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Entscheidung

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Hanna hätte nicht sagen können, wie lange sie ohnmächtig gewesen war. Als sie wieder zu sich kam, lag sie auf einer Liege. Jemand hatte eine warme Decke über sie gelegt.

Nur langsam, dafür aber um so eindringlicher kehrte die Erinnerung zurück. Das Feuer! Der Junge! Hanna schoss mit vor Schreck geweiteten Augen in die Höhe.

»Es ist alles gut! Bleiben sie liegen!«, versuchte eine weibliche Stimme sie zu beruhigen.

»Der kleine Junge?«

»Ihm geht es gut. Er ist bei seiner Mutter.«

Beruhigt ließ Hanna sich wieder auf das Lager sinken. Ihr Hals schmerzte und die Augen tränten. Der beißende Geruch von Rauch hing schwer über allem und kratzte unangenehm in ihrer Kehle. Schlimmer als das waren jedoch ihre Gedanken, die förmlich Sturm liefen: Niemand anderes als ihr Bruder war für all das hier verantwortlich.

Gequält schloss Hanna die Augen. Wie konnte er nur? Sie traute ihm einiges zu, aber dies überstieg selbst ihr Fassungsvermögen. Eine Träne bahnte sich ihren Weg und hinterließ einen hellen Streifen in ihrem Ruß geschwärzten Gesicht.

»Geht es ihnen besser?«, hörte sie Rafaels warme Stimme fragen.

Hanna nickte, ohne die Augen zu öffnen. Vor lauter Scham wäre sie am Liebsten im Boden versunken.

»Wir sind ihnen so dankbar«, hörte sie in weitersprechen, während in ihr alles nur Stopp!, schrie. Nicht weiter! Nicht weiter reden! Bitte! Es war mein Bruder. Er hat das alles zusammen mit seinen Freunden getan. Ach, hätte ich ihm heute morgen nur das Geld gegeben, als er mich auf der Treppe darum bat, dann wäre das alles nicht passiert. Dann wäre Karl nie und nimmer mit ihnen aneinandergeraten. Auch wenn das bedeuten würde, dass ich sie nie im Leben kennengelernt hätte … Ich wünschte, ich könnte die Uhr zurückdrehen. Glauben sie mir bitte. Ich wollte das nicht ... Aber Hanna schwieg, während Rafael weiter fort fuhr: »… Mein Vater ist auf dem Weg zur Polizei. Im Grunde genommen ist es vertane Zeit. Letztlich werden sie sie nicht finden. Sie finden sie nie! So ist es immer!« Die letzten Worte waren bitter und hart aus seinem Mund gekommen.

»Es tut mir Leid, dass sie so etwas erleben mussten.« Seine Hand umfasste Hannas warm und weich. »Und wir werden ihnen nie genug dafür danken können, dass sie meinem kleinen Neffen das Leben gerettet …«

»Nein!«, brach es heiser aus ihr heraus. »Nein! Sie dürfen so etwas nicht sagen! Ich …«

»Bitte, Hanna!«, unterbrach er sie. »Ich darf sie doch mit ihrem Vornamen anreden, oder?«

Verwirrt nickte sie und wollte erneut ansetzten, aber Rafael ließ sie nicht zu Wort kommen.

»Ich glaube, das Ganze war zu viel für sie. Trotzdem würde ich sie jetzt gerne nach Hause begleiten. Natürlich nur, sofern sie sich in der Lage fühlen, schon aufzustehen ... Es ist besser so, glauben sie mir. Wenn erst die Polizei hier sein wird …«

Hanna nickte, zuckte aber im gleichen Augenblick zusammen, als lautes Wehklagen an ihr Ohr drang: »Kalia ist Tod.«

Mit Schrecken fiel ihr die Frau ein, die als lebende Fackel an ihr vorbeigelaufen war. »Die Frau …, das Feuer …, sie …?«

Bleich im Gesicht half Rafael ihr auf und sagte stattdessen: »Kommen sie! Es wird Zeit.«

Taubenjahre

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