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KAPITEL EINS

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ALS ABELIA AM GLEIS stand, die Vibration der Ankunft der öffentlichen Stadtbahn erwartete, hätte sie sich niemals vorstellen können, dass es das letzte Mal sein würde.

Es war ein Mittwoch, also liefen diejenigen ohne Zugbewilligung zur Arbeit, strömten schnell vorbei wie die Wasser eines Bachs, die meisten davon plapperten in ihre Telefone. Sie packte ihren Thermobecher mit Kaffee mit der einen Hand und stopfte die andere tief in ihren Arbeitsanzug, um menschlichen Kontakt zu vermeiden, während sich die Leute um sie herum drängten. Es machte keinen Sinn sich auf der Arbeit umzuziehen, besonders wenn man im Zug in etwas Klebrigem sitzen könnte.

Abbie liebte es Zug zu fahren. Sie liebte es die freien Räume zwischen den Vororten vorbeifliegen zu sehen. Sie liebte den Retrolook der Sitze und die Schaffner mit ihren kleinen Hüten, die auf den Telefonen der Menschen die Tickets scannten. Sie hatte kein Smartphone, also grub sie in ihrer übergroßen Tasche nach ihrem Papierschein herum.

Sie liebte es in der entgegengesetzten Richtung der meisten Menschen zu fahren. Es brauchte überhaupt keine Zeit die Stadt morgens zu verlassen, verglichen mit all den Trotteln, die in die Innenstadt fuhren und wie Vieh zusammengepfercht dastanden. Sie fuhr von Tanner’s Point durch Binderville, vorbei an Cottage Grove und Blakewood. Der Wald war herrlich zu dieser Jahreszeit; der Frühling stellte sich gerade ein und die Bäume waren voller Knospen und Möglichkeiten. Es ließ sie an einem Flüsschen sitzen und die Fische beim Springen beobachten wollen. Das Fenster, aus welchem sie blickte, schien stillzustehen, als die Bäume und Gebäude sich vorbeidrängten. Die Stimme vom Tonband kündigte Beaver Landing, die letzte Haltestelle, an und sie verdrückte sich.

Die Arbeit war eine andere Geschichte. Es war heiß unter der Erde—weniger wie in der Sonne und mehr wie in einer Sauna zu sein. Einer übelriechende Sauna. Die Arbeitsanzüge waren erstickend aber vorgeschrieben, deren Farbe zeigte den Rang an und ihr Gewebe sog unerwünschte Chemikalien aus der Luft auf. Sie wurden speziell entwickelt, aber sie funktionierten nicht so gut, wie die Hersteller behaupteten. Und das Schlimmste, den ganzen Tag über da drin zu sein machte ihre weiße sommersprossige Haut noch blasser, als diese von Natur aus wäre. Andererseits würde eine Abfallrückgewinnungs-Anlage nie ein attraktiver Arbeitsplatz sein.

»Fangt unten am Ende an und arbeitet auf mich zu«, rief Abbie ihrem Team über die zischende Luft, die aus den Entlüftungen kamen, hinweg zu. »Wir sollten in der Lage sein diese Ladung vor dem Mittagessen fertig zu bekommen. Achtet auf das Aluminium, ihr habt gestern etwas davon übersehen.« Als sie sich zerstreuten, wandte sie sich wieder ihrem Klemmbrett zu und begann die Kontingente des Tages durchzusehen.

»Abbie?«

»Jo«, antwortete sie ohne aufzusehen. Jemand räusperte sich.

»Abelia Olivia Jayne Venenza Ribaldi Porchenzii?«

Hierbei blickte sie langsam auf, ihr Stift schwebte noch über dem Papier. Zwei

Menschen, die aussahen als ob sie miteinander verwandt waren, lächelten sie an, dann sich selbst. Ihre blasse Haut sah unter dem fluoreszierenden Licht beinahe grün aus .

»Eure Hoheit, dem Woznick sei Dank, wir haben Euch gefunden! Wir müssen mit Euch sprechen.«

Abbies Mund wurde zu einer harten Linie. »Ich bin beschäftigt.« Sie drehte sich um

und ging ohne ein weiteres Wort zu ihrem Büro zurück.

