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Schweizerdeutsch und Deutsch

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Ich kann mich nicht erinnern, Deutsch gelernt zu haben; die Eltern lesen oft vor; in der Schule steige ich mühelos um und zurück, wenn auch in ländlich schweizerdeutscher Aussprache. Meine Hemmungen vor dem abfallenden Schluss-E überwinde ich erst in der 3. Klasse. Dass man nicht wie ein buchstabierender ABC-Schütze Tagé, Mühé, Schulé, sondern Tagö, Mühö, Schulö sprechen sollte, geniert mich entsetzlich. Als mir dämmert, dass man dies nicht zu betonen braucht, sind die Hemmungen überwunden. Tag : nichts natürlicher.

Als wir in der 5. Klasse der Sprache grammatikalisch zu Leibe rücken, halte ichʼs für unnötig, Konjugation von Deklination zu unterscheiden, überhaupt Grammatik zu lernen. Als Raumer mich auffordert, die vier Fälle des Wortes «der Mann» herzusagen, bleibe ich stumm. Um so prompter schnarrt meine Nachbarin über dem Mittelgang, Rosmarie mit den roten Haarmaschen, «der Mann, des Mannes, dem Manne, den Mann» herunter. Raumer ist beglückt: Das kommt ja wie aus der Kanone geschossen! Und er macht Rosmarie schwache Hoffnung, vielleicht, wenn sie sich von nun an ins Zeug lege wie ein Ackergaul und ihr Schwatzwerk ausschliesslich für Antworten auf die Fragen des Lehrers in Gang setze, doch noch mit knapper Not in die Bezirksschule zu rutschen. Es gibt also eine Grammatik, welche die lebendige Rede in ihren Netzen fängt und sie darin zappeln lässt wie den Fisch im Netz und Richtig von Falsch scheidet. Absurd.

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