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2. Die erste Urnenbestattung (1943) und Verehrung

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Im Rahmen des Seligsprechungsprozesses gab Sr. Gilberta Lainer in ihrer Zeuginneneinvernahme am 21. März 1991 zu Protokoll, dass sich Frau Anni Fleischer, Seelsorgehelferin von Pfarrer Albrecht Jochmann in Brandenburg und Krankenschwester in Brandenburg, „häufig um die Erdbestattung von hingerichteten Priestern bemühte“. Sr. Gilberta berichtet, dass

sie als Krankenschwester die Tochter des damaligen Friedhofsverwalters Göde lange gepflegt habe. Sie litt an einer schweren Osteomyelitis [Knochenmarksvereiterung, Anm. EV]. Durch diese Verbindung mit dem Friedhofsverwalter war es möglich, daß ich jeweils Nachricht bekam, wenn Priester hingerichtet und eingeäschert wurden. Ich fragte auch, ob er garantieren könne, daß es sich jeweils wirklich um die Asche des betreffenden Hingerichteten handele. Er versicherte das. Auf diese Weise habe ich auch erfahren von der Begräbnisstätte der Urne des Franz Jägerstätter. Ich ging sehr oft in der Mittagszeit – weil man da am wenigsten entdeckt wurde – auf den Urnenfriedhof zur Gräberpflege. Der Friedhofsverwalter ließ mich durch die Hintertür in den Friedhof. Ich habe auch einmal nachgegraben bei der Urne von Pater Franz Reinisch57, weil ich wissen wollte, ob seine Urne dort bestattet sei. Sie war tatsächlich an diesem Ort.

Wir haben die dort bestatteten Priester und Franz Jägerstätter als Märtyrer betrachtet und vertrauten auf ihren Schutz. Wir empfanden sie als Schutz für das ganze Krankenhaus. Wir haben am Ende des Krieges nicht wenige Wunder erlebt, z. B. bei der Belagerung Brandenburgs lag unser Spital direkt im Zielgebiet der sogenannten Stalinorgel. Das Krankenhaus wurde von 26 Volltreffern der Stalinorgel beschädigt. Schwester Kallista [Vorhauer, Anm. AS] und Schwester Otwina befanden sich einmal im Refektorium, weil sie dort schlafen wollten. Ich sagte ihnen noch, sie sollten sich mit einer Matratze gegen Granatsplitter schützen. Unmittelbar darauf explodierte eine Granate im Refektorium, die den Fensterstock und die Heizung in den Raum gerissen hatte. Das ganze Refektorium war voller Splitter, die beiden Schwestern waren unverletzt. Franz Jägerstätter ist mir in irgendeiner Weise immer nachgegangen. Ich und auch die anderen Schwestern haben in schwierigen Situationen einfach zu ihm unsere Zuflucht genommen.58

Erna Putz merkt an, dass Franziska Jägerstätter bereits in ihrem ersten Schreiben an Pfarrer Jochmann „angefragt haben dürfte, ob sie die Urne ihres Mannes erhalten könne“, wovon ihr Jochmann abgeraten habe. Dennoch hatte er ihr einen Textentwurf für ihren Rechtsanwalt übermittelt, den sie im Falle der Einforderung der Urne beauftragen sollte.59 Pfarrer Jochmann blieb der Witwe Jägerstätter verbunden, dies ist übrigens eine nicht zu vernachlässigende Feststellung auch für Pfarrer Kreutzberg.60 Am 25. Oktober 1944 schreibt Jochmann eine Postkarte an die Witwe Franziska:

Liebe Frau Jägerstätter! Für einige Tage bin ich gezwungen, im Zimmer zu bleiben. Da gehen meine Gedanken auch zu Ihnen u. Ihren Kindern. Sind Sie auch noch in große wirtschaftliche Not geraten? Sonst schreiben Sie es mir offen, augenblicklich könnte ich Ihnen leicht auch mit einer Geldbeihilfe beispringen. Oder wenn ich sonst irgendwie helfen könnte, schreiben Sie mir bitte. Hoffentlich hatten Sie alle Gefahren des Krieges bisher gut überstanden! Auch für die Zukunft wünsche ich Ihnen sowie Ihrer ganzen Familie von ganzem Herzen Gottes Schutz und Segen. Ihr wohlmeinender A. Jochmann, Pfr.61

