, und den würden die Engländer wohl nicht durchsuchen, um nicht die Freundschaft mit dem schwedischen König Oskar I. aufs Spiel zu setzen, da dieser ernsthaft darüber nachdachte, auf der Seite Englands in den Krieg einzutreten. Er hoffte, Finnland und Åland zurückzubekommen, die Russland Schweden fünfundvierzig Jahre zuvor in dem bedauerlichen Krieg abgenommen hatte.

Mehrere englische Kriegsschiffe legten im Frühsommer 1854 in Grisslehamn an. Die Matrosen gingen an Land, vertraten sich die Beine und besuchten das Wirtshaus. Eines der Schiffe hieß Odin; es hatte Masten und Segel, wurde aber auch mit einer Dampfmaschine betrieben.

Die Odin fuhr spät am Nachmittag des 12. Mai in den Hafen von Grisslehamn. Das Schiff machte wenig Fahrt; man merkte, dass der Kapitän vorsichtig war, vielleicht weil er keine gute Seekarte oder keinen Lotsen an Bord hatte. Als sich die Odin dem Land näherte, sahen die Männer, die sich im Hafen versammelt hatten, dass ganz vorn im Bug ein Ausguck stand. Er schaute ins Wasser hinunter, zeigte auf etwas und rief, gab dann mit der Hand ein Zeichen, das vielleicht vorwärts bedeutete, denn das Schiff nahm etwas mehr Fahrt auf. Als das lange Kriegsschiff sich gerade gegenüber dem Posthaus befand, stoppten die Bewegungen der großen Schaufelräder. Wenige Sekunden später begannen sie, sich in die entgegengesetzte Richtung zu drehen, der Rumpf zitterte und bebte, bevor das Schiff still lag.

Der Anker wurde geworfen und die Ankerkette zog sich stramm.

Unter den Männern, die sich am Ufer versammelt hatten, befand sich Markus von Nygården, Kristinas Vater. Er hatte russische Dampfschiffe gesehen, als er nach Åland zur See gefahren war, aber das waren nur kleine, leichte Schiffe gewesen. Dies war das erste Mal, dass er ein großes dampfbetriebenes Kriegsschiff sah.

Jetzt wurde ein größeres Ruderboot von der Odin abgefiert. Als es im Wasser lag, dauerte es nicht lange, bis blaugekleidete Matrosen an den Riemen saßen. Zwei Offiziere stiegen an Bord und dann setzte sich das Ruderboot in Bewegung und fuhr auf das Land zu.

Die Männer am Ufer wussten, dass die Engländer Freunde waren, aber sie waren doch auch Ausländer und Soldaten.

Jetzt kamen auch drei schwedische Armeeangehörige herunter zum Hafen, ein Leutnant und zwei bewaffnete Soldaten. Sie kamen aus der Kaserne gleich beim Hafen, in dem Grisslehamns Wachtrupp stationiert war. Als das Ruderboot ans Hafenpier glitt, erhob sich einer der englischen Offiziere und salutierte. Der schwedische Leutnant erwiderte den Gruß.

Die Engländer vertäuten das Boot und die Offiziere und einer der Ruderer gingen an Land. Die versammelten Zuschauer zogen sich etwas zurück, als die Besucher ein Gespräch mit dem schwedischen Leutnant begannen. Der Ruderer diente als Dolmetscher.

Sie wollten die Nacht über hier liegen und auf ein Transportschiff warten, das mit Steinkohle aus England unterwegs war. Es müsste bald da sein.

Sollte das Laden der Kohle auf See oder im Hafen erfolgen?

Draußen auf See im Windschutz des Landes, wenn das ruhige Wetter anhielt.

Ausgezeichnet.

Und dann musste die Odin noch die Wassertanks auffüllen.

Das war leicht zu arrangieren. Gab es noch etwas, bei dem die Gäste Hilfe brauchten?

Ja, wie stand es um die Möglichkeit, ein Telegramm zu senden?

Der neue elektrische Telegraf hatte gerade eine Station in Grisslehamn eröffnet.

Vortrefflich. Und dann noch etwas: Die Odin hatte Gefangene an Bord, ungefähr zwanzig Åländer. Die Einwohner sollten deswegen nicht allzu nah an das Schiff herangelassen werden.

Verstanden.

