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Der Vorstoß gegen Libau am 2. August 1914.

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(Mit einer Skizze.)


In der Nacht vom 1. zum 2. August ließen die Russen an verschiedenen Stellen durch ihre Truppen unsere östliche Grenze überschreiten und versuchten außerdem durch gedungene Wichte unsere Verkehrseinrichtungen zu stören. Der Friede war damit gebrochen. Unsere Kleinen Kreuzer „Augsburg“ und „Magdeburg“, welche gerade in Neufahrwasser bereit- lagen, erhielten Befehl, nach dem nahegelegenen Libau zur Erkundung des dortigen Kriegshafens in See zu gehen, und verließen am Vormittag des 2. August die Danziger Reede. In Libau hatten die Russen bereits am 1. August alle deutschen und schwedischen Handelsschiffe festgehalten, während Engländer und Dänen auslaufen durften. Zur selben Zeit, als russische Truppen die deutsche Grenze überschritten, wurden in Libau die deutschen Handelsdampfer „Prima“, „Saxonia“, „Düsseldorf“, „Wilhelm Helmsoth“ und „Albatros“, welcher erst am 1. August nachmittags eingelaufen war, beschlagnahmt, ihre Besatzungen als kriegsgefangen erklärt und in dem in der Nähe der Kriegswerft gelegenen Emigrantenhaus eingesperrt. Die Kaianlagen und Ladeeinrichtungen hatte man angefangen zu zerstören und die großen privaten Kohlenlager in Brand gesteckt, um sie der deutschen Flotte nicht in die Hände fallen zu lassen, deren baldiges Eintreffen russischerseits befürchtet wurde.

Nördlich der Stadt Libau und des kanalartig erweiterten Ausflusses des Libauer Sees befinden sich die Reste des Kriegshafens Alexanders III., der zur Zeit der ersten Blüte der frankorussischen Freundschaft als fürchterliche Drohung gegen Deutschland geplant worden war. Gewaltige Summen sind in diesem Unternehmen verbaut worden — und verschwunden; in den letzten Jahren hatten die Russen den Platz so ziemlich ausgegeben zugunsten neuer Pläne bei Reval und Helsingfors. In den vorhandenen Kriegswerftanlagen waren einige Torpedobootsabteilungen stationiert, auch war eine Fliegerstation eingerichtet und eine Werkstatt für Wasserflugzeuge vorhanden, an der der in Fliegerkreisen bekannte Sikorski wirkte. Als Stützpunkt für Unterseeboote und leichte Streitkräfte war Libau nicht ohne Bedeutung, wennschon der größte Teil seiner Küstenbefestigung und die Landfronten scheinbar nicht mehr instandgehalten wurden. Als unsere Kreuzer am Nachmittag des 2. August vor Libau eintrafen, fanden sie das Nest leer; es stellte sich heraus, dass die Küstenwerke sämtlich ohne Geschütze waren, dass die Fliegerstation samt der Wasserflugzeugfabrik bereits aus dem Wasserwege durch den Rigaischen Meerbusen nordwärts abgezogen war und dass die drei Hafeneinfahrten durch versenkte Dampfer — nämlich die festgehaltenen deutschen — und Minen gesperrt waren. Die russischen Torpedoboote waren schon zur Zeit des Besuches des Präsidenten der französischen Republik nach dem Finnischen Meerbusen abgedampft und nicht mehr zurückgekehrt. Während „Magdeburg“ die Erkundung der Küste fortsetzte, beschoss „Augsburg“ die Küstenbefestigungen, aus denen nicht geantwortet wurde, die Werftanlagen und sonstige Baulichkeiten aus dem Kriegshafengebiet, welche sehr bald in Brand gerieten. Abends um 9 Uhr, nachdem durch Funkspruch Meldung über das Ergebnis des Vorstoßes erstattet war, verließen die Kreuzer mit neuen Aufgaben die Reede von Libau. Über die Ereignisse während dieser Tage in Libau haben deutsche Matrosen, denen ein kühner Fluchtversuch gelang, folgendes ausgesagt:

