Читать книгу Die Ex-Prinzessin - Fiona West - Страница 11

KAPITEL ACHT

Оглавление

ABBIE GLITT VON STARGAZER herunter und ging um ihn herum, um ihm in die Augen zu blicken. Das war überraschend schwer bei einem Pferd, da seine Augen auf jeweils einer Seite seines Kopfes waren. Sie legte sich auf ein Auge fest.

»Hast du gerade gesagt: ›Das ist eine Schande‹?«, fragte sie.

»Ja, ich vermute das habe ich«, erwiderte er.

»Wann hast du gelernt wie man spricht? Und wichtiger, wie hast du gelernt wie man spricht?«

Er ließ seinen langen, schwarzen Schweif herumschnellen. »Ich glaube das war, als wir durch diesen elektrisierten Vorhang gegangen sind. Ich hatte bereits all die Wörter in meinem Kopf, bevor ich herausgefunden habe, dass ich sie benutzen konnte. Ziemlich unüblich.«

»Muss dir da zustimmen«, sagte Abbie kopfschüttelnd. Sprechende Pferde. Natürlich würde es sprechende Pferde geben. »Vorhang … du musst den Schleier meinen.«

»Wenn du das sagst, Knödel.«

Abbie hob eine Augenbraue. »Ich würde es vorziehen, wenn du mich Abbie nennst.«

»Oh? Mein vorheriger Besitzer hat mich immer Knödel genannt. Ich habe angenommen, dass es ein allgemeines Wort für Bekanntschaften in höflicher Konversation wäre. Ich bitte um Entschuldigung, Abbie.«

»Eigentlich ist es eine Art von Essen und ein Kosename.«

»Ich verstehe. Leckeres Essen?«

»Ja, aber eine Stunde später wirst du wieder Hunger haben.«

Abbie ging zum Rand des Kamms in der Richtung, aus der sie gekommen waren, während Stargazer seine neuen Informationen zu bedenken schien. Eventuell könnte sie Anzeichen von Rubald und Rutha entdecken. Den Schleier aus diesem Winkel zu sehen ließ das Tal aussehen, als ob es in einem wässrigen Würfel eingeschlossen war, der sich zum oberen Rand der Troposphäre ausdehnte. Seine Barrieren waren schärfer, als sie es sich vorgestellt hatte. Seine Vollkommenheit schien durch die Vögel, die durch ihn hindurchflogen, unbeeinflusst zu sein. Ein marmorierter Schimmer bewegte sich über seine Oberfläche, welcher weniger durchscheinend als der Rest davon war.

»Abbie?«, sagte Stargazer hinter ihr. »Ich bin durstig.«

Sie seufzte. »Jaah, ich auch.« Sie starrte den Hügel herunter, schaute nach einem Anzeichen von Bewegung. Sie horchten beide. »Ich kann nichts hören. Das Protokoll besagt, dass man an einem Ort bleibt, wenn man sich verirrt hat … aber ich habe keine Zeit fürs Protokoll. Gleichwohl werde ich es niemals ohne die Jerrinsons rechtzeitig nach Fairisle schaffen, um das Schiff anzutreffen. Ich habe offensichtlich keine Ahnung was hier vor sich geht … angesichts dessen, dass ich mit meinem Pferd rede.«

Stargazer nickte mit seinem riesigen Kopf, warf dabei seine Mähne herum. »Es ist ein verfängliches Rätsel.«

»Richtig.« Abbie stakste herüber zu Stargazer und schwang sich in den Sattel hoch. »Lass uns zurückgehen und sehen, was passiert. Aus welcher Richtung sind wir gekommen?«

»Ich bin nicht sicher …« Stargazer schwang seinen Kopf von einer Seite zur anderen. »Aus dieser Richtung vielleicht?«

»Dann dieser Weg.« Stargazer bewegte sich nicht und Abbie schaute zu ihm herunter. Sie räusperte sich. »Entschuldige, ich fühle mich jetzt unwohl dabei dir einen Stoß zu geben … kann ich dich einfach darum bitten loszugehen?«

»Oh, das. Das spüre ich kaum. Du bist im Vergleich zu mir ziemlich schwach, weißt du. Ich fasse es als ein Klopfen auf die Schulter auf.«

