Читать книгу Spielen! Was sonst? - Erny Hildebrand - Страница 10
Eine andere Welt
ОглавлениеLetztens in der Straßenbahn hörte ich zufällig ein Gespräch zweier Jugendlicher mit. Sie tauschten sich voller Begeisterung über die neusten Internetspiele aus. Je mehr sie darüber sprachen, desto weniger verstand ich etwas. Es war eine total fremde Welt, die sich da vor mir auftat. Ausdrücke wie World-of-Warcraft, Second-Life, Lebensenergie, Katakis, Takatis …“
Ich bat die Jugendlichen, mir zu erklären, wie das mit den Onlinespielen sei. Sie schauten mich entgeistert an und hatten schon eine abweisende Antwort auf den Lippen. Also setzte ich noch einmal nach und erklärte: „Ich würde wirklich gern etwas darüber erfahren. Meine Enkel finden das so cool, aber ich verstehe absolut nichts davon.“
Vielleicht hat meine Unwissenheit sie gerührt oder mein weißes Haar sie so besänftigt, dass sie begannen, mir die Welt der Online Spiele zu eröffnen. Der Lange mit der Undercut-Frisur holte weit aus: „Zum einen gibt es Browser-basierte Onlinespiele, die entweder auf reinem HTML-Code basieren oder zusätzliche Browser-Plug-Ins, zum Beispiel Flash oder Java, benötigen.“ Der Kurze fiel ihm ins Wort: „Und dann gibt es die Clientbasierten Multiplayer-Onlinespiele. Diese setzen die Installation einer Client-Software voraus. Die Client-Software verbindet sich dann entweder mit anderen Clients oder sie stellt eine Verbindung zu einem Spielserver her.“ Sie schauten mich erwartungsvoll und um Verständnis heischend an. Ich schüttelte den Kopf, um den Wortschwall der mir fremden Begriffe abzuschütteln. „Tut mir leid, ich habe nichts verstanden!“ Sie schauten sich an. Der Lange zuckte mit den Schultern und wandte sich ab. Der Kurze blickte mir ins Gesicht und da er meinen echten Wunsch darin las, die Sache zu verstehen, raffte er sich noch einmal zu einem Erklärungsansatz auf. „Wissen Sie, es gibt z. B. Ego-Shooter Spiele, bei denen man früher zumeist allein gegen Feinde kämpfte und sie möglichst alle vernichten musste. Man hatte die unterschiedlichsten Waffen zur Verfügung: Pistolen, Pumpguns, Raketenwerfer mit unterschiedlicher Munition, Feuerrate und Streuung.“ Ich spürte, wie Erinnerungen an den Krieg in mir aufsteigen, doch der Junge holte tief Luft und fuhr begeistert fort: „Heutzutage gibt es aber den Mehrspieler-Modus, bei dem sich mehrere Spieler über das Internet oder über ein Netzwerk zusammenfinden, um sich in Gruppenkämpfen oder Mannschaftsspielen miteinander zu messen. Manchmal sind weltweit über 3,5 Millionen gleichzeitig angemeldete Spieler im Netz, nicht nur im Ego-Shooter, sondern auch mit Kriegsspielen, Counter-Strikes und MMOGs und in den social network games.“ Ich winkte verzweifelt ab und stoppte die Informationsflut. „Ich glaube, das ist mir doch zu fremd, um es zu verstehen!“ Nach einer kurzen Pause stellte ich fast verschämt die Frage: „Trefft ihr euch denn noch mit Freunden? Fahrt ihr noch Fahrrad? Spielt ihr noch Schach oder Malefiz?“ „Ja, gelegentlich, wenn wir noch Zeit dazu haben“, war seine Antwort. Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Jede Zeit gebiert die ihr eigenen Spiele.