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24Gute Tat

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Ein blauer Lieferwagen hielt vor dem Platz mit dem Brunnen. Zwei Männer stiegen aus, sahen sich um. Nachdem sie sich davon vergewissert hatten, dass niemand in der Nähe war, hievten sie ein regungsloses Mädchen aus dem Laderaum. Sie setzten sie auf eine der Bänke, die um die Tränke gruppiert standen.

»Hübsches Ding«, sagte der eine. »Schade, dass wir sie nicht länger da behalten können. Hätte gerne ein kleines Experiment an ihr durchgeführt.«

Der andere lachte hämisch. »Allerdings, ein sehr kleines Experiment.« Er streckte den kleinen Finger aus, bewegte die Kuppe. »Frag mal den Doktor, ob er dir dabei nicht mit einer großen Spritze auf die Sprünge helfen kann.« Brüllend vor Lachen schlug er seinen Kumpel auf den Rücken, nahm auf dem Beifahrersitz Platz.

»Arschloch«, zischte der Kumpel, stieg ein und fuhr los.


Rolf Kramer trank die Apfelschorle aus, verabschiedete sich und stieg ins Auto. Als er am Ende der Straße nach links abbiegen wollte, zog etwas am Dorfbrunnen seinen Blick auf sich. Vor einem Haus auf der rechten Straßenseite hielt er an, sah genauer hin. Im kargen Licht der Laterne lag ein Mädchen zusammengekauert auf einer der Bänke. Er stellte den Motor ab und stieg aus. Sie schien zu schlafen, eine Tasche lag vor ihr auf dem Boden. Er rannte hinüber, fasste sie an der Schulter. »He, Mädchen, wach auf, du kannst hier nicht liegen bleiben.«

Sie wimmerte vor sich hin. Er beugte sich über sie, schüttelte sie. »Steh auf, du erfrierst sonst.«

Das Mädchen schien nicht ansprechbar. Er kannte die Symptome aus Afghanistan, dort war es die Angst, die Menschen verstummen ließ. Aber nicht im Fall dieses Mädchens, mit ihr stimmte was nicht. Drogen? Sie musste sofort ins Krankenhaus, doch er wusste nicht, wo sich hier in der Gegend eins befand. Da fiel ihm die Nervenklinik ein, sie lag auf dem Nachhauseweg. Vielleicht konnte man dort etwas für sie tun.

Im selben Moment, als er sie aufheben wollte, schlug sie die Augen auf. »Wo bin ich? … Wer sind Sie?«

Er ließ sie los, trat einen Schritt zurück. Auch das hatte er in Afghanistan gelernt. Der Schritt zurück, um den Leuten die Angst zu nehmen. Auf eine Hand gestützt, richtete sie sich auf. »Wo bin ich?«, wiederholte sie.

»In Goldbach, am Dorfbrunnen. Wie bist du hierher gekommen?«

»Weiß nicht. Ich weiß überhaupt nichts.« Sie suchte in ihre Jackentasche. »Wo ist mein Handy?«

Er zeigte auf die Tasche am Boden. »Vielleicht darin?«

Sie fand es, schaltete es ein. »Akku leer. Verdammt.«

Da konnte er ihr nicht weiterhelfen. Er hatte sein eigenes Handy zu Hause liegen lassen. »Wo wohnst du? Wenn du möchtest, fahre ich dich heim.«

Ihre Augen fokussierten auf sein Gesicht. Ihm kam es vor, als nehme sie ihn zum ersten Mal richtig wahr.

»Ich wohne in Lorsbach.« Sie versuchte aufzustehen, ihre Knie gaben nach. Mit einem Griff an den Arm hielt er sie aufrecht.

»Soll ich dich nicht lieber fahren?«

Sie nickte, gedanklich immer noch abwesend. Er führte sie zum Auto, schnallte sie auf dem Beifahrersitz fest.

»Einen Moment noch, ich hole deine Tasche.« In wenigen Sekunden kam er wieder, warf die Tasche auf den Rücksitz. Als er sich aufrichtete, bemerkte er im Fenster des Hauses das Gesicht einer alten Frau. Er lief um das Auto herum, um sie zu fragen, ob sie gesehen hatte, wie das Mädchen dorthin gekommen war. Sie wich zurück, zog den Vorhang zu.

Er zögerte, zuckte die Schultern, stieg ein und fuhr los. Während der Fahrt fragte er noch einmal, wie sie auf der Sitzbank am Brunnenplatz gelandet war.

»Ich weiß es nicht, kann mich an nichts erinnern.«

K.-o.-Tropfen, da gehe ich jede Wette ein.

»Ich sollte dich ins Krankenhaus fahren, wir kommen auf dem Weg nach Lorsbach an einer Klinik vorbei.«

Sie sperrte die Augen auf. »Nein, wird schon gehen, bringen Sie mich bitte nach Hause.«

Kramer sah Angst in ihrem Gesicht, fuhr weiter.