Sie folgten ihr.

»Eure Hoheit«, begann die Frau, aber Abbie wirbelte herum, während sie eine Hand

zügelnd hochhob.

»Ich habe diesen Titel vor langer Zeit hinter mir gelassen. Bitte verwenden Sie ihn

nicht.«

»Wie sollen wir Euch dann nennen? Licht unserer Herzen? Barmherzige? Euer

Gnaden?« Die Frau hörte sich vollkommen ernst an. Abbie versuchte nicht die Augen zu verdrehen.

»Einfach nur Abbie ist in Ordnung«, sagte sie, während ihr Blick zum Klemmbrett

zurückkehrte.

»Das geht nicht an«, flüsterte die Frau dem Mann zu. Sie schnippte mit den Fingern.

»Dann nennen wir Euch Schwester?«

»Sind Sie in einer Sekte? Denn ich habe kein Interesse an Sekten. Kaffee ist meine

Religion.«

Der Mann nahm seinen Hut ab. »Möglicherweise möchte Eure Hoheit das an einem

etwas privateren Ort diskutieren?«

Abbie zwang sich dazu höflich zu lächeln. Nachdem Sie ihr Klemmbrett an die Wand

gehängt hat, verschaffte sie sich mit ihnen mit einem Ausweis Zugang zum Korridor der Büros, wo es ein wenig besser roch, und führte sie zu ihrem, schloss die Tür hinter ihnen.

»Bitte erlaubt mir uns vorzustellen«, sagte der Mann. »Ich bin Rubald Jerrinson und

das ist meine liebste Frau, Rutha.« Er sprach es »Ruut-ah« aus, ein Name den Abbie in

ihren 21 Jahren zuvor noch nie gehört hatte. Er räusperte sich nervös, als sie durch den Stapel Papiere in ihrem Postkorb blätterte. »Wir sind auf einer diplomatischen Mission von Orangiers«, fuhr er fort, »eine Mission von enormster Wichtigkeit.«

Hierbei flogen Abbies Augenbrauen nach oben. »Sie sind dann weit gereist.«

»Ja, Hoheit.«

»Ich dachte wir hätten uns auf Schwester geeinigt, Mr. Jerrinson«, sagte Abbie,

obwohl sie sich auf nichts dergleichen geeinigt hatten. Sie stieß einen Seufzer aus. »Ich will nicht, dass diese Leute wissen wer ich … war.«

In Wahrheit war Gardenias Hauptstadt ein beliebter Fleck für ehemalige Prinzen und Prinzessinnen aller Art und sie kannte einige, obwohl keiner aus so großen und mächtigen Ländern wie Brevspor kam. Die meisten waren ewige Studenten an der Universität mit Hauptfach Philosophie, die von treuhänderischem Vermögen lebten. Indem sie in der Fabrik arbeitete, war sie in der Lage gewesen ihre Identität unter Verschluss zu halten. Bis jetzt.

»Ja, Entschuldigung, ähm, Schwester,« sagte Rubald mit einem nervösen kleinen Husten. »Wir wurden geschickt, um Euch dazu zu bringen Eure vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen Seine Königliche Hoheit, Zweitgeborener von Orangiers, Prinz Edward Kenneth Keith Francis Benson Broward, zu heiraten. Wir müssen so schnell wie möglich aufbrechen.«

Abbie stand auf und ging in die Ecke ihres Büros, wo ein Mini-Kühlschrank und eine

Kaffeekanne hausten. Sie zog ein pinkes Gebäck für den Toaster heraus, ihr verlässliches-wenn-ich-völlig-gestresst-bin-Essen, und schenkte sich eine weitere Tasse Kaffee ein. Sie setzte sich zurück an ihren Schreibtisch ohne den zwei Abgesandten etwas anzubieten.

»Der Vertrag ist ungültig geworden, als ich auf meinen Titel und meine Position in der Thronfolge verzichtet habe«, sagte sie während ihrem ersten riesigen Bissen vom Gebäck. Trotz ihrer größten Bemühungen begann ihr Puls zu klettern.

