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IV.

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Aber mit mir selbst disputieren werde ich wohl dürfen. Oder mit den anderen Pappgestalten. Seht nur, wie zufrieden die blonde Schöne lächelt und ihre Mappe zuklappt! Wir sind auf unseren Posten, akkurat dort, wo sie uns haben will. Ja, Belisarius, Podest auch, aber Posten nicht minder. Eine wahre Prozession ist das, die unseren Saal verlässt. Natürlich keineswegs so beeindruckend wie jene in Preßburg, als die Durchlauchtigste Erzherzogin Maria mit Dero Durchlauchtigstem Herrn Gemahle in die Stadt zog. Prächtig gekleidete Abordnungen aus allen Komitaten begleiteten sie, keine müden Männer im fleckigen Arbeitsdrillich. Sie trugen pelzverbrämte Umhänge, ritten auf kostbar gezäumten Pferden, fuhren in reich verzierten Kutschen, schwenkten … Ob ich selbst dabei war? Nun, nicht direkt, doch man hat mir davon erzählt. Was, du willst keine Berichte aus zweiter Hand? Monsieur Belisarius seyn anspruchsvoll.

Schweigen wäre itzo aber falsch. Ich habe frohe Botschaft zu verkünden und will vermeiden, dass Mister Quality Paper erneut zur beleidigten Leberwurst mutiert. Deshalb muss ich Ihro Gnaden über die baldige Ankunft meines Freundes Carl in Kenntnis setzen. Ja, ich habe einen Freund, hier im Museum. Gleich wird er kommen und mich mit Don’t make such a face, ole guy! begrüßen. Ist das nicht vortrefflich? Hi oder How are you sagt er zu jedem, dem er auf seinem Weg durch den West Pavilion begegnet, egal ob Faun, Venus oder Pudel. Das mit ole guy allein zu mir. Er weiß meine stille Konzentration zu schätzen, kennt meine Bereitschaft zuzuhören. Verzieh nicht dein Zeitungsgesicht, Belisarius! Im Gegensatz zu dir schätzt Carl den Umgang mit mir. Während er alle Winkel der Gallery W102 überprüft, erzählt er von seiner Frau Prescence, die im North Pavilion bei den illuminierten Handschriften aufpasst, dass niemand mit Blitzlicht fotografiert. Wehe, sie erwischt einen! Oh boy! Besonders viel hält er auf seine beiden Töchter. Wenn er von ihnen spricht, wird er vor Vaterstolz noch größer und dicker, als er es ohnedies schon ist, und sein Vollmondgesicht strahlt wie der Kronleuchter der Szegetys bei einer Soirée. Die Ältere liest sicher die Los Angeles Times. Sie geht auf die Universität, hat ein Begabtenstipendium erhalten. My Sarena, she’s the bright one, lobt sie mein Freund. Die Jüngere, Deliza, ist nicht ganz so gescheit, dafür sportlich. In der Hockey-Auswahl ihrer High School ist sie der Star. Ich glaube, dass mein Freund die Sportskanone der Intellektuellen vorzieht. Das Spiel auf dem Rasen kennt er, das Studium der Chemie nicht. Mit der einen Tochter kann er noch reden, die andere ist ihm bereits entglitten in eine Welt, die von Molekülen und organischen Reaktionen beherrscht wird. She’s so damn clever. Wie Carl das sagt, klingt es anerkennend, das schon, aber mit Vorbehalt. Sarena ist dem gutmütigen Mann über den Kopf gewachsen, redet eine fremde, mit Phrasen und Formeln durchsetzte Sprache und entfernt sich immer weiter von dem, was einmal ihr Zuhause war und seines bleiben wird. I dunno. Das sagt er oft, wenn er nicht weiterweiß. Aber psst, hört ihr den schweren Schritt? Er kömmt.

Meine Verehrung, guter Mann. Schön, dass wir uns wiedersehen.

- What a sight, you and them mock-ups.

Was heißt hier Mock-ups? Ihr Kleisterköpfe seid gar keine Kunstwerke, bloß Modelle?

- Don’t make such a face, ole guy! Your buddies will arrive soon.

