Читать книгу Spielen! Was sonst? - Erny Hildebrand - Страница 17
Gefährliches Spiel
ОглавлениеIm heimatlichen Dorf Hude, nördlich von Bremen, bestand meine Welt aus dem Elternhaus, dem Garten und dem angrenzenden Wald. Hier durften wir Kinder mit unseren Freunden, und wir waren oft eine ganze Menge, spielen und toben, soviel wir wollten. Aber mit zunehmendem Alter vergrößerte sich der Aktionsradius bis zu dem Gelände der alten Klosterruine, die damals noch frei begehbar war. Heute ist alles eingezäunt und mit Verbotsschildern versehen. Viele Geschichten und Legenden ranken sich um das vom Bischof von Bremen schon Ende des 13. Jahrhunderts zerstörte große Backsteinanwesen und seine Mönche. Es hieß, es gäbe einen geheimen Gang vom Kloster bis weit ins Moor hinaus, durch den sich die Mönche seinerzeit vor dem Bischof gerettet hätten.
Wir Kinder fanden die Ruinenanlage spannend und auch unheimlich. Wir spielten dort Verstecken, Räuber und Gendarm und Gespenster je nach Tages- und Jahreszeit. Wir versuchten, mit Seilen an den alten Mauern emporzuklettern und gruben Löcher. Alles konnten wir recht ungestört tun, denn die Ruine lag am Rande des Dorfes und es kamen nur wenige Leute vorbei. Eines Tages entdeckte einer von uns zwischen zusammengesunkenen Mauerstücken ein Loch. Eine Höhle, vielleicht ein Gang … vielleicht der Gang der Mönche! Wir waren wie elektrisiert und begannen zu buddeln. Nur mit Tonscherben war das nicht sehr erfolgreich. Am nächsten Tag brachten wir Schüppen und Spaten mit, was nicht so ganz einfach war; denn es war die Parole ausgegeben worden, dass nichts zu Hause verraten werden durfte. Uns war wohl allen klar, dass die Herrlichkeit dann schnell ein Ende haben würde. Wir gruben und schaufelten nach der Schule einige Tage lang angestrengt und drangen tatsächlich immer tiefer in einen Hohlraum unter den großen Gesteinsbrocken ein. Man konnte in das Loch hineinsteigen und in dem dunklen Gang auch sogar gebückt stehen. Wir waren fest überzeugt, den Geheimgang der Mönche von vor 700 Jahren gefunden zu haben.
Klosterruine in Hude
Ich hatte schon keinen Mut mehr, in das Loch zu steigen, aber die Jungen, vor allem mein älterer Bruder, fanden es toll, bis eines Tages, als wir alle gespannt vor dem Loch hockten und Steine von denen in Empfang nahmen, die innen arbeiteten, eine Stimme hinter uns erscholl: „Was macht ihr da eigentlich?“ Hinter uns stand mein Großvater und sah zu, wie wir uns aufrichteten. „Ist da jemand drin?“ fragte er auf das Loch deutend und dann im uns nur zu gut bekannten Befehlston: „Kommt sofort da raus!“. Dann hielt er uns eine Standpauke über die Gefährlichkeit solcher Spiele. Wie leicht hätte die Höhle oder der Gang über uns zusammenbrechen und uns begraben können. Wenige Tage später veranlasste die Gemeinde, dass unser Gang zugeschüttet und jeder Einstieg unmöglich gemacht wurde. Die Geschichte aber, dass Kinder den sagenhaften Klostergang gefunden hätten, hielt sich lange in der Gemeinde.