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Um fünf war auch dieses Gespräch vorüber. Mein Mandant war nicht wirklich glücklich über meinen Vorschlag, sich in einer Betrugssache schuldig zu bekennen. Immerhin hatte er eingesehen, dass es sich lohnte. Unter dem Strich würde er so besser wegkommen. Ich musste ihm nur noch beibringen, sich reumütig zu zeigen. Zumindest vor Gericht. Ich erledigte Papierkram, packte meine Tasche und brachte leere Gläser und Tassen in die Küche. Dann setzte ich mich hin und griff zum Telefon. Bevor ich das Büro endgültig verliess und Norah gegenübertrat, wollte ich versuchen, etwas mehr in Erfahrung zu bringen. Ich wählte Béjarts Nummer.

Er schien auf meinen Anruf gewartet zu haben. «Moira», sagte er. «Guter Abgang, den du heute Morgen hingelegt hast.»

Was sollte ich dazu sagen? Ich schwieg.

«Meinst du, das war klug? Becker scheint dich sowieso schon nicht zu mögen, weiss der Teufel wieso.»

Ich hatte das Gefühl, er mache sich über mich lustig. «Wenn ich klug wäre, würde ich ein anderes Leben führen», blaffte ich ihn an. «Ich bin nicht auf der Welt, um klug oder glücklich zu sein.»

«Nein? Wofür bist du dann auf der Welt?», fragte Béjart plötzlich sanft.

Tja, wofür eigentlich? Mir fiel spontan keine Antwort ein. «Becker interessiert mich nicht. Der hat nichts zu sagen.» Ich unterbrach mich. «Sag mal, welcher Staatsanwalt ist eigentlich in der Sache zuständig?»

«Staatsanwältin, nicht Staatsanwalt. Die Kummer.»

«Staatsanwältin Kummer», wiederholte ich. Ein Schauder lief über meinen Rücken.

«Alles in Ordnung, van der Meer?» Béjarts Stimme klang rau und zärtlich zugleich. Er wusste um meinen letzten Fall mit Staatsanwältin Kummer. Ein Fall, der mir nahe gegangen war. Ihm übrigens auch. Ein Fall, der mich in meinen Träumen noch ab und zu verfolgte. Staatsanwältin Kummer war für mich gleichbedeutend mit diesem Fall. Béjart wusste auch darum. Ich war dankbar für sein Feingefühl. Aber weshalb er mich in diffizilen Situationen immer bei meinem Nachnamen nannte, war mir schleierhaft.

«Mit Staatsanwältin Kummer komme ich klar», sagte ich gespielt forsch. Wobei es der Wahrheit entsprach. Abgesehen vom Umstand, dass unser letzter gemeinsamer Fall tragisch geendet hatte, waren Kummer und ich ziemlich auf einer Wellenlänge.

«Und sonst?», fragte ich.

«Was willst du wissen?»

«Alles.»

«Es gibt nichts Offizielles.»

«Und Inoffizielles?»

«Auch nichts.» Béjart lachte.

Sehr witzig. Ich liess Béjart meine Missbilligung durch die Telefonleitung spüren.

«Ehrlich.» Béjart war das Lachen vergangen. «Es gibt nichts. Projektile, Spuren, Fingerabdrücke, das muss alles erst ausgewertet werden.»

Da hatte er natürlich Recht. Trotzdem war ich enttäuscht.

«Und die Raubmord-Theorie?»

«Die hat absolute Priorität.»

Ich überlegte, ob ich Béjart nach Paul Petersen fragen sollte, entschied mich aber dagegen. Erst einmal musste ich mit Norah reden.

«Moira, willst du einen Rat von mir?», unterbrach Béjart meine Gedanken.

Eigentlich nicht. Eigentlich wollte ich ganz andere Dinge von Guido Béjart, aber die war er mir bislang nicht gewillt zu geben.

Er wartete meine Antwort nicht ab. «Nimm Kontakt zu deinen Hehlern auf. Du kennst doch einige ziemlich grosse Fische.»

Ich hörte ein Geräusch, das sich nach einem unterdrückten Lachen anhörte. Ha, ha. Moira van der Meer, Anwältin der lokalen und regionalen Unterwelt. So sah er mich wohl.

«Die gestohlene Ware», fuhr Béjart fort. «Irgendwo wird sie wieder auftauchen. Du findest da vielleicht schneller etwas raus als wir.»

Kein schlechter Hinweis. Ich würde der Sache nachgehen. Aber nicht jetzt. Nicht heute. «Danke», sagte ich. Ich meinte es so. Ich war ihm dankbar. Für alles.

«Wenn du mehr weisst …», fing ich an, vollendete den Satz aber nicht.

«Dann was?»

«Dann ruf mich an.»

«Ich werde dich vorher anrufen, Moira.» Béjarts Stimme war tief und verführerisch.

Ich schluckte. «In Ordnung», sagte ich.

«Bis bald, van der Meer», sagte er. Seine Stimme war nur mehr ein Flüstern. Er legte auf.

«Bis bald, Guido», antwortete ich.

Er hörte es nicht mehr.

Tod in Winterthur

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