Das Anliegen zur Überstellung der Urne dürfte Franziska zunächst nicht weiterverfolgt haben, bis sie von Schwester Kallista Vorhauer den folgenden Brief erhielt, mit welchem diese die Überbringung der Urne anbot:

Brandenburg, 30. XI. 45

Sehr geehrte Frau Jägerstätter!62

Sie werden ja sehr erstaunt sein, wenn Sie aus Brandenburg, aus der Stadt, an die sich für Sie so furchtbar traurige Erinnerungen knüpfen, einen Brief bekommen. Es wird Ihnen wohl nicht bekannt sein, daß hier in Brandenburg eine Niederlassung der Schulschwestern aus dem Mutterhaus in Vöcklabruck, Ober-Österr. ist, der auch ich angehöre. Wir verwalten hier ein Krankenhaus des kath. Caritasverbandes in Berlin.63

In all den harten Jahren, die nun hinter uns liegen, haben wir Schwestern den politischen Gefangenen in der Landesanstalt Görden64, Interesse und warme Anteilnahme entgegengebracht, umsomehr, wenn es sich um Opfer unserer eigenen Heimat handelte. So darf es Sie nicht wundern, daß wir auch von dem harten Schicksal Ihres, nun sicher im Herrn ruhenden Mannes Kenntnis hatten.

Erst vorige Woche hat uns unser hochw. Herr Erzpriester, Albert Jochmann wieder von der ganz vorbildlichen Haltung und heldenhaften Sterbens dieses wahrhaft heiligmäßigen Mannes erzählt. Er sagte wörtlich: „Dies ist der größte Heilige, der mir in meinem Priesterleben begegnet!“ Wahrlich ein großes Wort aus dem Munde eines eifrigen, guten Priesters. Er hat Ihnen wohl auch seinerseits geschrieben.

So groß Ihr Leid, liebe Frau Jägerstätter um den teuren Heimgegangenen auch sein mag, die Freude, daß ein so großer, edler, ja heiliger Mann Ihr Eigen war und der Vater Ihrer Kinder ist, muß allen Schmerz übertreffen. Auch wir Schwestern sind stolz und glücklich über unseren heiligmäßigen Landsmann und gratulieren Ihnen zu Ihrem Mann, der die Kraft und den Mut hatte, für Gott, seine Überzeugung und die religiöse Erziehung seiner Kinder, sein Leben hinzugeben.

Durch die hiesige Friedhofsverwaltung haben wir Kenntnis von seiner Beisetzungsstätte. Nun haben bereits manche Angehörige der Opfer, besonders auch von Priestern, sich die Urnen aushändigen lassen. Wenn Sie einverstanden sind, wollen wir Ihnen, wenn wieder Schwestern nach Vöcklabruck fahren können, gerne die leiblichen Überreste in der Urne mitbringen. Sie müssen uns dann nur die Bestätigung von der dortigen Friedhofsverwaltung, das ist wohl vom H. H. Pfarrer, daß er dort beigesetzt wird, einschicken.65 Nur dann wird die Urne ausgehändigt. Da die Post von Österreich nach Deutschland noch nicht direkt geht, so müssen Sie wohl auf eine gelegentliche Rückkehr eines Deutschen ins Reich warten. Eventuell könnten Sie auch einen Brief mit meiner Adresse ins Mutterhaus Vöcklabruck, Salzburgerstr. 10 schicken, der uns dann auch von dort gelegentlich übermittelt wird.

Bis dahin wird das Grab von unserer Ex-Oberin, S. Georgia fleißig besucht und gepflegt. Sie hat es sich zur besonderen Aufgabe gemacht, sich um die Gräber dieser heimatlosen Opfer in besonderer Weise anzunehmen. So hoffen wir, daß auch wir an Ihrem seligen Mann einen Fürsprecher dort oben haben. Zur Zeit der Wahlen in Österreich haben wir auch vertrauensvoll seine Fürsprache für unser Volk angerufen. Sicher nicht vergebens.

Wenn Sie in Österr. einen Brief nach hier aufgeben, dann wird es besser sein, wenn Sie einen Absender von heraußen angeben. Dann werden die Briefe nicht geöffnet. Aus diesem Grunde gebe auch ich die Adr. der Frau an, die ihn nach Österreich mitnimmt.

In der Hoffnung, daß wir auch noch einmal Gelegenheit finden, uns persönlich über das Leben und selige Sterben des teuren Heimgegangenen unterhalten können, grüßen wir Sie alle recht herzlich!

