Читать книгу Die Stimme des Atems - Ernst Halter - Страница 48

Rita G.

Оглавление

Kinder heiraten im Kindergarten. Da mir diese Institution erspart bleibt, heirate ich erst mit sieben Rita, meine Banknachbarin. Ein bleiches Püppchen, spricht wenig, leise, meldet sich selten, doch mit richtigen Antworten, ist lieb und blond wie ein Engel. Wir helfen uns mit Radiergummi, Tintenlappen und Farbstiften aus.

Von Ritas Leben hinter der unsichtbaren Grenze, welche den Schulgang vom Familienalltag sondert, weiss ich nichts; ich bin nie bei ihr zu Hause, obwohl meine Mutter zuweilen im Damenmodegeschäft ihrer Eltern an der Vorderen Hauptgasse einkauft. Anziehend ist für mich nur der reinliche Stoffgeruch. Der anstossende Laden dagegen – Haushaltwaren und Armaturen – fesselt meine Vorstellung durch die entweder unabsehbaren oder unvorstellbaren Anwendungsmöglichkeiten der Gegenstände. Am längsten bleibe ich beim Uhrmacher auf der andern Gassenseite stehen, in dessen Schaufenster mehrere Pendulen lebendig sind; einige gehen gravitätisch langsam wie Leitkühe, andre schlagen hastig aus, als ob sie sich verschlafen hätten und die Zeit nachholen müssten. An der Ecke seines Hauses hat er ein Glockenspiel mit Figurinen eingerichtet. Mit dem Schlag der Stunde beginnen die Figürchen in fremdartigen, längst aus der Mode gekommenen Kostümen zu tanzen: Schäferin und Pierrot, Offizier und Fräulein, Bär und Esel.

Die Stimme des Atems

Подняться наверх