Abbie lächelte, schnalzte dann mit ihrer Zunge, um ihn vorwärtszutreiben. Sie folgten dem Kamm für eine halbe Meile, bevor sie einen Pfad fanden, nicht wissend, ob es derjenige war, den Rutha und Rubald benutzen würden. Während sie ihm hinabfolgten, konnten sie fließendes Wasser hören. Sie ließ Stargazer seinen Willen und er führte sie an seinen Ursprung, einem tröpfelnden Bach, umgeben von struppigem Gras und niederen Büschen. Als sie sich umblickte, erkannte sie, dass dies wahrscheinlich nicht der beste Ort wäre, um sich aufzuhalten, für den Fall, dass Rubald den Bär tatsächlich nicht getötet hatte. Es war alles so friedlich, es war schwer zu glauben, dass sie gerade beinahe von einem wilden Tier attackiert worden waren. Abbie stieg ab, um auch etwas zu trinken, und bemerkte einen schmalen, gut genutzten Pfad, welcher die Anhöhe hoch ging, wo nahe der Spitze eine Hütte lag.

»Bleib hier«, sagte sie zu Stargazer, »ich werde sehen, ob sie in diese Richtung gegangen sind. Wenn einer von ihnen verletzt ist, haben sie vielleicht dort nach Hilfe gesucht.«

Er legte seine Ohren flach gegen seinen Kopf. »Eigentlich komme ich mit«, sagte Stargazer, »es ist gruselig hier alleine.«

»Wie du willst, aber es ist ziemlich eng.«

»Ich bin Schlimmeres hoch. Habe ich dir jemals von der Wanderung erzählt, die ich mit Susan durch das Bluebrook Gebirge gemacht habe?«

»Nein«, sagte Abbie, begann den Hügel hochzugehen. Sie beschloss die Tatsache, dass er bis vor ein paar Stunden noch nicht sprechen konnte, nicht anzusprechen.

»Oh, nun, es war eine ziemliche Erfahrung, lass dir sagen–«

»Ich würde gerne davon hören … später.«

»Oh. Nicht jetzt?«

Abbie versuchte ein Grinsen zu verstecken. »Nein, nicht jetzt, Star. Genau genommen, lass uns weitergehen und deine Fähigkeit zu sprechen für den Moment verstecken.«

»Oh, ich verstehe.«

Abbie blickte ihn über ihre Schulter an und er lächelte, zeigte dabei alle seiner großen gelben Zähne. Sie lachte, nicht in der Lage es nicht zu tun.

»Wer ist da?«

Abbie drehte sich bei der Kinderstimme um. Ein dünnes Mädchen, das ein zu kleines T-Shirt und abgeschnittene Jeansshorts trug, spähte hinter einer Gelb-Kiefer hervor. Zwei dünne rote Flechtzöpfe, die schlaff an den Seiten ihres Kopfes hingen, umrahmten ihr sommersprossiges Gesicht.

»Ich bin Abbie. Ich suche nach ein paar—nach meinen Eltern.« Verdammt, sie hatte ihren wirklichen Namen genannt. Das war dumm, dachte sie, während sie das Kind anlächelte.

Das Mädchen trat hinter dem Baum hervor. »Hab niemandes Eltern gesehen. Mit wem redest du?«

»Nur mit mir. Redest du nie mit dir selbst?«

Das Mädchen zeigte ein kleines Lächeln, aber schüttelte ihren Kopf. »Du kannst gerne kommen und auf die Veranda sitzen und dich ein wenig ausruhen. Du kannst meine Schwester kennenlernen.«

»Sicher. Ich danke dir.« Es ist mitten in der Woche, dachte Abbie. Warum ist sie nicht in der Schule?

Das Mädchen drehte sich um und huschte den rutschigen, mit Kiefernadeln bedeckten Berghang hinauf. Die Sonne begann sich seitwärts durch die Bäume zu neigen, erleuchtete den Staub, der sich hinter ihr erhob wie Dampf von einem See im Morgengrauen. Das Haus war aus Holz mit einem Wellblechdach; die Konstruktion war stark nach links geneigt, und sie konnte nicht anders, als sich zu fragen, wie um alles in der Welt sie die Vordertüre öffnen konnten, wenn sie nicht in einem rechten Winkel war. Als das zweite Mädchen aus dem ebenerdigen Fenster auf die Veranda kletterte, war ihre Frage beantwortet.