Das Paar lächelte sich wissend an und Rutha zog einen dünnen Stapel Papier aus

einer Umhängetasche, von der Abbie nicht bemerkt hatte, dass sie diese trug. »Diese Kopie des Vertrags besagt etwas anderes«, sagte die Frau. »Ihr könnt es selbst lesen, wenn Ihr möchtet, Eure Ho—äh, Schwester. Wir haben nur die hervorstechenden Konditionen dort markiert, unter ‚Konditionen der Braut’ … Euer royaler Stand ist keine davon. Bitte denkt daran, dass internationale Heiratsverträge in jedem Land auf dem Kontinent oder über das Funkelnde Meer hinweg durchsetzbar sind, Eure Anwesenheit in einem anderen Land ist also kein Hindernis. Wir haben mit den Anführern von Gardenia im Privaten gesprochen und sie haben zugestimmt Euch an Orangiers auszuliefern, falls notwendig.«

Ein Schraubstock zog sich in Abbies Brust zusammen, ihre Angst stieg schnell in einer

stürmischen, panischen Welle. »Ich brauche etwas Zeit, um diesen Vertrag durchzuschauen«, sagte sie, ihre Stimme überraschend flach in ihren eigenen Ohren. Sie stand auf und ging zur Tür. »Würden Sie beide bitte morgen wiederkommen, sagen wir um zehn Uhr herum, so dass wir dies weiter diskutieren können?« Ihre Gedanken rasten bereits zur ihrer besten Freundin Lauren mit ihrem rechtswissenschaftlichen Diplom voraus, zu einem großen Glas Wein und zur »Lauf-Tasche« mit einem Stapel neuer Identitäten in einem Schließfach im Bahnhof, welches sie seit fünf Jahren gemietet hatte. Alles außer dem furchterregenden Gespenst einer Hochzeit in einer Kirche für tausend Personen und wieder einem goldenen Diadem auf ihrem Kopf.

»Es gibt noch etwas, Schwester.« Rubald hielt inne. Sein blasses Gesicht war ernst. »Es geht um Euren Vater.« Hierbei querte sie zum Schreibtisch und setzte sich wieder hin. Rutha erhob sich und schloss leise die Tür, die sie offen gelassen hatte.

»Er hat Euch einen Brief geschrieben. Ich habe ihn hier.« Sie streckte die Hand aus

und nahm den großen braunen Umschlag, den Rubald ihr darbot. Das Wachssiegel ihres Vaters überspannte die Lasche. Sie brach es schnell und nahm den feinen Bogen aus Leinen heraus. Er war kürzer, als sie erwartet hatte.


LIEBSTE ABBIE,

du wirst mehr vermisst, als du dir vorstellen kannst. Die Dinge laufen hier nicht gut und deine Hilfe wird benötigt. Ich bin krank. Die Menschen wünschen nicht, dass dein Bruder den Thron besteigt. Brevspor ist seit sechzehn Generationen ein Matriarchat gewesen und die Menschen akzeptieren die Art und Weise nicht, wie die Dinge jetzt sind. Sie haben meine Herrschaft, nachdem deine Mutter verschieden war, akzeptiert, da sie gewusst haben, dass du zu jung warst, um eine solche Verantwortung zu schultern, aber nicht länger.

Sie haben mir eine Petition eingereicht, dass ich deinen Heiratsvertrag erzwingen soll. Sie glauben, dass Brevspor unter deiner gemeinsamen Herrschaft mit Edward florieren würde, und ich stimme, natürlich, zu. Brevspor würde mit dir als Verwalterin als Territorium unter die Kontrolle von Orangiers kommen und sie hätten einmal mehr eine Porchenzii Königin, der sie vertrauen.

Es gibt noch mehr. Andere herrschende Mächte wissen welche mächtige Allianz dies wäre und arbeiten rasch daran dies zu verhindern. Du bist in Gefahr dort, wo du bist. Mir tut dies leid, aber ich dachte es ist besser, dass du es weißt.

Komm und verabschiede dich von mir, meine liebe Tochter, und nimm deinen rechtmäßigen Platz ein … um unser aller Willen.