S. M. Kallista Vorhauer

Grüßen Sie uns auch die Kinder des Märtyrers, der die Bewahrung ihres Glaubens so teuer erkauft hat. Sie werden sich dessen wohl immer bewußt bleiben.

Nachtr. Sollten Sie eine übrige Fotogr. von Ihrem Manne haben, so könnten Sie der guten S. Georgia Holzinger, die ihn so sehr verehrt, eine große Freude machen. Leider haben wir ihn nicht persönlich kennen gelernt.

Grüßen Sie uns unbekannter Weise auch Ihren Herrn Pfarrer, der sicher auch innigen Anteil an Ihrem harten Schicksal genommen hat.66

Inzwischen erhielt Franziska Jägerstätter Post von Pfarrer Heinrich Kreutzberg, datiert 18. Februar 1946, der ihr auch seinerseits vom Tod ihres Gatten Mitteilung gemacht hatte und kurz über seine Begegnung im Gefängnis berichtet. Er erinnert an das Gespräch, in welchem er die Beweggründe Jägerstätters erkundete, er schildert seine Gefasstheit und Freude, die er empfand, nachdem er vom Beispiel des Priesters Franz Reinisch – ebenfalls Wehrdienstverweigerer aus religiösen Gründen – hörte, den Kreutzberg ein Jahr zuvor zum Schafott begleitet hatte:

Ich gebe diesen Brief mit einem Priester, der nach Innsbruck reist. Er besucht dort eine Familie, deren geistlichen Sohn ich auf den Tod vorbereiten durfte. Er wurde fast genau ein Jahr vor Ihrem Mann zum Tode verurteilt und an der gleichen Stelle enthauptet.

Sie wissen, dass ich damals bei der ersten Besprechung mit Ihrem Mann 2 ½ St. das Für und Wider seines Entschlusses durchsprach. Als ich ihn nach acht Tagen wieder besuchte, fand ich ihn bei seinem gleichen festen und unabänderlichen Entschluss in den Tod zu gehen. Ich erzählte ihm dann vom Tode seines österreichischen Landmannes Franz Reinisch. Sie können sich gar nicht denken, wie er da aufatmete und hoch erfreut war und mir sagte: „Das habe ich mir immer gesagt, ich kann doch nicht auf einem falschen Wege sein, wenn aber sogar ein Priester sich so entschieden hat und dafür in den Tod gegangen ist, dann darf ich es auch tun.“ Als er am 9.8.1943 starb, da war es mir klar, dass der Tod des Priesters Franz Reinisch ein Abbild gefunden habe in einem schlichten Manne aus dem Volke und dass Gottes Kraft und Gnade sich den Kleinen nicht weniger offenbart, wenn sie Gottes Wege gehen und sein Wort ernst und heilig nehmen. Seien Sie überzeugt, so wie Ihr Mann gestorben ist, sind nicht Viele gewesen in Deutschland. Er starb als ein Held, als ein Bekenner, Märtyrer und Heiliger! Damals sagte ich Ihrem Manne noch: „Dieser Priester hiess Franz wie Sie! Und er stammt aus Österreich wie Sie! Und wenn Sie nun wirklich in den Tod gehen wollen, dann gehen Sie so tapfer und gross wie er hinüber in die Ewigkeit!“

Ich habe kaum einen glücklicheren Menschen gesehen im Gefängnis als Ihren Mann nach den wenigen Worten über Franz Reinisch. Das alles konnte ich Ihnen früher nicht mitteilen, aber jetzt dürfen wir offen reden, nachdem das verbrecherische System hinweggefegt ist. Die einstigen Führer haben sich vor der Welt gerichtet durch Flucht und Selbstmord, und dem Gerichte Gottes werden sie nicht entgehen können.

Ich würde glücklich sein, auch von Ihnen ein Lebenszeichen zu erhalten und die Gewissheit, dass sie noch alle da sind.

„Franz II.“, so nenne ich Ihren Mann gerne, wenn ich im kleinen Kreise von ihm spreche. Er wird seine schützende Hand über uns halten, wie er es versprochen hat.

Wenn Sie eine Photographie von ihm haben oder ein Bild vervielfältigen könnten, würde ich mich sehr freuen, ein solches Bild später mal von ihm zu besitzen. Es hat aber keine Eile damit. Für heute verbleibe ich mit herzlichem Gruss

Ihr Heinrich Kreutzberg, Pfr.67

Vom Schafott zum Altar

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