»Hallo, ich bin Abbie«, sagte sie. Die zwei Mädchen setzten sich jeder auf ein Ende der Schaukel, lasen Steine aus den Bohnen und warfen heimliche Blicke auf sie, also setzte sie sich zwischen sie. »Gehört dieser Ort euren Eltern?«

Die Mädchen schüttelten ihren Kopf. »Eltern vor einer Weile gestorben. Wir wohnen jetzt bei Tantchen Marie.«

»Arbeiten für sie, meinst du«, murmelte das zweite Mädchen.

»Ruhe, Fadline. Wegen dir werden wir noch hinausgeworfen.« Die Rothaarige drehte sich Abbie zu. »Tantchen ist gerade nicht da; sie wird bald zurück sein. Ich bin Theresas.« Abbie bot eine Hand und das Mädchen gab ihr einen festen, staubigen Handschlag. Als Abbie ihre Hand zurückzog, packte das Mädchen fester zu, starrte genauer in ihr Gesicht. »Du bist ein … Funkler?«

»Was ist das?«, fragte Abbie, während sie behutsam versuchte ihre Hand aus Theresas’ unnachgiebigem Griff zurückzuziehen.

»Sapperlot, du hast Recht, Schwester«, sagte Fadline, während sie näher zu Abbie kam. Es misslang ihr dem Finger, den Fadline in ihren Wangenknochen stieß, auszuweichen. »Schau, es ist sogar in ihren Haaren!« Beide Mädchen begannen ihre Finger durch Abbies Pferdeschwanz zu kämmen, die Bohnen vergessen.

»Entschuldigt, aber könnt ihr mir sagen, worüber ihr redet? Bitte? Und mir ein bisschen persönlichen Freiraum geben?« Beide Mädchen hörten auf sie zu hätscheln, aber es war eindeutig, dass sie deswegen außer sich waren.

»Wir haben gehört, dass Menschen in der Box die Sterne in ihrer Haut haben … Ich wusste, dass es wahr ist!«

Abbie schüttelte ihren Kopf. »Meine Haut ist die Gleiche wie eure.«

Theresas riss ihren Arm herüber, schob ihren langen Ärmel hoch und hielt ihn zum Vergleich neben ihren eigenen Arm und Abbie keuchte. Ihre Haut schillerte, leuchtete mit einem Schimmer, wie der, der sich über die Oberfläche des Schleiers bewegte. Sie rieb an ihrer Haut, aber der Schimmer leuchtete nur heller.

Abbie versuchte die Panik aus ihrer Stimme zu halten. »Entschuldigt mich, Mädels, ich muss das abwaschen.«

Die Mädchen lachten. »Es geht nicht weg, Dummerchen, es ist ein Teil von dir. Du kannst es in der Box nur nicht sehen.«

Abbie blickte zu Stargazer, der am Rand des Hofs Gras mampfte. Er wippte mit dem Kopf in ihre Richtung, aber sie konnte nicht sagen, ob er damit irgendetwas meinte. Ihr Verstand drehte sich.

»Es tut mir leid, Mädels. Ich sollte weiter nach meinen … meinen Eltern suchen.«

»Tantchen Marie war unterwegs; vielleicht hat sie sie gesehen. Möchtest du, dass wir sie anrufen?«

Abbie erinnerte sich plötzlich daran, ausnahmsweise einmal, dass sie auch ein Handy hatte. Sie beeilte sich zu ihrer Tasche zu kommen, zog es heraus und schaltete es an. Dreißig verpasste Anrufe. Junge, dieser Edward war allerdings hartnäckig—auf keinen Fall würde sie ihn miteinbeziehen, außer sie wäre verzweifelt. Rubald hatte sein Wort gehalten: er hatte ihre Nummer nicht. Die Integrität zahlte sich bis jetzt nicht aus.

Ohne Warnung ging die Sonne aus.

»Oh, sapperlot«, murmelte Theresas in die Schwärze.

»Na ja, das war’s dann. Wir können heute Abend nichts mehr tun.« Abbie fühlte, wie sich die Schaukel nach hinten kippte, als sie sich hinüber lehnten, um ihre Körbe zum Bohnen sortieren mit genauso schweren Seufzern fallen ließen.

