Читать книгу 9 Spannungsromane für den Urlaub: Ferien Sammelband 9017 - Frank Rehfeld - Страница 46
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ОглавлениеDie 22 Riesenreifen des Sattelzuges sangen auf dem Fahrbahnbeton. Barry Deegan schaltete herunter und sog den Truck in die Abbiegespur. Der Reifengesang sackte in tiefere Tonlagen ab. Gleichzeitig stimmte der bärenstarke Sechszylinder ein Donnern an.
Barry warf seiner hübschen blonden Beifahrerin einen Blick zu. Sheila trug die Kopfhörer ihres Walkmans über dem Seidenhaar. Wenn sie ihren Mozart hörte, hatte sie kein Ohr für die Welt der Gegenwart. Der Schilderwald des Truck-Stopps musste ihr allerdings klarmachen, dass jetzt erst mal die Geschmacksnerven an der Reihe waren. Ohne das Dieseldröhnen und ohne Mozart in den Ohren hätte Sheila das Rudel hungriger Wölfe knurren gehört — genau da, wo sich Barrys Magen befand.
An den Reklametafeln für Hamburger, Bier und Zigaretten vorbei lenkte Barry den dunkelgrünen Mack Conventional auf den Parkplatz und rangierte ihn auf die freie Stellfläche neben einem weißen Freightliner Cabover.
Sheila nahm alles mit zufriedener Miene zur Kenntnis, kostete aber ihr Kammerkonzert bis zur letzten Minute aus.
Als Barry den Zündschlüssel abzog, schlenderten die beiden Gents vor die Motorhaube. Von links. Smarte Typen in dunkelblauen Anzügen.
Weiße Hemden, Schlipse, Sonnenbrillen. Die reinsten Schreibtischtäter. So sahen sie jedenfalls aus. Wo sie gelauert hatten, woher sie kamen - der Teufel mochte es wissen. Nur über eines war Barry Deegan sich im Klaren: Sie wollten was von ihm. In der Adresse hatten sie sich nicht geirrt. Garantiert nicht.
Niemand wusste das besser als er selbst.
Barry verharrte in der Seitwärtsbewegung, noch hinter dem Lenkrad. Den Zündschlüssel hatte er in der Hand. Aus einem Impuls heraus wandte er sich Sheila zu. Erstaunt nahm sie den Schlüssel, hielt ihn in der Linken und starrte ihn an wie einen Fremdkörper.
Mit der rechten Hand zog sie die Kopfhörer herunter. Ihr Blick wanderte zu Barry und dann zu den beiden Männern vorn links, vor der Motorhaube.
Sheila konnte nur ihre Oberkörper sehen.
Sie hatten Metallschilder auf die Brusttaschen ihrer Jacketts geklemmt.
„Das haben wir gleich“, sagte Barry grimmig. Ohne eine Antwort abzuwarten, stieß er die Tür auf, schwang sich vom Sitz und stieg abwärts.
„Barry!“, rief Sheila verstört. „Was hat das zu bedeuten? Was in aller Welt...“
Er lachte nur.
Es war ein raues Lachen.
Und Sheila ahnte nicht, dass es das letzte war, was sie für lange Zeit von ihm hören würde. Voller Besorgnis beobachtete sie ihn, wie er auf die Polizeibeamten zuging. Sollte sie aussteigen und sich einmischen? Alles in ihr drängte danach. Doch ebenso stark war ihr Respekt vor Barry. Was er da zu erledigen hatte, war seine Sache. Männersache. Wenn er das Wort Männersache benutzte, dann wertete er damit niemanden ab. Am allerwenigsten eine Frau und erst recht nicht sie, Sheila North.
Barry Deegan gehörte sozusagen zur alten Schule. Er war ein Mann, der seinen Vater und seinen Großvater verehrte.
Und Barry selbst war mit seinen 38 Jahren fit wie ein junger Grizzly.
Dabei hatte er die Hölle hinter sich. Die Hölle namens Vietnam. 17 Jahre war das her, und doch waren diese 17 Jahre für Barry weniger als ein Tag. Niemand wusste das besser als Sheila. Sie konnte die Nächte nicht mehr zählen, in denen sie von seinen Schreien geweckt worden war. Das waren die Nächte, in denen sie ihn in ihre Arme schließen, ihn festhalten musste.
In jenen Nächten des Grauens trieben ihm die Alpträume den Schweiß aus allen Poren. Dann zitterte und weinte er wie ein Kind.
Und nun, verdammt, bescherte ihm die Wirklichkeit einen neuen Alptraum.
Sheila ballte die Hände zu Fäusten. Sie presste die Zähne aufeinander und empfand nichts als Ohnmacht und Verzweiflung.