Der Rest der Fahrt verlief schweigend. Nach einer Viertelstunde hielt er vor einem mehrstöckigen, quer zur Straße stehenden Backsteingebäude mit vier vorgehängten, hellblau gestrichenen Laufstegen. Er fuhr in die Einfahrt, stellte den Motor ab. »Hier wohnst du?«

Sie nickte. »Im dritten Stock.« Sie stieg aus, wankte, konnte sich gerade noch am Auto festhalten.

»Warte, ich helfe dir.« Er packte die Tasche, legte den Arm um ihre Schulter. Sie gingen den Laufsteg hinunter zum Eingang. Dort drückte sie die Klingel mit der Aufschrift ›Delius‹.

Aus dem Lautsprecher krächzte es. »Ja bitte?«, fragte eine Männerstimme.

»Papa, ich bin´s.«

»Lena!« Kramer hörte die Erleichterung, die aus dem Lautsprecher klang. Er beugte sich zur Sprechanlage. »Herr Delius? Mein Name ist Rolf Kramer. Ich habe Ihre Tochter gefunden. Sie sollten herunterkommen, sie ist sehr schwach.«

Am anderen Ende hielt jemand den Atem an. »Ich bin gleich da.«

Max raste die Treppe hinunter, gefolgt von Chiara. Im Eingang löste sich seine Tochter aus dem Arm eines fremden Mannes, wankte auf ihn zu. Er drückte sie fest an sich, streichelte ihr Haar. »Lena, mein Mädchen, wo bist du gewesen?« Erst dann nahm er den Mann wahr, der sie hergebracht hatte. »Ich danke Ihnen, Herr …?«

»Kramer, Rolf Kramer.« Sie reichten sich die Hand.

»Wo haben Sie sie gefunden?«

»Sie lag am Dorfbrunnen von Goldbach auf einer Bank. Zuerst war sie nicht ansprechbar. Ich wollte sie ins Krankenhaus fahren, aber dann kam sie zu sich und konnte mir wenigstens sagen, wie sie heißt und wo sie wohnt. Soll ich Ihnen helfen, sie hinaufzubringen? Sie ist sehr schwach.«

»Danke, das schaffen wir schon. Aber kommen Sie trotzdem kurz mit hoch, darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«

Kramer winkte ab. »Nein danke. Ich freue mich, dass Ihre Tochter zu Hause ist. Tschüss, Lena.«

Während Chiara mit Lena die Treppe hochstieg, reichte Kramer ihm Lenas Tasche und nickte Max zu. »Auf Wiedersehen, Herr Delius.« In der Tür drehte er sich noch einmal um. »Sie sollten sie sicherheitshalber ärztlich untersuchen lassen. Ich vermute, dass man ihr K.-o.-Tropfen gegeben hat, die lassen sich nur kurze Zeit im Körper nachweisen. «

Max bedankte sich nochmals und schloss die Tür. Eilte zurück in die Wohnung.

Chiara kam aus Lenas Zimmer. »Sie hat sich hingelegt.«

»Danke. Der Mann, der sie hergebracht hat, meinte, dass man ihr K.-o.-Tropfen verabreicht hat. Ich lasse sie sofort untersuchen.«

»Hast du seinen Namen notiert? Er könnte doch der Entführer gewesen sein.«

»Er stellte sich mit Rolf Kramer vor. Ich glaube nicht, dass er sie entführt hat. Er wirkte wirklich besorgt um sie. Warum sollte er mir den Hinweis auf K.-o.-Tropfen geben, wenn er der Täter ist?«

Chiara blieb skeptisch. »Hoffentlich wurde sie nicht vergewaltigt. Lass sie auch auf Spermaspuren untersuchen. Gibt es dort, wo sie gefunden wurde, in der Nähe eine Diskothek?«

Spermaspuren?

»Das weiß ich nicht.«

»Willst du nicht lieber mit ihr zur Polizei?«

»Falls der Befund positiv ist, ja. Dann würde ich auch Kramer erwähnen. Falls negativ … Was sollte ich der Polizei sagen? ›Meine Tochter wurde nach einer Nacht Abwesenheit auf einer Bank an einem Dorfbrunnen gefunden? Sie wurde betäubt?‹ Die würden mich auslachen.«

Nach der Untersuchung in der Hofheimer Klinik rief Max Chiara an, um sie über das Ergebnis zu informieren.

»Sie haben kein Zeichen sexuellen Missbrauchs bei Lena festgestellt. Soweit die gute Nachricht. Aber dieser Kramer hatte recht, im Blut wurde GHB, Gamma-Hydroxybuttersäure, nachgewiesen, Liquid Ecstasy. Das Labor konnte feststellen, dass es Lena in einer hohen Dosis verabreicht worden sein muss. Nach Aussage der Ärztin hat sie sich längere Zeit in einem narkoseähnlichen Schlafzustand befunden.«

Kurzes Schweigen.

»Scheiße.«

Max drehte sich zu Lena, um zu sehen, ob sie sich in Hörweite befand. Durch die geschlossene Glastür sah er sie am Empfangstresen stehen, wo sie auf die Herausgabe des Berichtes wartete.

»Morgen fahre ich nach Goldbach, werde die Leute dort fragen, ob sie etwas bemerkt haben. Sobald ich zurück bin, melde ich mich bei dir.«

Der Plot

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