Читать книгу Lebenswege - Eine ostpreußische Familiengeschichte - Band 2 - Frank Hille - Страница 17
Ein Vorschlag, Sachsen, 1982
ОглавлениеAuch nach einem Jahr war sich Petra Becker über ihre Gefühle für Bernd Fühmann nicht sicher, es hatte sich so etwas wie eine lose Beziehung eingestellt, die über gemeinsame Unternehmungen, Theater- oder Ausstellungsbesuche und gelegentliche Abendessen nicht hinausging und diese auch recht sporadisch angelegt waren. Beide schätzten und respektierten einander, unabgesprochen klammerten sie bei ihren Begegnungen Arbeitsthemen aus und unterhielten sich lieber über Bücher oder Filme, auf dieser Ebene verfolgten sie gleiche Interessen. Sie hatte von ihm erfahren, dass er sich von seiner Frau getrennt hatte, weil er nach einigen Jahren merkte, dass ihre Ansichten über viele Dinge weit auseinander gingen und letztlich nur noch Streit den Alltag dominierte. Seine beiden Töchter sah er nur selten und sie spürte, dass diese Sache ihn bedrückte, aber mit seiner ruhigen Art versuchte er dieses Thema abzuwiegeln. Bernd Fühmann schien es nichts auszumachen, dass es keine weitere Annäherung zwischen ihnen gab, zumindest unternahm er keinen Versuch sie zu berühren oder sie etwa danach auszufragen, warum sie ohne Mann lebte. Insgeheim hatte sie Angst davor, dass er dieses Thema ansprechen könnte, und sie legte sich aus ihrer Sicht plausible Antworten zurecht, etwa die Anforderungen der Arbeit und die damit fehlende Zeit für eine Familie. Eigentlich wusste sie, dass er ihr das nicht abnehmen würde und möglicherweise genug Schlüsse über ihr Verhalten aus ihren spärlichen Informationen über ihre Kindheit und Jugend ziehen könnte. Als er sie im Frühjahr des Jahres bei einem Gaststättenbesuch vorsichtig über ihre Urlaubspläne befragte schaute sie ihn erstaunt an und sagte dann leichthin, dass sie noch nichts Konkretes im Blick hätte.
„Wollen wir nicht mal gemeinsam irgendwo hin fahren“ sagte er sie vorsichtig.
„Darauf kann ich dir heute noch keine Antwort geben“ erwiderte sie ausweichend „die letzten Jahre bin ich immer an die Ostsee gefahren. Ich habe da einen Vermieter der mir ein Zimmer reserviert, für zwei ist das viel zu klein und eigentlich will ich im Urlaub auch total abschalten und für mich alleine sein. Nur am Strand entlang wandern und mich ausruhen, deswegen bin ich immer erst im Herbst dort, dann ist dort weniger Trubel.“
„Aber dann wird es doch Zeit für einen Tapetenwechsel“ sagte Bernd „wir können mit dem Zelt zu den Tschechen fahren, dort geht es urig zu, man kann Lagerfeuer machen, das Leben kostet nicht viel und wenn man ins Gebirge fährt kann man gut wandern gehen, überlege es dir.“
„Wir sind doch keine Abiturienten mehr, meinst du nicht, dass man uns da auslachen würde, so als ältere Semester?“
„Quatsch“ antwortete er bestimmt „ich bin das letzte Mal vor drei Jahren, kurz vor meiner Scheidung, dort gewesen, da tummeln sich alle Altersgruppen.“
Nach dem Essen brachte er sie nach Hause, als er versuchte sie zu küssen schob sie ihn weg. Als er sich abwandte sah sie, dass er den Kopf zwischen die Schultern gezogen hatte, so als würde er Schutz vor dem böigen Wind suchen.