Читать книгу 9 Spannungsromane für den Urlaub: Ferien Sammelband 9017 - Frank Rehfeld - Страница 60
15
ОглавлениеKrachend fiel die Zellentür hinter Barry Deegan zu.
Noch einen Atemzug lang standen die vier Schwerbewaffneten draußen, im Halbkreis, die Schrotflinten und Maschinenpistolen im Anschlag. Barry sah die Beamten in einem halbblinden Rasierspiegel, der über dem Waschbecken hing, hinten in der Ecke. Denn Barry verharrte mit dem Rücken zur Gittertür.
Wenn er die Höhle des Löwen erwartet hatte, dann war das eine lächerliche Untertreibung gewesen.
Hier war er mitten in einen Tigerkäfig geraten.
Im Rasierspiegel beobachtete Barry die Aufseher, wie sie - einer nach dem anderen - kehrtmachten und verschwanden. Keiner von ihnen wusste, dass Barry Deegan in Wirklichkeit kein Gangster war, dass er niemals von einem Gericht verurteilt worden war. Der einzige Eingeweihte in Broken Bow war der Gefängnisdirektor. Barry durfte ihn allerdings nur dann um Hilfe bitten, wenn er in allergrößter Gefahr schwebte.
Wie, in aller Welt, soll das gehen? dachte er in einem Anflug von Selbstironie.
Zum Beispiel jetzt, in diesem Moment.
Die drei Kerle machten verdammt den Eindruck, dass sie ihn am liebsten einzeln auseinandernehmen würden. Ihre Gesichter zeigten jedenfalls alles andere als einen freundlichen Willkommensgruß.
Barry wich einen halben Schritt zurück, bis er die Gitterstäbe im Nacken spürte. Er krampfte seine Hände um den doppelt daumendicken Stahl. Die Kerle konnten es nicht sehen; aber den Grad seiner inneren Anspannung lasen sie ihm vermutlich doch an der Nasenspitze ab.
Einen kannte er. Das Foto in der Polizeiakte war weniger als ein Jahr alt, zeigte den Mann aber noch mit längerem Haar. Lovell hatte ihn jedoch gut beschrieben.
Aldo Benito.
Gefährlich wie ein ausgehungerter Bengal-Tiger.
Benito hatte den Körperbau eines Wohnzimmerschranks aus massiver amerikanischer Eiche. Das schwarze Haar trug er kürzer, aber immer noch lang genug, um es wie eine glatte Lackschicht nach hinten zu kämmen. Über seinen Muskelpaketen spannte sich ein hellblaues T-Shirt. Sein kantiges Kinn war vorgereckt, als wollte er den Neuen damit in Grund und Boden rammen. Das tückischste an ihm waren indessen die dunklen Augen - dunkelbraun, fast schwarz, zwischen drohend verengten Lidern.
Draußen im Zellentrakt nahm der Lärm ab. Die Aufseher mussten sich vollends zurückgezogen haben.
Noch minutenlang hielt das stumme Kräftemessen zwischen Barry Deegan und seinen künftigen Zellengenossen an. Er wusste, dass er gegen die drei keine Chance hatte, wenn es hart auf hart gehen sollte. Doch andererseits signalisierte er ihnen mit seinem Blick, dass er es ihnen so schwer wie möglich machen würde. Mindestens einen von ihnen würde er abfertigen. Und zwar total. Dann erst würde es den beiden anderen wahrscheinlich gelingen, ihn zu erledigen.
Wen würde er sich schnappen?
Caligula, die Schlange?
Oder Hondo, die Ratte?
Beides waren nicht ihre richtigen Namen. Aber so wurden sie in ihren Kreisen genannt. In Benitos Kreisen. Und so stand es sogar in ihren Akten.
William „Caligula“ Dexter.
Mit seinem fast völlig kahlen Schädel sah er tatsächlich aus wie eine Klapperschlange. Und der andere glich mit seiner spitzen Nase und dem schmalen, gedrungenen Schädel tatsächlich einer Ratte. Barney „Hondo“ Evans.
Alle drei in der Zelle waren rechtmäßig verurteilte Mörder. Dabei stand Benito von Rang und Einfluss her zweifellos an der Spitze. Er gehörte zu der Mafia-Familie, die von Oklahoma City aus den ganzen Staat kontrollierte.
Ganze Geschäftszweige waren in der Hand der Benitos - legale und illegale Geschäftszweige.
Auf der legalen Seite reichte das von Kaugummi oder Briefmarkenautomaten bis zur Beteiligung oder Allein-Inhaberschaft in Firmenketten der Baubranche oder der nichtstaatlichen Müllabfuhr.
Auf der illegalen Seite hatten die Benitos ihre Finger in allem drin, was dreistellige Gewinnspannen abwarf. Rauschgift. Glücksspiel. Prostitution. Kreditbetrug.
Die Familie Benito war der Mob.
Das organisierte Verbrechen.
„Hi“, sagte Barry und gab sich Mühe, gelassen zu klingen. „Ich heiße Barry Deegan. Sieht so aus, als ob ich bei euch einquartiert wurde.“
„Yeah, sieht so aus“, entgegnete Benito gedehnt. Seine mächtigen Kiefer bewegten ein Kaugummi, als sollte es zermahlen werden.
Die beiden anderen grinsten bösartig.
„Sieht so aus...“, fuhr der Mobster betont langatmig fort, „…als ob du uns mal im Mondschein begegnen kannst.“
„Ach, was?“
Barry grinste zurück. Er schaffte es tatsächlich, den Überlegenen zu spielen. Dabei wusste er verdammt genau, dass ihn so was wie der Teufel ritt. „Ich denke, ihr werdet euch an mich gewöhnen müssen. Oder habe ich mir eure feine Gesellschaft etwa ausgesucht?“
Verblüfft registrierte er, dass Benito schwieg.
Auch die beiden anderen blieben stumm.
Nur das tückische Grinsen wich nicht aus ihren Mundwinkeln.
Und Benitos Augen waren schmal wie eh und je.
Barry stellte fest, dass das Bett oben rechts frei und unbenutzt war. Er stieß sich von der Gittertür ab und schob sich an dem Mobster und seinen beiden Kumpanen vorbei. Er packte die Bettkante, oben, und schwang sich mit einem einzigen Ruck hoch. Er streckte sich lang aus und tat, als nehme er seine Umgebung nicht mehr wahr.