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Das »Stiefkind«

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PaulaKellner, Paula war noch kein halbes Jahr alt, als ihr VaterKellner, Leon seinen ersten England-Besuch machte, der mehrere Monate dauern sollte. Er wollte dort forschen und Land und Leute kennenlernen, vielleicht, um für immer zu bleiben, weil er glaubte, in England sei »Antisemitismus« ein Fremdwort, während man in Wien Petitionen des »Österreichischen Reformvereins« abdruckte, in denen man forderte, alle nicht aus Wien stammenden Juden auszuweisen und jede weitere Einwanderung zu verhindern, »damit unser schönes Vaterland nicht zum Ablagerungsplatze jener staats- und gesellschaftsgefährdenden Elemente werde, deren sich andere Staaten […] zu entledigen trachten.«[36]

Anna KellnerKellner, Anna (geb. Weiß) blieb in Wien bei dem Baby, aber nur für kurze Zeit. Nach ein paar Monaten hielt sie es nicht mehr aus, engagierte eine Amme und fuhr zu ihrem Mann. Sie blieb zehn Wochen, die ihr wie ein Honeymoon vorkamen. Nur widerwillig kehrte sie zurück zu ihrem Kind.

Erst Monate später war KellnerKellner, Leon wieder in Wien, wo er sofort die Lehramtsprüfung für Deutsch, Englisch und Französisch ablegte. Er erhielt eine Stellung an einer k.u.k. Staatsoberrealschule, schrieb Feuilletons über literarische und anglistische Themen und bereitete sich nebenbei auf seine Habilitation vor, sodass er zu Hause eigentlich nur noch physisch präsent war. Die Beziehung zwischen MutterKellner, Anna (geb. Weiß) und Tochter wurde derweil immer schlechter. In ihren Memoiren wird PaulaKellner, Paula später schreiben:

Ein kleines Mädchen liegt im Bett – und weint. Sie erstickt wohl das Schluchzen im Kissen, so gut sie kann, aber ihr Vater hört sie. Sie liegt auf dem Sofa im Studierzimmer des Vaters, weil das Kinderzimmer von Gästen besetzt ist. Der Vater kommt zu ihr und setzt sich neben sie.

»Was hast du, Kind?«

»Mama – Mama!«

»Hör mich an, mein Kind. Deine Mutter hat das beste Herz der Welt. Es gibt nichts, das sie nicht für dich täte. Aber sie ist jähzornig – verdammt jähzornig … Diese Ausbrüche machen ihr mehr zu schaffen als uns. – Bist du alt genug, um das zu verstehen? Um ihr nicht übelzunehmen was sie schwer hindern kann? Ja?«

Das runde Gesicht wendet sich ihm zu. Runde blaue Augen starren ihn an. Schließlich lächelt sie unter Tränen und nickt, nicht ganz überzeugt. Der Vater gibt ihr zum zweiten Mal den Gutenacht-Kuss und setzt sich an den Schreibtisch. Sie hört noch seinen schweren Seufzer, ehe sie einschläft.[37]

Manchmal redete sie sich ein, gar nicht AnnasKellner, Anna (geb. Weiß) leibliche Tochter zu sein, sondern nur ihr »Stiefkind«, was man ihr aber verschwiegen habe. Dieser Gedanke machte alles etwas tröstlicher. Es war ja kein Wunder, dass die Mutter sie nicht liebte. Sie gehörte ja gar nicht hierher. Sie war nur zu Gast.

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