Die englischen Offiziere salutierten. Dann wurde die Gruppe hinauf zum Posthaus geleitet, in dem sich Grisslehamns höchster Beamter befand, Postmeister Oxenstierna, der zugleich auch der Kommandant des Ortes war. Die englischen Offiziere wollten einen Höflichkeitsbesuch abstatten sowie formell um Genehmigung ersuchen, dass die Odin über Nacht im Hafen liegen bleiben konnte. Der schwedische König hatte die Häfen des Landes bereits für die Flotte Englands freigegeben, das Gesuch war lediglich eine Formsache.

Als die Engländer gegangen waren, wartete Markus einen kleinen Moment, dann ging er in dieselbe Richtung. Drei der Männer, die im Hafen gestanden und zugeschaut hatten, begleiteten ihn. Sie gingen am Posthaus vorbei und weiter bis zum Wirtshaus, das zweihundert Meter dahinter lag.

Markus hörte das schwache Gemurmel, als er auf den ausgetretenen Weg vor dem Wirtshaus einbog. Er sah einige Männer mit Bierkrügen, die an einem Tisch vor dem Haus saßen, aber das Gemurmel kam von drinnen aus der Gastwirtschaft.

Einer der Männer, die Markus begleitet hatten, erkannte einen der Gäste am Tisch vor dem Haus. Es gab ein kurzes Gespräch. Markus hörte zu. Als die anderen hineingehen wollten, blieb er zurück und entschuldigte sich. Er selbst ging um das Haus herum zum Kücheneingang.

Die Frau, die über einen niedrigen Tisch an der Wand gelehnt stand, sah nicht, dass Markus hereinkam. Er blieb hinter ihr stehen, streichelte ihr mit der Hand über die Hüfte, wiederholte die Bewegung hastig.

Sie wandte sich um, streckte den Rücken und strich eine Haarsträhne zur Seite, die ihr ins Gesicht gefallen war. Sie hatte rote Haare und eine Reihe dünner Sommersprossen lief von der Nase über die Wangenknochen. Auf der rechten Gesichtshälfte vereinigten sich die Sommersprossen mit einem großen dunkelroten Feuermal, das sich bis zum Hals herunter erstreckte.

»Ach, du bist es, Markus«, sagte sie.

»Hätte es jemand anders sein sollen?«, antwortete er.

»Wer weiß.«

»Das weißt nur du, Marta.«

Sie ahnte, dass er etwas wissen wollte, aber sie hatte keine Lust zu antworten und antwortete deshalb nicht. Stattdessen lächelte sie ihn an und streichelte ihm gleichzeitig über die Wange, freundschaftlich und schnell.

»Ihr bekommt Besuch von der englischen Flotte«, sagte er.

»Dann wird es spät heute Abend, oder heute Nacht.«

»Darf ich zu dir kommen?«

»Es kann sein, dass ich erst am frühen Morgen frei habe; du weißt ja, wie das ist.«

»Dann kann ich also nicht kommen?«

»Dieses Mal vielleicht besser nicht, Markus.«

Er nickte und versuchte, ihr zuzulächeln, aber es wurde eher eine schiefe Bewegung mit dem Mundwinkel daraus.

»Josef fragt nach dir«, sagte sie.

»Ach ja«, murmelte er.

»Er mag dich, das weißt du, Markus.«

»Mmh.«

»Ich wünschte, du würdest irgendwann mal nur kommen, um uns zu besuchen, den Jungen und mich, meine ich, uns beide gemeinsam treffen und mit uns zusammen sein wie mit, ja, gewöhnlichen Menschen.«

»Ja, das verstehe ich«, murmelte er.

»Tust du das, Markus, verstehst du das wirklich?«

Er berührte mit der Hand ihre Schulter, nickte zum Abschied und schickte sich an zu gehen. Nach einigen Schritten wandte er sich um.

»Ich lasse von mir hören«, sagte er.

Sie antwortete nicht. Als er um die Hausecke bog, hatte sie die Arbeit, die sie unterbrochen hatte, schon wieder aufgenommen. Sie versuchte, den Boden einer angebrannten Pfanne mit Hilfe eines abgebrochenen Löffels, den sie als Werkzeug benutzte, sauber zu bekommen; es ging nur langsam.

Markus blieb vor dem Eingang des Wirtshauses stehen. Die Männer am Tisch an der Hauswand saßen noch da. Sie hatten noch mehr Bier bestellt; einer von ihnen hatte einen halben Krug Branntwein vor sich stehen. Er schüttete sich gerade etwas ein und hob das Glas in Markus’ Richtung, der nickte, ohne etwas zu sagen.

