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1.4Zusammenfassung erkenntnistheoretischer Grenzen

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Unsere Wahrnehmungs- und Erkenntnisfähigkeiten sind durch viele Vorstrukturierungen geprägt, bevor sie überhaupt in Gang gesetzt werden. Ich habe diese Grundeinstellungen vorangehend mit einem Betriebssystem verglichen. Es gibt nur dieses eine Betriebssystem, das den Rahmen vorgibt. So wie ein Computer durch sein Betriebssystem begrenzt wird, gehen mit dem menschlichen Gehirn bestimmte Dinge und andere gehen nicht. Diese Grundeinstellungen sind die harten Grenzen unserer Wahrnehmungs- und Erkenntnisfähigkeit. Psychologische Mechanismen spielen hier noch keine Rolle. Gerade sie sind es aber, die im vorliegenden Buch im Zentrum stehen. Dazu zählt z. B. unser Hang, Beurteilungen, Prinzipien, allgemein verbreitete oder subjektiv höchst naheliegende und vertraute Meinungen zu verabsolutierten und als allgemeingültig anzusehen. Notwendige Differenzierungen und das Sowohl-als-auch bleiben auf der Strecke. Das hat kleine oder große Katastrophen zur Folge. Damit verwandt sind all die bequemen, naheliegenden und sowohl bei einzelnen Menschen als auch bei ganzen Gesellschaften verbreiteten typischen psychologischen Urteilsfehler. Bei ihnen geht es oft darum, der gefühlten Wahrheit den Vorzug gegenüber der Wahrheit zu geben, die durch das Potenzial der eigenen Vernunft eigentlich erkannt werden könnte. Die Konsequenzen für die Praxis sind ähnlich verheerend.

Bei diesen psychologischen Mechanismen lässt sich eine Verbindung zu philosophischen Erkenntnistheorien erkennen. Auch dort und somit schon in der Grundstruktur unseres Erkenntnisprozesses angelegt ist die Tendenz, Erkenntnisse über die Welt mit eigenen Projektionen in diese Welt zu verwechseln. So ist das, was der Mensch als vermeintliche Wahrheit in der Welt erkennt, oft nichts anderes als das, was und wie er selber denkt. Die vermeintliche Wirklichkeit gleicht dann einem Spiegel, in dem einem die eigene Person in neuem Gewand entgegentritt. Der Mensch sieht in dem, was er in der Welt erkennt, nur sich selbst, geht aber davon aus, dass er Eigenschaften der Dinge dieser Welt erkennt. Dass wir darauf hereinfallen, ist aber nicht zwangsläufig. Denn wir haben gute Gründe anzunehmen, dass den Erscheinungen ein »Ding an sich« zugrunde liegt, auch wenn es uns in einem objektiven Sinne stets verborgen bleiben muss.

Zugespitzt formuliert: Dass uns ein Auto von A nach B bringt, dass wir mit absoluter Zuverlässigkeit prognostizieren können, dass ein Apfel, der sich vom Baum löst, nicht zum Himmel steigt, sondern zu Boden fällt, spricht dafür, dass vieles, was die Vernunft erkennt, in der Praxis gut funktioniert und seine Nützlichkeit für den Umgang mit der Welt, in der wir leben, unter Beweis stellt.

Es wird noch davon die Rede sein, dass sowohl die Aufklärung als auch die Vernunft als ihr zentrales Instrument immer wieder stark kritisiert und in ihrem Nutzen infrage gestellt wurden. Nun ist aber unsere Vernunft – zum Beispiel basierend auf unseren Sinneswahrnehmungen – das einzige Instrument, das uns gegeben ist, um Dinge zu erkennen, einzuordnen, zu verstehen und Urteile zu bilden. Etwas anderes haben wir nicht. Sie ist trotz ihrer naturgegebenen Limitationen und Schwachstellen auch gar nicht so schlecht und hat in der Menschheitsgeschichte doch einiges Brauchbares hervorgebracht. Wir haben also guten Grund, uns ihrer mit einigem Zutrauen in ihre Fähigkeiten zu bedienen.

Mit diesem Buch ist die Hoffnung verbunden, dass die Leser für sich aus der Lektüre einen praktischen Nutzen für den Umgang mit eigenen Wahrnehmungs- und Erkenntnisfähigkeiten generieren können. Damit ist mein tiefer Glaube verbunden, dass wir mit all unseren erkenntnistheoretischen Limitationen und den Grenzen unserer Erkenntnismöglichkeiten wirklich sehr viel erreichen und verbessern können. Dafür ist es nützlich, wenn uns die wichtigsten Fallstricke bekannt sind und wir sie umgehen können – vielleicht nicht immer, aber zumindest ab und zu.

Darwin schlägt Kant

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