Habt ihr gehört? Ihr Pappenheimer seid nichts als gemeine Platzhalter, damit die blonde Generalin die geplante Truppenaufstellung vorab inspizieren kann. Die wahre Kunst wird erst angeliefert.

- They’ve got weird names. The Ill-Humored Man or Just Rescued from Drowning. Don’t sound funny to me.

Hurra, eine Abordnung unseres Bataillons ist im Anrücken!

- No dancing, you rascal. I don’t want the alarm to go off.

Zu Befehl! Bin schon denkmalstill. Die Kameraden. Ich seh sie wieder! Wie in Paris und New York. Wer hätte das gedacht, als wir in der Nacht vorm Abbau übermütig durch die Neue Galerie polterten und dazu sangen:


O je, o je, wie rührt mich dies!

Was soll das Klagen frommen,

Den Kopf verlier ich schier,

Mein Kopf ist ganz benommen.

Den meinen hab ich hier!

Leb wohl, ich muss nun gehen.

Doch bleibt ein Trost so süß:

Es gibt ein Wiedersehen, es gibt ein Wiedersehen!

Auch das hat der Sepp der Marie ins Ohr gesungen, es aber nicht so gemeint. Wir hingegen haben gar nichts gemeint, bloß gescherzt. Sogar der Langeweiler mit den Zotteln hat mitgemacht. Er als Rosalinde, ich als Eisenstein, und die Zinnkameraden gaben als verfünffachte Adele noch eins drauf. War das lustig. Carl, Carl, da hättest du dabei sein sollen!

Du schmunzelst ja gar nicht. Was ist denn los? Sorgen wegen Sarena? Weil sie so viel lernt und darüber das Leben vergisst? Ganz meine Rede. Zu viel Hirnschmalz verschmiert die Sicht aufs Wesentliche. Was haben die studierten Leute nicht schon alles über mich gesagt. Und erst über den Meister! Finden da eine Notiz, dort einen Brief, kombinieren das eine mit dem anderen, und heraus kommt ein Pallawatsch. Bloß, weil jemand meinen Meister einst in misslicher Stimmung vorgefunden hatte, war er noch lange kein Griesgram. Er war gesellig und Scherzen nicht abgeneigt. Zugegeben, die groben Späße waren nicht jedermanns Sache, seine Schwägerin tadelte ihn darob oft. Aber was tun die Gelehrten? Sie schreiben weiter einer vom anderen ab, dass mein Meister zurückgezogen und verbittert in Preßburg gelebt hätte. Dass ich nicht lache! Und dann noch die seitenlangen Papers darüber, ob meine nach hinten gekämmten Strähnen nun Haare oder eine Perücke darstellten. Es geht doch nicht darum, sondern warum es so und nicht anders ist. Sag das Sarena! Nicht auswendig lernen und kopieren, selbst denken und vor allem fühlen.

- We need to know the why behind everything.

Genau, Carl. Nach dem Warum muss Sarena forschen. Mit Köpfchen und Intuition! Das eine ohne das andere ist nichts. Das soll sie ihrem Daddy ruhig glauben.

Ich weiß, Carl, es ist nicht nur Sarena. Deine drei Frauen. Ein Sack Flöhe ist leichter zu bändigen. Ach, sei doch froh, dass es sie gibt, die Flöhe, pardon, die Frauen meine ich. Mein Meister hatte weder eine Prescence noch Töchter, über die er sich freuen oder alterieren konnte. Das war sein größtes Manko. Der Mensch braucht Zuspruch. Den hätte mein Meister durchaus gehabt, doch gegen Ende lebte er allein, nicht zurückgezogen, aber allein, wenn du verstehst, was ich meine. Als ich zu ihm kam, war das anders. Aber diese Geschichte kennst du ja. Was, du hast sie Sarena erzählt, und sie wusste nicht, wo Landok liegt? Na bitte, du bist ein gescheiter Daddy, zu dem sie nach wie vor aufblickt. Von mir kannst du Dinge lernen, die in keinem Lehrbuch stehen. Heute nicht? Verstehe.

Dann auf morgen!

- Bye, bye sweetie.

Der Verdrüssliche

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