In Liebe,

Paul Daniel Trevor Washington Frakes Porchenzii … alias Papa


ALLE KÖNIGLICHE AUSBILDUNG der Welt war nicht genug, um ihre Emotionen unter Kontrolle zu halten. Fünf Jahre des Schweigens, das mit solchen Neuigkeiten gebrochen wurde. Sie konnte die Tränen, die ihr Sichtfeld verschwimmen ließen, nicht aufhalten und sie streifte sie mit wütenden Wischbewegungen ab. Sie las die ersten Zeilen wieder und wieder: Du wirst mehr vermisst, als du dir vorstellen kannst.

»Welche Art von Krankheit ist es?«, fragte sie leise.

Mr. Jerrinson zuckte mit den Schultern, sein Gesichtsausdruck hilflos. »Es tut mir leid, Hoheit, ich weiß es nicht.« Sie bemühte sich nicht ihn zu korrigieren. Plötzlich fiel ihre Aufmerksamkeit auf eine andere Zeile. Sie wischte den Rotz, der aus ihrer Nase trat, auf ihren Ärmel und fragte: »Was bedeutet das, ›deine gemeinsame Herrschaft‹? Ist Edward jetzt als Zweitgeborener an erster Stelle der Thronfolge?«

Rubald nickte. »Der Erstgeborene, Lincoln Atticus Jonathan Norris Bryant Broward versuchte die Macht an sich zu reißen, bevor sein Vater seine Absicht zurückzutreten verkündet hat. Er wurde als untauglich zu regieren erachtet und sitzt momentan im Exil in Op’ho’lonia. Er stellt dort sogar jetzt eine Armee auf, um einen weiteren Putsch zu versuchen—das heißt bis sein Bruder Euch heiratet und den Vorteil der Kräfte Eures Territoriums erlangt, an welchem Punkt er …«

»Unbedeutend sein wird«, beendete sie.

Es gab ein Klopfen an der Tür und ohne nachzudenken rief sie: »Herein!«

Zwei Arbeiter niedriger Stufe standen mit großen Augen in der Türöffnung. »Ähm, wir hatten eine Frage zur Temperatur des Abwassers was die Durchführbarkeit der Rückgewinnung des Quecksilbers betrifft …«, begann einer, aber verstummte allmählich, als er Abbies tränenverschmierte Wangen bemerkte.

»Wir kommen noch einmal«, sagte der andere und die Tür schloss sich einmal mehr.

Abbie wischte sich noch einmal über ihr Gesicht, die Tränen weigerten sich noch immer aufzuhören. Rutha bot ihr ein Taschentuch an, welches sie dankbar annahm.

»Verflixt«, flüsterte sie. »Verflixt und zur Jersey.«

»Majestät«, sagte Rutha leise, »wenn man die Gefahr bedenkt, von welcher Euer Vater gesprochen hat, glauben wir, dass Ihr beabsichtigen solltet hier so schnell wie möglich wegzugehen.«

»Nein«, gab sie zurück, putzte ihre Nase. Sie starrte sie durch gerötete Augen an, die zu ihrem Haar passten, bis sie wegsahen. »Sie können jetzt gehen.«

Zwei schockierte Gesichtsausdrücke erschienen auf den Gesichtern des Paars, aber Rubald fand zuerst seine Stimme wieder. »Majestät, wir beide haben das Gefühl—«

Abbie stand auf und ließ ihre Handflächen auf den Schreibtisch krachen, verstreute dabei Papiere und die Verpackung des Gebäcks auf dem Fußboden. »Mir ist egal, was Sie beide für ein Gefühl haben, oder was Sie denken, oder was Sie wollen«, sprach sie langsam und deutlich aus. »Ich habe dieses Leben permanent hinter mir gelassen. Ich werde niemals zu einem royalen Leben zurückkehren. Sie können gerne versuchen mich auszuliefern, wenn Sie es wagen.«

»Meine Güte«, murrte Rutha und Rubald schüttelte nur seinen Kopf. Sie starrten sie an, Rubalds Gesicht wurde fleckig rot, aber sie bewegten sich nicht, bis sie sich räusperte.

»Lassen Sie mich deutlicher werden. Raus hier.«

Die Ex-Prinzessin

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