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50. Geburtstag, Berlin, 1980

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Zu seinem fünfzigsten Geburtstag hatte sich allerlei Prominenz eingefunden, Peter Becker war im Ministerium in der Reihe der Abteilungsleiter angekommen und seine Wichtigkeit zeigte auch die Gästeliste. Er hatte beschlossen die Feier in ihrem Grundstück auszurichten, und bald drängten sich dort gut dreißig Leute aus allen möglichen Bereichen des Ministeriums, die Männer und Frauen kannten sich seit Jahren aus der gemeinsamen Arbeit. Ihr Umgang miteinander war eine Mischung aus Vertrauen aber auch Vorsicht, zwar war es möglich sich kritisch zu bestimmten Dingen zu äußern, aber es blieb immer ein Risiko sich nicht im Sinne der Staatsführung zu artikulieren. Dabei waren gerade sie es, die den besten Überblick über die wirtschaftliche Situation im Land hatten. Es gab Vorzeigbares, aber auf der anderen Seite auch erhebliche Probleme, die die Unzufriedenheit der Leute noch weiter anstachelten. Die Betriebe wurden auf Verschleiß gefahren und die Jagd nach Konsumgütern oder Baumaterialien beschäftigte die Menschen tagein tagaus. Dass das Land immer grauer wurde und die Umwelt schonungslos der Planerfüllung geopfert wurde schien in Berlin nicht bekannt, oder man wollte es schlichtweg nicht wissen. Mehr und mehr entstand in der hektischen Hauptstadt eine Scheinwelt, die für den Rest des Landes nicht typisch war.

„Liebe Freunde“ begann Peter Becker seine Rede „ich freue mich, dass ihr, Sie, meiner Einladung gefolgt seid, ich danke euch, Ihnen, dafür. Fünfzig Jahre alt zu werden ist im Leben eines Mannes Grund zurück zu schauen, aber auch den Blick nach vorn zu richten. Heute bin ich Abteilungsleiter, das hätte ich mir als Bauernjunge niemals träumen lassen, aber es war auch unser Staat, der mir ein Studium ermöglicht hat, dafür bin ich dankbar. Wir haben viel geschafft, es geht uns gut, aber es gibt noch viel zu tun, das wissen wir alle. Der Wind in der Weltwirtschaft wird rauer, wir verlieren Marktanteile, aber lassen wir das, heute soll gefeiert werden, bitte bedient euch.“

Das Buffet hatte ein Fleischer hergerichtet bei dem Gerda wöchentlich nur einen Bestellzettel abgeben musste, diskret erhielt sie das Paket nicht im Laden, sondern im Kühlhaus, Peter Becker hatte dem Fleischer vor einiger Zeit eine Cutter Maschine organisiert, seitdem stand er auf der Liste der besonderen Kunden. Ab und an brachte er noch einen Kasten Radeberger Bier vorbei, den er wiederum von einem Mitarbeiter in seinem Ministerium bekam, dieser Naturalhandel funktionierte für ihn bestens. Auch das begehrte Bier stand in ausreichender Menge zur Verfügung, für die Frauen hatte er Wein aus dem Delikat Laden besorgt. Dazu kam noch ein ausgesuchtes Sortiment an Schnäpsen, Südfrüchten, Fisch und anderen Dingen, er konnte es sich leisten. Seit Ende der siebziger Jahre waren die Delikat Läden flächendeckend im Land vorhanden, schickere Verpackungen ließen auf ein besseres Produkt schließen, und die Preise lagen deutlich über denen der üblichen Waren. Für die Raucher lagen Lucky Strike, Marlboro und andere Sorten bereit.

Die Leute standen in Gruppen zusammen und plauderten, Peter Becker beteiligte sich hier und dort an den Gesprächen. Diesmal verfolgte er kein bestimmtes Ziel wenn er sich mit den anderen unterhielt, er war sich ziemlich sicher, dass ihm die anderen keineswegs nützlich sein könnten, um noch weiter voranzukommen. Das war auch sein eigentliches Problem, sein rasanter Aufstieg hatte sich verlangsamt. Insgeheim träumte er davon in die Nähe des Ministers vorrücken zu können, dessen Büroleiter stand vier Jahre vor der Rente und er konnte erahnen, welche Machtfülle auf diesem Posten konzentriert war. Mit Mitte fünfzig dort anzukommen wäre für ihn höchstwahrscheinlich die Krönung seiner beruflichen Laufbahn, er würde dafür weiter hart arbeiten.

Lebenswege - Eine ostpreußische Familiengeschichte - Band 2

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