Читать книгу 9 Spannungsromane für den Urlaub: Ferien Sammelband 9017 - Frank Rehfeld - Страница 63

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Das gegenseitige Belauern hatte noch vor dem Aufstehen begonnen. Diesmal hatte Barry bereits im Halbschlaf die Blicke der Kerle gespürt. Es war, als ob sie ihn auffressen wollten. Unten tuschelten Benito und Caligula. Der Mobster linste herauf, und von der anderen Seite, oben, glommen die bösartigen Augen Hondos, der Ratte.

Der spitznasige Bursche bewegte sich unter seiner Decke.

Barry riskierte einen vorsichtigen Blick. Unvermittelt sah er das Blinken. Zu spät, um zu reagieren. Hondo hatte das Messer gefunden und blitzschnell an Benito weitergegeben. Und der ließ es im Handumdrehen verschwinden.

Barry wusste, dass er diesmal keine Chance bekommen würde, dem Bastard die Klinge aus der Hand zu schlagen. Ein zweites Mal würden sich weder Benito noch die beiden anderen überrumpeln lassen. Nein, so etwas passierte ihnen nicht zweimal. Unter keinen Umständen. Der Trucker war sich darüber im Klaren, dass er nach seinem Anfangserfolg auf keinen Fall den Fehler begehen durfte, die Hurensöhne zu unterschätzen.

Er musste ganz einfach kleine Brötchen backen.

Er musste versuchen, ihr Vertrauen zu gewinnen. Schließlich war das sein Job. Je eher und je besser er seine Aufgabe erfüllte, desto rascher war er auch wieder raus aus diesem verfluchten Bau. Und dann war Schluss, endgültig Schluss mit den Gefälligkeitsdiensten für Captain Leonard Lovell.

Eine Klingel schrillte durch die Zellentrakte. Der nervenzerfetzende Ton wurde durch Lautsprecher auf eine Lautstärke hochgejagt, die das menschliche Ohr kaum ertragen konnte.

Kaum war die Klingel verstummt, dröhnten Schritte durch den Trakt.

„Aufstehen!“, brüllten die Aufseher. „Haus aus den Kojen! Aufstehen, ihr faulen Hunde! Los, los, bewegt euch!“

Barry schwang sich herunter, wie sie es überall in den Zellen taten.

„Los, nach vorn, ans Gitter!“, zischte Hondo mit der Freundlichkeit jenes Nagetiers, dem er so verteufelt ähnlich sah.

Benito und Caligula grinsten nur.

Barry hatte keinen Grund, den Hinweis für Unsinn zu halten. Denn sie taten es überall, traten vor, an die Gitter, zu einer Art erstem Appell. Also befolgte er die Aufforderung. Er entschied sich für den Platz links in der Ecke, vor den Betten.

Das Bild war kaum anders als am Abend.

Die Aufseher waren so schwerbewaffnet, wie sie es ständig zu sein schienen. Eine Ausnahme von diesem Zustand war offenbar überhaupt nicht mehr vorgesehen.

Barry rieb sich den Schlaf aus den Augen und griff nach den Gitterstäben. Es war eine fast automatische Handbewegung. Alle taten es. Es gab niemanden, der sich nicht so aufbaute wie ein gottverdammter Affe im Käfig. Am Rand seines Blickfelds sah er Hondo und Caligula und wie sie grinsten.

Barry bemerkte noch, dass es ein seltsames Grinsen war.

Seltsam angespannt.

Im nächsten Moment, plötzlich, tauchte Benito neben ihm auf. Barry blieb keine Zeit, sich den Gesichtsausdruck des Mobsters anzusehen und irgendetwas daraus zu folgern.

Denn im selben Atemzug spürte er den Stich.

Barry erstarrte.

Es war kein wirklicher Stich.

Nur das Gefühl einer Klingenspitze auf der Haut. An der rechten Halsseite.

„Seht her!“, rief Benito schneidend. „Seht genau her! Dieser Mann kann jeden Augenblick sterben! Es liegt nur an euch!“

Die Aufseher wussten sofort, dass sie gemeint waren. Seit Tagen und Wochen hatten sie diesen Moment gefürchtet. Und jetzt war er da.

Atemlose Stille kehrte ein.

Auch aus den Zellen ertönte kein Laut.

Und die Uniformierten wagten nicht, auch nur einen Finger zu krümmen. Denn dann würden sie den Tod dieses Mannes dort zu verantworten haben, der gerade gestern eingeliefert worden war.

Barrys Finger um krampften den Gitterstahl, dass seine Knöchel weiß hervortraten.

Benito brauchte seine Stimme nicht mehr zu erheben; er konnte jetzt völlig normal sprechen, und doch verstand jeder, was er sagte. Auch die Aufseher, die am weitesten entfernt waren, am Eingang des Zellentrakts, bei der Sicherheitsschleuse.

