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Das Seegrundstück, Woltersdorf, 1976

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Peter Becker dirigierte den LKW die schmale Straße entlang. Links und rechts säumten Hecken den Weg und der Fahrer hatte Mühe diese nicht zu beschädigen, aber als der See sichtbar wurde war der schwierigste Teil geschafft, die Einfahrt zum Grundstück war noch nicht fertig gestellt und damit konnte der Laster ohne Mühe dort einbiegen. Am Ufer waren die Konturen eines Hauses zu erkennen, das sich beim Näherkommen als großzügiger eingeschossiger Bungalow zeigte, von dessen Terrasse aus man direkt einen Steg betreten konnte. Die großzügige Verglasung ließ viel Licht in das Haus hinein und da der Bau zum Teil noch unverputzt war sah man auch, dass alles solide ausgeführt worden war. Zwei Männer standen vor einem Betonmischer und wiesen den Fahrer ein, als er heran war kippte er die Ladung Kies ab und sofort schaufelten die Arbeiter diesen in den Mischer und gaben Zement und Wasser dazu. Peter Becker ging zum LKW und drückte dem Fahrer zwanzig Mark in die Hand, mit einem „Danke“ stieg dieser ein und fuhr davon.

„Wie viel schafft ihr heute“ fragte er einen der Männer.

„Ganz werden wir nicht fertig, den Rest erledigen wir morgen“ antwortete dieser.

„Gut“ entgegnete Peter „wir sehen uns morgen gegen vierzehn Uhr hier, dann ist Abnahme und ihr bekommt das Geld, in Ordnung?“

Die beiden nickten und Peter Becker ging zu seinem Lada, den er im vorderen Teil des Grundstücks geparkt hatte. Die Männer waren ihm von Seidel, einem Kollegen, empfohlen worden, sie würden schnell und ordentlich arbeiten und auch ihre Stundensätze wären nicht überzogen. Vor einem Jahr hatte Peter Becker angefangen sich mit dem Projekt Wochenende, wie er es nannte, zu beschäftigen. Im Ministerium hatte er sich erwartungsgemäß schnell eingearbeitet und stellte bald fest, dass viele der dort Beschäftigten ein Wochenendgrundstück in der Nähe der Stadt besaßen und erhebliche Zeit während der Arbeit aufwendeten, diverse Dinge zu organisieren. Am Schwierigsten war es gewesen ein geeignetes Grundstück zu finden, und er sah sich einige Objekte an die ihm allesamt nicht zusagten. Erst am Kalksee würde er fündig, und während der Preisverhandlung mit dem Verkäufer war er nahe dran, diesem eine Anzeige anzudrohen, da dieser einen durchaus üblichen Preis in den Vertrag aufnehmen wollte, aber nebenbei noch 20.000 Mark forderte, die in bar zu zahlen seien. Als Becker schon kehrt machen wollte wurde ihm bewusst, dass er Grundeigentum erwerben konnte. Nach der üblichen Auffassung war das im Land immer mit Schwierigkeiten verbunden, aber in diesem Falle würde der Boden ihm gehören, und diesmal würde er für sein Geld einen echten Gegenwert erhalten, zumal das Grundstück direkt am See lag und damit für einen eventuellen Weiterverkauf immer attraktiv bleiben sollte.

Obwohl er Tag für Tag Bilanzpositionen hin und her schob um die Betriebe am Laufen zu halten hatte sich für ihn manifestiert, dass etliche Luftbuchungen eine künstliche Balance aufrechterhielten, die noch eine Weile funktionieren würde. Je mehr er aber Einblick in die Gesamtsituation gewinnen konnte desto deutlicher wurde ihm klar, dass das System ohne einschneidende Veränderungen irgendwann an seine Grenzen geraten würde. Ob das in fünf oder zehn Jahren sein würde konnte er nicht vorhersagen, aber durch seine Arbeit sah er, dass besonders die Exporte in den Westen zu Preisen erfolgten, die die Aufwendungen nicht im Geringsten deckten. Darüber hinaus wurde der Ersatzbedarf im eigenen Land immer mehr vernachlässigt und eine Produktivitätssteigerung damit ausgeschlossen. Er war sich sicher, dass er eines Tages einen ordentlichen Kontostand haben würde, aber sich nichts Entsprechendes dafür kaufen könnte, deshalb stimmte er dem Grundstückskauf zähneknirschend zu.

Alle weiteren Beschaffungsmaßnahmen von Ziegeln, Zement, Holz, Installationsmaterial und vielen anderen Dingen überließ er seiner Frau, die in einem Großhandelsbetrieb sozusagen an der Quelle saß. Da nicht alles zur gleichen Zeit verfügbar war organisierte er eine Garage, in der die Sachen zwischengelagert werden konnten bis sie benötigt wurden. Die Maurer waren für ihre Branche ehrliche Leute, bei ihnen kostete die Arbeitsstunde fünfzehn Mark und ihr Arbeitstempo nach Feierabend war beachtlich, manchmal fragte er sich, ob sie werktags auch so schnell waren.

Bei der Abnahme hatte er nichts zu beanstanden. Die Männer bekamen das Geld, wuchteten den Mischer auf einen Hänger, koppelten diesen an einen Trabant Kombi an und fuhren los. Peter Becker setzte sich auf einen alten Stuhl, den die Arbeiter als Pausenmöbel genutzt hatten und betrachtete das Haus. Es unterschied sich schon durch seine Größe von den kleinen Lauben die in der Sparte standen und war im Gegensatz zu den Holzhäusern massiv ausgeführt, für den Architekten, der es entworfen hatte, war der Reiz weniger gewesen zusätzliches Geld zu verdienen, als ein Objekt zu projektieren, das sich von den Einheitsbauten abhob. Das war zweifellos gelungen, denn die elegante Linienführung gab dem Bau Charakter und die große Terrasse, die mit Holz beplankt war, und genug Platz für Sitzmöbel aufwies, ließ das Haus trotz seiner Größe nicht wuchtig erscheinen. Im Inneren bot es Platz für zwei Schlafzimmer, einen großen Wohnraum, die Küche und ein Bad. Nächste Woche würden die Elektriker alle Kabel verlegen und dann wäre es an ihm und Gerda, die Wände zu tapezieren. Die Inneneinrichtung musste zunächst schlicht ausfallen, nach und nach sollte das Haus komplettiert werden aber bei der Knappheit des Angebots rechnete er damit, dass bis dahin noch einige Zeit vergehen würde, zumindest konnten sie in absehbarer Zeit aber schon dort wohnen. Für die Außenanlagen plante er den Großteil der Fläche mit Rasen zu begrünen und nur in einer entfernten Ecke einen kleinen Gemüsegarten anzulegen.

Dieser Ort sollte ihm ausschließlich dazu dienen wieder Kraft zu tanken, wenn Gerda wollte könnte sie sich im Gemüsegarten betätigen und so vielleicht auch etwas Erntefrisches auf den Tisch bringen.

Lebenswege - Eine ostpreußische Familiengeschichte - Band 2

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