Читать книгу Lebenswege - Eine ostpreußische Familiengeschichte - Band 2 - Frank Hille - Страница 18
Vertane Zeit, Thüringen, 1983
ОглавлениеWie alle anderen auch hatte sich Dieter Becker ein Bandmaß gebastelt, je kürzer es wurde desto langsamer vergingen die Tage. Die jungen Männer hatten viel Phantasie und Geschick investiert um diese Statuszeichen herzustellen, aber diese halfen wenig gegen das eigenartige Gefühl das sie alle überkam. Irgendwie hatten sie sich dennoch an die routinemäßig verlaufenden Tage gewöhnt und sich in den Trott gefügt, selber wieder Entschlüsse treffen zu müssen würde anfangs schwer fallen, keiner ihnen mehr sagen was man zu tun hatte. Eine gereizte Stimmung lag über der Gruppe und es kam schnell vor, dass einer die Nerven verlor und die anderen anbrüllte. Eigentlich war der Grund dafür, dass sie als EK jetzt alle - wirklich alle - Aufgaben auf die später gekommenen Soldaten abwimmelten und so faktisch nach dem Frühsport nur in ihrer Stube rumhingen und ab und an gelangweilt in die Fahrzeughalle gingen um Ablenkung zu finden. Einige der Fahrzeuge waren ständig defekt (besonders die russischen, für die Ersatzteile fehlten) und so konnten sie, selbst wenn sie es gewollt hätten, nichts ausrichten.
Die Tage schlichen dahin und Dieter Becker hatte selbst zum Lesen keine Lust mehr, jetzt lag er oft nur apathisch auf dem Bett und starrte an die Decke, die anderen droschen Skat. Er stellte sich vor, dass es den jungen Männer auf der anderen Seite der Grenze genau so ging, es war einfach eine Verschwendung von Lebenszeit und viel Geld. Falls mal einer der Ural Laster aus der Halle rollte konnte man förmlich sehen, wie der Diesel in Massen verbrannt wurde, bei den Panzern musste es noch schlimmer sein. Wenige Tage vor der Entlassung fing er an zu resümieren: er hatte gelernt die Schreibmaschine ganz gut zu bedienen, sich eine gewisse Ordnung angewöhnt, Speck auf den Hüften angesetzt, niveaulose Diskussionen erlebt, sich öfter anbrüllen lassen müssen, alles Dinge, die ihn nicht großartig weitergebracht hatten, es war vertane Zeit, schade drum. Sein Geist war in dieser Zeit kaum strapaziert worden und er freute sich, dass er im Studium wieder aktiver werden musste.