„Zur Sache“, sagte der Mobster. „Keiner von uns weiß genau, wer dieser Kerl ist... und vor allem, weshalb er wirklich hier ist. Also hört mir jetzt genau zu, Freunde, falls ihr nicht von selber draufkommt, welche Zusammenhänge sich ergeben! Dieser Typ, der sich Barry Deegan nennt, könnte tatsächlich ein Dealer sein, den sie dazu verknackt haben, uns Gesellschaft zu leisten. Er könnte aber auch ein verfluchter Spitzel sein! In beiden Fällen würde es mir herzlich wenig ausmachen, ihn ins Jenseits zu befördern. Muss ich erklären, warum?“

„Nein“, antwortete einer der Aufseher heiser. Er stand ganz in der Nähe.

„Dann sag es mir“, forderte Benito grinsend. „Komm schon, sag’s mir!“

Der Aufseher gehorchte. Er war ein hart aussehender Mann mit gepflegtem Schnauzbart. „Es spielt für Sie keine Rolle mehr, ob Sie jemanden töten, Benito. Denn Sie wurden sowieso zu zweimal Lebenslänglich verurteilt. Sie würden so oder so niemals mehr aus dem Gefängnis herauskommen.“

„Es sei denn, durch Flucht“, nickte der Mobster. Sein Grinsen war wie eingefroren. „Und in Südamerika soll es ja sehr gastfreundliche Länder geben, habe ich recht? Also steht mir durchaus eine sonnige Zukunft bevor. Und haltet euch immer vor Augen, was ihr euch in den nächsten Minuten auch überlegt: Wenn Deegan ein Spitzel ist, seid ihr für den Tod eines Unschuldigen verantwortlich! Vielleicht ist er sogar ein Undercover-Cop! Das wäre dann noch schlimmer!“

Barry wollte etwas sagen. Doch er versuchte kaum, den Mund aufzumachen, als sich der Druck der Klingenspitze verstärkte.

Benito war auf der Hut, höllisch auf der Hut.

„Nennen Sie Ihre Forderungen“, sagte der Uniformierte.

„Fein“, antwortete Benito. „Dann machen wir’s der Reihenfolge nach. Erst mal legt ihr eure Schießeisen und Knüppel ab. Aber nicht alle auf einmal, sondern einer nach dem anderen! Hier, bei uns, fangt ihr an. Es tritt immer einer vor und packt seinen Kram vor die Zelle in seiner Nähe. Die, die noch nichts zu tun haben, können schon mal Punkt zwei weitersagen: Ich will den Direktor hier haben. Und zwar presto! Damit wären wir dann auch schon bei Punkt drei: Zellen öffnen! Auch das dürft ihr weitersagen. Los jetzt!“

Die Beamten gehorchten.

Jenseits der Sicherheitsschleuse, in der Schaltzentrale, wurde die Verriegelung der Zellentüren gelöst. Metallisch ratternd rollten die Gittertüren zur Seite. Im oberen Stockwerk und im Erdgeschoß hielten Aufseher und Sträflinge den Atem an. Doch die Uniformierten wagten es nicht, ihre Waffen einzusetzen. Denn die Gefangenen im ersten Stock handelten schnell und zielstrebig.

Hondo und Caligula waren die ersten, die sich mit Maschinenpistolen und Schlagstöcken ausrüsteten. Doch innerhalb von Sekunden war auch der Rest der Gefangenen im ersten Stock von Block A bis an die Zähne bewaffnet. Keiner von ihnen beging jedoch den Fehler, sich schon jetzt aus den Zellen herauszuwagen, auf die Gitterroste der Galerie oder gar des Mittelgangs.

Dennoch hatte sich das Blatt bereits entscheidend gewendet.

80 Gefangene, die auf Aldo Benitos Kommando hörten, hatten 24 unbewaffnete Aufseher vor den schussbereiten Läufen.

Und Benito verfügte nach wie vor über seine Geisel, von der nur der Direktor die wahre Identität kannte. Der Mobster hatte sein Behelfsmesser inzwischen gegen eine schwere Automatikpistole eingetauscht, eine Beretta 92F. Die klobige Pistole, die auch Dienstwaffe der Army und vieler Polizeibehörden war, hatte eine Feuerkraft von 15 Schuss. Dagegen war jeder Revolver mit Sechs-Kammer-Trommel hoffnungslos unterlegen.

„Ihr tätet gut daran, dem Direktor die neue Lage durchzugeben“, sagte Benito freundlich. „Es sei denn, er ist schon auf dem Weg. Aber bestimmt hat er ein Walkie-Talkie bei sich. Darauf wird er doch nicht verzichten. Oder?“

Die Gefangenen lachten.

„Er soll wissen, dass wir jetzt 25 Geiseln haben!“, fuhr Benito fort. „Das wird ihn in seinen Entschlüssen beflügeln.“

Die Aufseher gaben die Nachricht nach vorn weiter - mündlich, wie zuvor.

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