Am Sonntag, 2. August, morgens etwa um 4 Uhr, wurden die Besatzungen der deutschen Dampfer durch russische Marinesoldaten von Bord geholt und im Emigrantenhaus eingesperrt. Man gab ihnen einen Topf und erklärte ihnen: „Da draußen ist eine Wasserleitung, da trinkt euch nur satt!“ Die deutschen Seeleute bekamen denn auch tatsächlich den ganzen Tag nichts zu essen. Während des Sonntags wurde am Hafen gesprengt, denn die Besatzung des Kriegshafens hatte die Anweisung, alles in Brand zu setzen oder in die Luft zu sprengen und zu fliehen, sobald sich ein deutsches Kriegsschiff zeigte. In Verfolg dieser Anweisung wurden bereits am Sonntagvormittag die deutschen Dampfer in den drei Einfahrten des Hafens versenkt, und zwar „Saxonia“ nebst zwei russischen Baggern in der südlichen Einfahrt, „Düsseldorf“ und „Prima“ in der mittleren und „Albatros“ sowie „Wilhelm Helmsoth“ in der nördlichen. Die Kohlenlager nebst den Kriegs- und sonstigen Vorräten wurden gleichfalls schon am Sonntagvormittag in Brand gesetzt. Am Sonntagabend zwischen 8 und 9 Uhr erschien der deutsche Kreuzer „Augsburg“ auf der Reede und begann sofort die Beschießung des eine Viertelstunde vor der Stadt liegenden, von dieser durch einen kleinen Wald getrennten Kriegshafens. Auf die Stadt selbst wurde nicht geschossen. Eine Granate ging etwa 15 m von einem schwedischen Dampfer nieder. Sie explodierte nicht, so dass das Schiff vor der Vernichtung bewahrt blieb. Die dem Emigrantenhause am nächsten kommenden Granaten explodierten in etwa 200 m Entfernung im Walde. Die deutschen Seeleute hofften, dass die Besatzung der „Augsburg“ landen und sie befreien würde. Leider war ihre Hoffnung vergebens. Nachdem der Kreuzer die Kriegswerft, die Forts und Leuchttürme an den Hafeneinfahrten zusammengeschossen hatte, dampfte er wieder ab.

Am Montagmorgen 7 Uhr erhielten die deutschen Seeleute die Erlaubnis, in der Stadt spazieren zu gehen, aber spätestens abends 9 Uhr wieder im Emigrantenhause zu sein. Wer nicht zur Stelle sei, werde gesucht und ohne Gnade erschossen werden. Der vom Kreuzer „Augsburg“ zusammengeschossene und in Brand geratene Kriegshafen, die Werft sowie die Kohlenlager brannten am Montag noch lichterloh; in der Stadt war anscheinend nur wenig Militär. Vier der deutschen Seeleute fassten auf ihrem Gang durch Libau den Entschluss zu fliehen. Zu diesem Zweck sahen sie sich zunächst die in den Hafeneinfahrten versenkten Dampfer an. Von der Südermole gewahrten sie, dass die „Saxonia“ noch mit dem Vorderteil aus dem Wasser ragte und eins ihrer Rettungsboote noch unversehrt war. Die jungen Seeleute entkleideten sich und schwammen zum Wrack der „Saxonia“ hinüber, brachten das Ruderboot zu Wasser, nahmen einen Kompass und suchten nach Lebensmitteln, die sie aber nicht fanden. Sie ruderten dann an Land zurück und holten ihre Kleidung. Um 11 Uhr vormittags verließen sie ungehindert im Boot den Libauer Hafen und steuerten zunächst in See, später mehr an der Küste entlang. Abends um 10 Uhr konnten sie noch einen Feuerschein von Libau sehen. Etwa um 2 Uhr nachts, als sie dem Land reichlich nahe gekommen waren, wurden sie von einer Kasakenabteilung bemerkt, die sie mit ihren Laternen beleuchtete und sie aufforderte, an Land zu gehen. Der Aufforderung wurde aber selbstverständlich keine Folge geleistet, worauf die Kasaken auf die Flüchtlinge schossen, ohne indessen zu treffen. Um 4 Uhr morgens landeten die jungen Seeleute in der deutschen Grenzstadt Nimmersatt, von wo sie nach Memel und von dort nach Königsberg gelangten. Von hier reisten sie in ihre Heimat. Was aus den in Libau zurückgebliebenen deutschen Seeleuten geworden ist, ist bisher nicht bekannt geworden. (Vossische Zeitung.)


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