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Das Mysterium

Morgens an Deck begann die Arbeit. Fritz sah am Schuppen einen offensichtlich alten Inder stehen. Er hatte ein nicht mehr ganz weißes Tuch um die Hüften gebunden. Ein Ende dieses Tuches lag über seiner Schulter. Ein ebenfalls nicht ganz sauberer Turban bedeckte seinen Kopf. Das alles wäre normalerweise in diesem Land nichts Besonderes gewesen. Bloß, der stand auf einem Bein, das andere angewinkelt an sein Knie gelegt. Stunde um Stunde stand er da, regungslos. Fritz dachte schon, das sei so etwas wie Kunst am Bau und gar kein Mensch.

Die Mittagspause. Immer noch stand er da. Jetzt juckte es Fritz. Er ging an Land. Es waren nur etwa 30 Meter bis zu seinem Objekt der Neugierde. Sein Kreis um ihn wurde immer kleiner. Fritz sah in zwei warmherzige braune Augen.

„Was machen Sie hier?“, sprach Fritz ihn auf Englisch an.

„Ich denke nach und muss mich konzentrieren.“

„Muss man dazu auf einem Bein stehen, und dann auch noch so unbequem?“

„Ja.“

„Warum? Im Sitzen geht das doch viel leichter.“

„Nein, ich muss mich intensiv konzentrieren.“

„Warum?“

„Nun, ich denke über Gott und die Welt nach.“

„Darf ich Sie zu mir an Bord einladen?“

„Ja, gerne.“

Er ging mit Fritz die Gangway hoch an Bord. Die Matrosen beschimpften Fritz: „Was willst du mit diesem Kanacker. Wir wollen sowas nicht an Bord haben. Jag ihn weg, auf der Stelle!“

Fritz ließ sich nicht beindrucken. Er lud ihn in seine Kammer ein und bot ihm eine Coca Cola an. „Bitte, mach sie nicht auf.“ O.k., Fritz holte noch Tee. Ob er auch etwas zu essen bekam, weiß er nicht mehr. Denn was dann passierte, ließ ihm den Atem stocken. Dieser freundliche Mann begann mit leiser Stimme aus dem Leben von Fritz zu erzählen. Anfangs glaubte er, das sei irgendein Humbug. Aber der Sadhu wurde immer detaillierter. Er wusste, wann Fritz geboren worden war, dass sein Vater im Juni 1940 1500 Meilen westlich seiner Heimat umgekommen ist. Er wusste von seiner Schwester, die 3 Jahre jünger sei. Er erzählte ihm die Qualen bei den fremden Leuten, bei denen er gelebt hatte. Fritz wurde starr vor Schreck. Wie ist das möglich? Was passiert hier?

Er erzählte von einem sehr hübschen Mädchen in einer großen Stadt, die es ihm angetan hat. Aber sie mag ihn – Fritz – nicht. Er kannte seine ganze Geschichte, auch die schlechte Behandlung an Bord dieses Schiffes und dass Fritz Bootsmann werden will.

Dann wurde er still. Fritz bekam kein Wort mehr heraus. Nach einer Weile schloss der indische Gast seine Augen. Um Himmelswillen, er schläft doch wohl nicht ein? Leise fragte er:

„Möchtest du wissen, wie dein Leben weitergeht?“

„Lieber nicht, denn es war bis jetzt eine Katastrophe.“

„Nein, nein, es wird alles sehr gut“, sagte er. „Es wird alles sehr gut.“

„Also gut, erzähle.“

„Du wirst niemals Bootsmann, du wirst Schiffskapitän.“

„He, vergiss es. Ich will das nicht und ich kann das nicht, weil ich nicht die notwendige Schulbildung habe, nein, niemals. Ich will auch nicht wieder zu Schule gehen. Nie im Leben so etwas.“

Ruhig und gelassen antwortete er: „Du wirst ganz sicher Schiffskapitän. Niemals im Leben wirst du Bootsmann. Das Mädchen, das dir so gut gefällt, in dieser großen Stadt, wirst du 1965 etwa Mitte des Jahres heiraten. Ihr werdet sehr glücklich. Ihr werdet 1969 einen Sohn bekommen und eine Tochter, die nicht leben wird. Du wirst ein schönes großes Haus haben und Big Boss eines großen Unternehmens werden.“

Fritz brachte den Mann schnell wieder an Land. Mindestens das, was seine Zukunft betraf, war blanker Humbug, Quatsch ganz einfach. Aber wie konnte der seine Lebensgeschichte so präzise wissen? Wie ist so etwas möglich? Der war für Fritz ein Mysterium, ganz einfach ein Mysterium. Die Mittagspause war zu Ende. Die Arbeit wurde wieder fortgesetzt. Aber so ganz ging ihm dieser geheimnisvolle Mann nicht aus dem Sinn. Langsam vergaß er ihn auch wieder.

Fritz Gezeiten des Lebens-Ebbe,Flut und Sturmfluten

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