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Friedemann Wendler bricht der Schweiß aus.

Das Telefon klingelt.

Er überlegt, ob er sich einmischen soll. Vielleicht wäre es hilfreich zu versuchen, den Mann in ein Gespräch über seine Ziele zu verwickeln, ihm eine Basis zur Selbstdarstellung zu geben. Sozusagen ein Rednerpodest. Wenn er darüber sprechen könnte, was ihn antreibt, könnte das eine psychische Entlastung bewirken. Eventuell gar eine Solidarisierung der Geiseln mit ihm und seiner Motivation herbeiführen. Stockholmsyndrom, Reaktion auf das Ausgeliefertsein und die Bindung der Schicksale der Geiseln an den Erfolg des Täters, denkbar.

Unbewusst zählt er mit.

Zehn Klingeltöne.

Die folgende Stille ist schier unerträglich.

Der Mann sieht unbeteiligt über seine Gefangenen hinweg. Scheint zu warten. Friedemann Wendler weiß, worauf. Wie erwartet, beginnt das Läuten erneut. Ruhig tritt der Geiselnehmer neben die Frau in der ersten Reihe, dreht sie mit der Schuhspitze auf den Rücken, presst die Waffe auf den Brustkorb und drückt ab. Das geht so schnell, dass der Psychiater vor Schreck die Luft anhält, als ihm klar wird, dass er den zweiten Mord mit angesehen hat. Kaltblütig. Nur von fern erkennt er, dass mehrere Geiseln genötigt werden, den Leichnam vor der Tür abzulegen. Erneut ein Stück Dreck, denkt er. Menschenleben sind für diesen Mann bedeutungslos. Zwei Tote, mahnt seine innere Stimme, zwei – und du hast zugesehen, bist nicht bereit, dich einzubringen! Und draußen hat der Mann auch schon um sich geschossen – womöglich gab es dabei auch Opfer. Und er selbst denkt darüber nach, wie ein vollkommen mit sich selbst beschäftigter, handlungsunfähiger Psychiater hier helfen soll. Weiß, dass er dazu fit sein müsste – und das ist er nicht, wird er nie mehr sein. Also schweigt er.

Beobachtet, wie der Geiselnehmer immer wieder gebannt auf den Monitor seines Laptops starrt.

Feueralarm.

Unruhe entsteht. Doch der Mann mit der Waffe bleibt demonstrativ entspannt.

Friedemann Wendler bemerkt die Ruhe, den gleichmäßigen Atem, die Selbstsicherheit oder gar Arroganz des Geiselnehmers, bewertet es. Er ist sicher, dass er nur wegen der Sturmmaske nicht sehen kann, wie ein geringschätziges Grinsen die Lippen des Mannes umspielt. Der Kerl ist genau der Typ dafür. Wendler versucht aus alter Gewohnheit zu verstehen, mit wem er es hier zu tun hat.

Vielleicht eine Chance. Ein kleine. So ist er wenigstens nicht ganz und gar nutzlos.

Er liegt wie alle anderen auf dem Bauch und versucht, ein Bestandteil des Laminatmusters zu werden. Schämt sich seiner Unfähigkeit. Kommunikation mit Intention ist ihm nicht möglich, aber …

Seine dem Täter abgewandte Hand sucht sich wie ferngesteuert einen Weg in die Sakkotasche. Findet das Telefon. Die Finger lösen einen Anruf aus. Er zieht sie zurück, die Hand kehrt an den Platz neben seiner Hosennaht zurück.

Die junge Frau neben ihm hat alles gesehen. Er sucht Blickkontakt zu ihr, will ihr zu verstehen geben, dass er sehr genau weiß, was er tut und dass es ihnen helfen wird, hier lebend rauszukommen. Da es schwierig ist, so einen komplexen Text nur durch Blicke zu vermitteln, ist ihm nicht klar, ob sie ihn verstanden hat.

Immerhin – sie schreit nicht.

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