»Du, Markus von Nygården«, sagte der Mann mit rauer Stimme.

»Ja«, antwortete Markus.

»Was sind das für Seeleute, die gekommen sind?«

»Engländer.«

»Russentöter, will ich hoffen.«

»Ja, vielleicht.«

»Vielleicht? Man kann doch zum Teufel nur hoffen, dass sie so viele Russen erschlagen werden, wie sie können.«

»Gewiss doch, ich widerspreche dir nicht. Ich gebe allen Recht, die die Russen in ihre Schranken weisen wollen, bevor sie die ganze Ostsee übernehmen.«

»Trinken wir auf die Engländer.«

Der Mann hob erneut sein Glas. Auch die anderen Männer am Tisch erhoben ihre Gläser auf die Engländer und auf den Sieg in diesem neuen Krieg.

Markus konnte sich nicht entscheiden, ob er heimwärts oder für eine Weile ins Wirtshaus gehen sollte. Er schaute zum Hafen hinunter; die großen Pappeln versperrten ihm die Sicht. Die Baumkronen wogten, der Wind schien sich gedreht zu haben und jetzt von Norden zu kommen.

Markus war ebenso sehr auf dem Wasser zuhause wie als Bauer auf dem Land. Er achtete oft auf die Wolken und auf Windstärke und -richtung. Jetzt fiel ihm ein, dass die Odin sich wohl gedreht hatte; der Wind war direkt aus Westen gekommen, als sie ankerte.

Er bekam Lust sich anzusehen, wie das Kriegsschiff jetzt aussah, wo es dem Land vermutlich eine andere Seite zuwandte. Zur Bucht war es ja nur ein Spaziergang von einigen Minuten.

Er ging vor dem Posthaus her und hinauf auf den Flaggenberg gleich neben der Zollstation. Die Odin lag jetzt direkt unter ihm, sie hatte sich um die Ankerbefestigung gedreht und wandte dem Land die Heckseite zu. Nur zehn Meter trennten Markus vom Heck der Odin.

Ein bewaffneter englischer Soldat stand an die hintere Reling gelehnt, zwei andere waren weiter weg postiert. Zwischen den drei Soldaten saß eine Schar von Männern auf dem Deck des Schiffs. Sie waren gefesselt und aneinandergebunden.

Jetzt winkte einer der Gefangenen Markus zu, der zurückwinkte. Der nächststehende Soldat sah, was geschah, kümmerte sich aber nicht darum.

Dann rief jemand Markus etwas zu. Er konnte es nicht richtig hören, ging so weit auf die Klippe hinaus, wie er konnte, und legte die eine Hand hinter das Ohr. Der Mann auf der Odin rief wieder, und dieses Mal konnte Markus es verstehen.

»Grüß meine Mutter in Jomala«, rief der Mann.

Markus hob die Hand zum Zeichen, dass er verstanden hatte.

»Grüße sie von Anders Gren«, rief der Mann. »Sag ihr, dass ich eine Zeit lang fort sein werde, aber dass ich nach Åland zurückkomme.«

»Ich hoffe, du bist bald wieder zu Hause«, rief Markus zurück.

Jetzt riefen mehrere der Männer etwas. Die Wörter vermischten sich und waren schlecht zu verstehen. Markus konnte nur vage unterscheiden: grüße sie, geht es gut, sehne mich, warte, daheim, komme zurück.

Er hob wieder die Hand, aber er wusste nicht, wer was gesagt hatte. Dann hörte er, wie jemand hinter ihm auf den Hügel trat. Er wandte sich um und erkannte zwei der schwedischen Soldaten aus der Kaserne. Ein Stück weiter weg sah er drei Einwohner Grisslehamns, die er recht gut kannte.

Bald hatte sich eine kleine Gruppe auf dem Flaggenberg versammelt. Einige riefen etwas, bekamen Antwort und versprachen zu grüßen.

»Das ist doch zu merkwürdig«, sagte eine Frau in der Gruppe. »Meine Schwester ist mit einem Åländer verheiratet, viele hier haben Verwandte auf Åland. Und jetzt werden sie von den Engländern wie Feinde behandelt und wir sollen einfach nur zusehen.«

Einige gaben ihr Recht, dass das merkwürdig sei, andere zogen es vor, nichts zu sagen; einer von ihnen war Markus. Er blieb nicht mehr länger, hatte gesehen, was er wollte.

Aber er ging nicht nach Hause. Es war immer noch früh am Abend, er hatte keine Eile. Er ging zurück zum Wirtshaus; vielleicht würde er noch ein bisschen mit Marta reden.

