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VII.

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Auf dem Weg zum Flughafen ist Gitta immer noch aufgewühlt. Sie ist unfair gewesen, hat die Lehrerin in dem Glauben gelassen, dass die Drohgestalt ein Mann wäre, womöglich gar Paul, aber sie weiß, dass es auch jemand anderer sein könnte. Ihr Bernhard! Hat er nicht bloß in der Nacht Angst? Sie umklammert das Lenkrad. Aufpassen. Überholen lassen. Es ist noch Zeit.

Am Flughafen steuert sie langsam aufs zweite Parkhaus zu, fährt nahe genug an die Ticketsäule heran, um die Karte ohne Streckübungen aus dem Schlitz ziehen zu können. Alles bestens. Das Licht bei der Einfahrt ist grün, der Schranken geht hoch, aber sie findet keinen Parkplatz. Gitta kurvt von einem Stockwerk zum nächsten, schaut dazwischen auf die Uhr und trommelt aufs Armaturenbrett, als endlich einer rausfährt. Nach zweimaligem Reversieren steht sie halbwegs gerade in der Lücke. Fünf nach zwölf! Sie hastet zum Lift, sucht nervös die Taste für die Ankunftsebene. Dann die langen Gänge. Sie nehmen kein Ende. Früher, mit dem alten Terminal, war das viel einfacher. Paul wird doch nicht schon draußen sein und sie mit vorwurfsvoller Miene begrüßen. 11.50 Uhr. Merk’s dir! Endlich die Ankunftshalle. Gitta zittert am ganzen Körper. So darf Paul sie nicht sehen. Mit überkreuzten Armen drückt sie gegen ihre Brust und blickt sich um. Kein Paul in Sicht, und sie ist bloß eine von vielen, nicht gestresster als der junge Mann vorm Café, der sein Smartphone bearbeitet und nasse Schweißflecken unter den Achseln hat, oder die Frau direkt an der Absperrung, die ständig hochspringt. Gittas Atmung wird ruhiger, das Zittern hört auf. Über die Köpfe der Wartenden hinweg späht sie auf die Anzeigetafel. Der Flug aus Zürich ist pünktlich gelandet. Da Paul immer nur Handgepäck hat, müsste er jeden Augenblick herauskommen, aber sie ist nun hier, erwartet ihn. Alles normal. Eine Frau, die ihren Mann abholt. Pünktlich. Wieder öffnet sich die automatische Tür, entlässt eine Schar Japaner, die offensichtlich einer Reisegruppe angehören. Dahinter entdeckt sie Paul. Er überragt die meisten Leute um Haupteslänge, nicht bloß Asiaten. Ein großer Mann, aber nicht stattlich. Gitta lächelt. Paul ist die Bohnenstange geblieben, als die sie ihn kennenlernte. Damals hielt sie ihn für attraktiv, heute nur noch für lang und dürr.

Federnden Schrittes kommt Paul auf sie zu. Vor Gitta taucht ein kahl in den Himmel ragender Zweig auf, an dem noch eine verdorrte Frucht baumelt. Schon wieder so ein Bild! Es ist aber keine Halluzination, nein, eine Vorstellung. Das ist schon okay.

- Hallo, Schatz!

Gitta antwortet nicht, gibt Paul bloß einen flüchtigen Kuss auf die Wange.

- Was hast du denn mit deinen Augen angestellt? Du siehst ja aus wie ein Kaninchen.

- Wahrscheinlich eine Allergie.

- Die kommt von deinen Farben.

- Nein!

- Warst schon beim Arzt?

- Nein.

Schweigend gehen sie zum Kassenautomaten und weiter zu Gittas kleinem Fiat. Paul legt die Reisetasche auf den Rücksitz und klopft ostentativ seinen Anzug ab. Ach ja, die Waschanlage! Sie ist noch immer nicht dort gewesen. Gitta will kein schlechtes Gewissen haben, schon gar nicht wegen eines dreckigen Autos. Nur jetzt keine miese Stimmung aufkommen lassen.

Während Gitta aus dem Flughafengelände hinausfährt, steigt erneut ein Bild vor ihr auf. Streng steht Paul in der Tür des Kinderzimmers, die Arme verschränkt, und beobachtet den trotzig verheulten Bernhard, wie er sein Zimmer aufräumt. Gitta sieht ein, dass Bernhard Ordnung halten soll, aber doch nicht derart pedantisch. Sie ist zufrieden, wenn Bernhard abends die Sachen so verstaut, dass sie nicht darüber stolpert. Außerdem fühlt sie deutlich, dass sie nicht das Recht hat, von Bernhard übergroße Sorgfalt zu verlangen, wenn ihr eigenes Atelier pittoresk, aber sicher nicht aufgeräumt aussieht. Andere Bilder kommen hoch. Paul, der Seiten aus Bernhards Hausübungsheft reißt, weil der Bub schlampig geschrieben hat. Nur ist das danach Geschriebene um nichts besser. Sie liest, wenn darum gebeten, die Aufgaben durch, macht Bernhard auf Fehler aufmerksam, die er dann auskillert und korrigiert. Natürlich sieht so eine Seite nicht schön aus, aber sie deshalb nochmals schreiben … Paul, der im Wohnzimmer auf und ab geht, Gitta anherrscht, wie sie das zulassen könne, nichts dagegen unternehme, Bernhards Schludrigkeit geradezu fördere. So viel Disziplin wirst du doch noch aufbringen können. Für deinen Sohn! Immer mehr Bilder fallen über Gitta her, Bilder vom rigiden Paul, der darauf besteht, dass Bernhard eine vorgegebene Struktur einhält. Er soll ihm nicht auch noch entgleiten, so wie Gitta. Die Drohgestalt auf Bernhards Zeichnungen, das könnte schon Paul sein.

- Pass doch auf!

Automatisch steigt Gitta aufs Bremspedal. Gerade rechtzeitig. Sie hat einen ausscherenden Lastwagen übersehen. Besser jetzt kein Gespräch. Sie ist zu angespannt, Paul eindeutig auch.

Der Verdrüssliche

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