Abbie schüttelte mit donnerndem Herzen ihren Kopf. »Was passiert hier?«

»Oh, die Sonne ist ausgegangen. Wir sind fertig mit arbeiten«, sagte Fadline, als ob es völlig normal war das zu sagen.

»Aber ich muss heute Abend meine Eltern finden!«

Theresas und Fadline kicherten, ihre Gesichter plötzlich im Licht ihrer Handybildschirme erleuchtet. Abbie überkreuzte ihre Arme und versuchte nicht hörbar zu schnauben.

»Wann kommt denn … die Sonne wieder?«

Fadline lächelte und nickte. »Wie viele Sterne sind am Himmel?«

Theresas stieß sie mit dem Ellbogen an und sagte: »Oh, ich hab’ einen—wann werden die Berge in das Meer sinken?«

Fadline klatschte in die Hände. »Oh! Wir wär’s damit: Wie oft muss man lecken, um in die Mitte von einem—«

»Was tut ihr?«, fragte Abbie, nicht in der Lage die Verbitterung aus ihrem Tonfall zu halten.

Theresas blickte nicht von ihrem Handy auf. »Wir tun, was du tust. Das Unbeantwortbare-Fragen-Spiel spielen.«

Abbies Gesicht wurde rot und sie war vorübergehend dankbar für die Dunkelheit. »Meine Frage war ernsthaft. Ich habe es ernst gemeint.«

Theresas und Fadline kicherten wieder, wurden dann sachlich. Theresas räusperte sich. »Entschuldige, Schwester. Meine Mama hat immer gesagt, dass der König Bogenschützen hat, die ständig brennende Pfeile auf die Sonne feuern, in der Hoffnung sie sehr schnell wieder anzustecken.«

»Das ist nicht wahr«, sagte Abbie. »Das ist unmöglich.«

»Ich habe gehört«, schob Fadline ein, unbeeindruckt von Abbies fassungsloser Skepsis, »dass sie Sonne selbst uns vor Sternschnuppen beschützt, die uns sonst alle umbringen würden, und das ist, was die Sonne wieder anzündet. Ist es dann das?«

»Natürlich nicht!«, schrie Abbie, verlor ihre Beherrschung, und die Mädchen zuckten zusammen, schauten auf den Boden und krümmten ihre Schultern in beinahe perfektem Einklang. Es gab etwas Beunruhigendes an diesen Schwestern, etwas … etwas Argwöhnisches, ungeachtet ihres Kicherns und ihren kindlichen Spitzen Abbies Unwissenheit gegenüber. »Es tut mir leid, Mädels, ich wollte euch keine Angst machen. Aber die Sonne ist nie so ausgegangen, als ich—«

»In der Box gelebt hast?«, fragte Theresas sacht. »Ja, ich weiß. Aber Schwester … du bist jetzt unter dem freien Himmel.«

»Ist es nicht dieselbe Sonne?« Schulter an Schulter fühlte sie, wie sie mit den Schultern zuckten. Es kam ihr in den Sinn, dass es einen eindeutigen Grund für ihre alarmierende Unwissenheit geben könnte. »Solltet ihr nicht in der Schule sein? Es ist Freitag, oder?«

»Tantchen und Onkel sagen, dass wir unsere Arbeit nicht schnell genug machen.«

Fadline fügte leise hinzu: »Tantchen sagt vielleicht nächstes Jahr, wenn wir artig sind.«

Abbie glitt herunter, ließ ihren erschöpften Kopf an der Rückseite der Schaukel ruhen, starrte dabei hoch auf die Sterne, welche plötzlich ebenfalls erschienen waren. Die Erkenntnis überkam sie, dass es alle möglichen Arten von Gefängnissen gab, die keine Gitter oder Ketten benötigten, nur einen meisterhaften Manipulator und ein Opfer ohne die Mittel zu gehen.

»Solltest das nicht tun«, sagte Fadline, während sie auf ihr Handy starrte.

»Was tun?«, fragte Abbie niedergeschlagen.

»Hochschauen.«

»Warum nicht?«

»Wenn die Sonne sich wieder entzündet, wird sie dich blind machen. Und man weiß nie—«

»Richtig. Man weiß nie, wann das sein wird.«

Die Ex-Prinzessin

Подняться наверх