Er war schon auf dem Weg zum Kücheneingang, konnte sich aber nicht recht entschließen. Er wählte den vorderen Eingang und betrat den Speisesaal des Wirtshauses.

Der Raum war gut mit Gästen gefüllt. Die meisten Plätze waren besetzt, aber an der einen Wand gab es ganz außen noch einen freien Platz auf der Bank, und dort ließ Markus sich nieder. Er grüßte die Männer, die um ihn herum saßen; die meisten erkannte er.

Ein Stück weiter an dem langen Tisch längs der Wand saßen vier englische Soldaten; einer von ihnen war der Ruderer, der als Dolmetscher gedient hatte, als die Offiziere zu ihrem Besuch an Land gingen. Er hatte helles Haar und war groß und kräftig. Er saß nach vorne über den Tisch gebeugt und diskutierte mit dem Mann auf der gegenüberliegenden Seite.

Auch an den kleineren Tischen im Saal sah man englische Matrosen, dazu einige schwedische Soldaten und Bewohner Grisslehamns, Seeleute und zufällige Besucher. An einem der Tische nahmen eine Frau und zwei Herren ihr Abendessen ein. Sie waren wie Städter gekleidet und vermutlich auf der Durchreise; vielleicht würden sie im Wirtshaus übernachten. Sie saßen etwas abseits von den übrigen Gästen der Wirtschaft. Vor ihrem Tisch stand eine Anrichte, auf die das Servierpersonal des Hauses Schüsseln und Flaschen gestellt hatte.

Markus bestellte einen Krug Bier, ein Stück gesalzenen Speck und etwas Brot. Er stieß mit seinem Tischnachbarn an, der in Tomta wohnte, dem Dorf südlich von Grisslehamn.

Jetzt hörten immer mehr an dem langen Tisch dem Gespräch zwischen dem schwedisch sprechenden Engländer und dem Mann gegenüber zu. Sie sprachen über die Seefahrt, ein Thema, mit dem alle vertraut waren, und es wurde deutlich, dass der schwedisch sprechende Mann gar kein Engländer war, sondern ein Finnlandschwede aus Österbotten, der viele Jahre auf englischen Schiffen zur See gefahren war. Jetzt hatte er sich bei der englischen Flotte anwerben lassen.

Und wie gefiel es ihm, mit gefangenen Landsmännern als Ladung zu segeln?

Nun ja, das gefiel ihm nicht gerade, aber mit der Politik und dem Krieg war es eben nun einmal so, dass der Einzelne nichts tun konnte.

Ja, so war es wohl. Die meisten gaben ihm Recht, andere murmelten Widerworte. Es war ziemlich still im Saal geworden. Alle wollten hören, was der Mann aus Österbotten zu sagen hatte. Er stellte sich vor; sein Name war Lars Petersson Adler.

»Sagt einfach Adler, das genügt«, bemerkte er.

Mehrere stießen mit dem Adler, wie er sofort genannt wurde, an.

»Die englische Flotte braucht Lotsen, die sich auf dem Åländischen Meer auskennen«, sagte er. »Wenn es also hier jemanden gibt, der Erfahrung mit den åländischen Schären hat, dann kann er bei den Engländern eine Anstellung bekommen.«

Mehrere im Saal wollten wissen, wie es mit der Bezahlung aussah.

Ja, sie bezahlten gut und das Essen an Bord war anständig.

Die Gäste hörten auf zu fragen, viele begannen mit ihren Tischnachbarn über die Neuigkeit zu sprechen. Lotse bei den Engländern, ja, das konnte vielleicht etwas sein. Aber dann landete man natürlich im Krieg, das sollte man sich schon durch den Kopf gehen lassen.

Als Markus an diesem Abend nach Hause ging, sah er, dass die Odin immer noch mit dem Heck zum Land hin lag. Auf dem Achterdeck war ein schwaches Licht angezündet, aber man hörte keine Stimmen. Es war noch nicht richtig dunkel; der Frühlingsabend war kühl und frisch, der Himmel wolkenfrei.

Er dachte an das Angebot des Adlers. Das konnte vielleicht etwas für ihn sein. Er ging langsam, hatte zwei Krüge Bier getrunken. Zu Hause gab es Branntwein. Er spürte, dass er ein oder zwei Glas haben wollte, bevor er zu Bett ging.

Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte er viel getrunken, gleich nach dem Tod seiner Frau Sofia vor gut zwanzig Jahren. Sie waren frisch verheiratet gewesen; sie starb, als Kristina 1832 geboren wurde, und das war der Beginn der schwersten Zeit seines Lebens gewesen.

Plötzlich sah er Sofia vor sich. Das kam manchmal vor, und er fühlte wieder die Trauer, trotz all der Jahre. Und wie schon so viele Male zuvor schlug das Gefühl von Trauer schnell um in Zorn und Hass auf das Kind, Kristina, die ihm ja Sofia genommen hatte. Und auch seine Mutter Johanna konnte er hassen, wenn all das hochkam, sie, die ihm Kristina dann weggenommen, das Mädchen aufgezogen und gegen ihn eingenommen hatte.

Immer waren sie gemeinsam gegen ihn, die Frauen, das spürte er jetzt. Und die Bitterkeit war schwarz und schwer, und so kam auch das starke Verlangen nach Branntwein. Er wusste ja, dass der Alkohol Linderung und Vergessen gewährte.

Kristina und Johanna saßen am Küchentisch, als er nach Hause kam. Sie hatten den offenen Kamin angezündet; das Licht flackerte und huschte durch das Zimmer. Er grüßte und setzte sich hin. Kristina fragte, ob er etwas zu essen haben wolle. Er antwortete, dass er das gerne hätte.

Sie stellte etwas geräucherten Fisch, Roggenbrot und ein Stück Käse hin.

Und was wollte er zu trinken haben?

Er holte selbst Wasser im Eimer und goss sich außerdem ein erstes Glas Branntwein ein. Dann erzählte er vom Adler und seinem Angebot. Sie antworteten nicht; er aß das Essen auf.

»Der Krieg«, sagte Johanna nach einer Weile. »Du musst in den Krieg, wenn du diese Anstellung annimmst.«

»Das weiß ich wohl«, antwortete Markus.

»Aber weißt du eigentlich, was Krieg bedeutet?«

»Ich weiß nur, dass die Russen sich immer mehr ausbreiten; sie sind bald die Herren über die ganze Ostsee und noch weiter. Jemand muss sie aufhalten, und das macht jetzt England. Frankreich ist auch dabei, und Schweden sollte mithelfen.«

»Das ist gut und schön, aber du weißt nicht, was Krieg bedeutet. Er bedeutet verlassene Kleinkinder, einsame Frauen und verbrannte Höfe, Armut und Trauer. Krieg hat nichts mit Helden zu tun, nichts mit Ruhm und Ehre. Wenn die Männer aus dem Krieg nach Hause kommen, sind sie zerrüttet – diejenigen, die überleben.«

Markus antwortete nicht. Er wusste ja, dass seine Mutter, die achtundsechzig Jahre alt war, den Krieg aus der Nähe gesehen hatte, den russischen Krieg, der in ihrer Jugend gewütet hatte. Sie sprach selten davon, aber wenn sie es einmal tat, war sie immer aufgewühlt und verzweifelt.

»Die Zeiten ändern sich«, sagte er.

»Ja, aber der Krieg bleibt immer derselbe«, antwortete Johanna.

Kristina hatte still dagesessen. Sie wusste, was ihre Großmutter vom Krieg hielt. Und sie vermutete, dass Johanna während des Kriegs etwas erlebt hatte, das ihr Leben grundlegend verändert hatte, obwohl sie nicht darüber sprach.

»Ich finde, dass Großmutter Recht hat«, sagte sie. »Der Krieg ist etwas, das die Obrigkeit uns aufzwingt, und ich glaube nicht, dass er etwas Gutes mit sich bringt.«

»Wer Tyrannen ausweicht, geht leicht unter«, antwortete Markus. »Jetzt, wo wir wieder von den Russen bedroht werden, müssen wir mit Kraft dagegenhalten. Schweden darf nicht das nächste russische Großfürstentum werden.«

»Das hast du von jemand anderem gehört«, sagte Johanna. »Ich glaube nicht, dass das deine eigenen Gedanken sind.«

Markus antwortete nicht. Warum sollte er auch, wenn seine Mutter seine Ansichten gering schätzte und Kristina ebenso. Er nahm die Branntweinflasche mit in seine Kammer, und obwohl er sie fast leer trank, war ihm sehr unbehaglich zu Mute. Die Frauen blieben in der Küche sitzen. Er hörte ihre murmelnden Stimmen durch die Tür und war sich sicher, dass sie über ihn sprachen.

Der blaue Strand

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