Читать книгу Unsere Flotte im Weltkriege 1914/1916 - Eugen Kalau vom Hofe - Страница 10
Schiffe und Waffen.
ОглавлениеSeit 100 Jahren hatte die große Überlegenheit ihrer Flotte es der englischen Diplomatie ermöglicht, eine unbestrittene Herrschaft auf dem Meere und damit über die Völker auszuüben, die aus diesem oder jenem Grunde ihrem Handel oder Gewerbe dort nachgehen müssen; diese Herrschaft beruhte aber bis zu einem gewissen Grade auf einer an Überschätzung streifenden vererbten Hochachtung der kleineren Seemächte; sie wurde eben, weil jeder Kampf mit der ruhmbedeckten Flotte des reichen England aussichtslos erschien, niemals bestritten. Die englische Admiralität ließ es sich nämlich angelegen sein, von Zeit zu Zeit, besonders bei starker Gewitterbildung am politischen Horizont, durch überraschende Neubauten ganzer Flotten oder durch Riesenbauten einzelner Schiffe die staunende Mitwelt einzuschüchtern. Dieselbe Methode wurde auch gegenüber der jungen, wachsenden Flotte Deutschlands angewandt.
So führten die englischen Kriegsschiffe die schwersten Kaliber und übertrafen durch Raumgehalt die entsprechenden deutschen Schiffsklassen, ohne dass ihnen nach fachmännischer Überzeugung deshalb der überlegene Gefechtswert gesichert war. Die Güte des Kruppschen Kanonenmaterials, in Verbindung mit vorzüglichen Treib- und Sprengmitteln, gestattete die Konstruktion von Geschützen und Geschossen, die bei geringerem Gewicht und Kaliber dieselbe Leistung aufwiesen wie die schweren englischen Konstruktionen und sie hinsichtlich der Haltbarkeit noch übertrafen. Mit anderen Worten: Die Engländer mussten, um die schnelle Abnutzung ihrer Geschütze zu beschränken und dieselbe Wirkung am Ziel zu erreichen, zu schweren Geschossen und größeren Kanonen ihre Zuflucht nehmen. Auf diese Weise kamen sie auch zur Konstruktion größerer Schiffe; die schwereren Geschütze erforderten eine größere Unterlage. In der gleichen Richtung wirkte die neuerliche Entwicklung des Torpedos, der seine Reichweite bis auf 6000 m ausgedehnt hatte und dessen Durchschlagskraft einen besonderen Schutz unter Wasser durch Panzerung und vermehrte Zelleneinteilung nötig machte, eine Forderung, die nur durch Vergrößerung des Schiffskörpers erfüllt werden konnte. Die nie stillstehende Entwicklung der Waffentechnik hatte auch die deutsche Marineverwaltung gezwungen, der in England begonnenen Vergrößerung zu folgen, wobei sie durch die Tiefenverhältnisse unserer Flussmündungen und des Kaiser-Wilhelm-Kanals benachteiligt war.
Diese Schwierigkeiten wollte sich die englische Admiralität zunutze machen und der deutschen Marineverwaltung ein für alle Mal die Gedanken einer Nebenbuhlerschaft mit englischer Kriegsschiffskonstruktion nehmen, als sie plötzlich das in aller Heimlichkeit hergestellte Linienschiff „Dreadnought“ vom Stapel ließ und überhastet fertigstellte, das fast doppelt so groß war als die bisherigen deutschen Linienschiffe und zehn 30,5-cm-Kanonen führte gegen vier 28-cm- und vierzehn 17-cm-Kanonen der „Deutschland“-Klasse. Der erhoffte Erfolg blieb aus. In kurzer Zeit nahmen nicht nur die deutsche Marine, sondern auch viele andere Staaten den Bau von Dreadnoughts auf, der alle älteren Linienschiffe und besonders die große Linienschiffsflotte Englands entwertet hatte. Die Zahl der Dreadnoughts in der Schlachtlinie war hinfort der Maßstab für die maritime Stärke.
Eine neue Art von Torpedofahrzeugen, die Unterseeboote, hatten in den letzten Jahren zunehmende Bedeutung als Feinde der Schwimmfähigkeit der wertvollen großen Kriegsschiffe erlangt. Anfangs gebaut für die unterseeische Küstenverteidigung als Ersatz für die sich an den englischen und französischen Küsten nicht bewährenden Minensysteme, hatten sie sich zu Hochseetorpedobooten ausgewachsen, die zur überraschenden Annäherung sich durch Untertauchen unsichtbar machen konnten und damit eine Eigenschaft besaßen, die bei klarem Wetter, also meist bei Tage, bedeutende Vorteile vor der allerdings sehr hohen Geschwindigkeit der bisherigen Torpedoboote hatte. — Kurz vor Kriegsausbruch hatte ihre Entwicklung einen gewissen Abschluss erreicht und waren die verschiedenen Marinen im Begriff, sich von dieser neuen Schiffsart einen ihren Bedürfnissen entsprechenden Bestand zu bilden. Mit außerhalb der heimischen Gewässer verwendbaren Unterseebooten trat die deutsche Flotte etwa mit derselben Stärke zum Kriege an wie die Engländer, obschon die Flottenlisten bei Deutschland 28, bei England 80, bei Frankreich 55 und bei Russland 12 Unterseeboote verschiedenster Größe aufwiesen. Die Art der Verwendung stützte sich auf die bisherigen Manövererfahrungen, die als erschöpfend noch nicht angesehen werden konnten.
Noch unsicherer waren die Hoffnungen gegründet, die man auf die Marineluftschiffe und Wasserflugzeuge bei Kriegsausbruch setzen durfte. Während die deutsche Marineverwaltung das Hauptgewicht auf die Entwicklung der Zeppeline legte, hatten Engländer und Franzosen besonderes Interesse an den Flugzeugen genommen, die von Mutterschiffen aus zum Bombardement feindlicher Schiffe und Küstenplätze und zur Aufklärung aufsteigen sollten.