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Kämpfe mit Gutachtern

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Als ich zum ersten Mal in die örtliche ME/CFS-Selbsthilfegruppe kam, steckte ich noch im Studium und hatte damit von arbeitsrechtlichen Vorgängen keine Ahnung. Das erste Wort, das ich in seiner Tiefe verstehen lernte, war das Wort „Gutachter“. Ungefähr die Hälfte der Gruppenmitglieder war in irgendein Verfahren verwickelt, das ihnen die Anerkennung als Kranke sichern sollte, dessen Endziel ihre finanzielle Grundversorgung darstellte. Die einen mussten zum Gutachter der BfA (Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, heute Deutsche Rentenversicherung), die anderen zum Amtsarzt und eine zusätzlich noch zur Berufsgenossenschaft, weil es sich um eine Vergiftung am Arbeitsplatz handelte.

Immer wieder erzählten sie hinterher frustriert, dass ihnen nicht geglaubt worden sei. Ich fand es ziemlich offensichtlich, dass wir alle ganz schön krank waren, aber Sparzwänge sind besonders leicht umzusetzen, wenn Patienten eine umstrittene Diagnose haben – ganz egal, wie schlecht ihr Zustand ist. Irgendwann hatten es die meisten von ihnen geschafft, wenigstens für die nächsten Jahre. Doch die Kämpfe haben unglaublich viele Nerven gekostet. Meinen ersten eigenen Gutachtertermin hatte ich auf dem Sozialamt, nachdem ich einen Antrag auf Anerkennung einer Behinderung gestellt hatte. Immerhin war ich schon seit einigen Jahren Rollstuhlbenutzerin. Die Arztberichte, die ich eingereicht hatte, klangen ebenfalls stichhaltig und so bekam ich eine Einladung zur Untersuchung auf dem Versorgungsamt.

Insgeheim dachte ich, dass es eigentlich nicht so schwierig sein dürfte, die Gutachter von meiner Bedürftigkeit zu überzeugen. Doch was dann folgte, glich den bekannten Geschichten: „Machen Sie doch mal diese und jene Bewegung.“ Natürlich konnte ich das, und ich erklärte der Amtsärztin, dass ich nicht funktionell eingeschränkt sei, sondern im Kräftepotenzial. Ich hatte mir ein paar prägnante Beispiele überlegt, um meinen normalen Tagesablauf mit seinen Begrenzungen zu schildern. Außerdem stand das ja alles schon in den Berichten meiner behandelnden Ärzte. Doch nichts konnte sie beeindrucken. Am Ende riet sie mir noch, öfter die Treppe zu meinem Zimmer im dritten Stock auf und ab zu gehen.

Schließlich wurde ich mit einem Behinderungsgrad von 30 % abgespeist – was einem nichts nützt außer einer winzigen Erhöhung des Steuerfreibetrags (den man erst einmal erreichen muss). Mein Folgeantrag zwei Jahre später, in dem ich noch meine chronischen Wirbelsäulenprobleme anführte, hievte mich dann auf phänomenale 40 %. Arbeitsrechtlich interessanter wird es erst ab 50 % und für den ersehnten Parkausweis hätte ich 100 % mit zusätzlicher schwerer Gehbehinderung gebraucht. Das wird für mich wohl mein Leben lang unerreichbar bleiben und so heimse ich mir immer wieder mal das ein oder andere „Knöllchen“ ein.

Viele machen die schockierende Erfahrung, dass offizielle Gutachter gar nicht das wirkliche Ausmaß der Erkrankung wissen wollen, sondern vor allem darauf aus sind, Simulanten zu entlarven. Dazu sind sie in geschickten Fragetechniken geschult, die einen verwirren und dazu bringen sollen, Dinge zu sagen, die man eigentlich nicht sagen wollte. Ein Psychologe, selbst an ME/CFS erkrankt, gab uns in einer anderen Selbsthilfegruppe den strikten Rat, auf Gegenwehr, Argumentation und Aufregung aller Art zu verzichten. Die Logik hinter der Strategie der Gutachter erklärte er uns so: „Wer sich noch ärgern kann, kann so krank nicht sein.“

Wie ein Schmetterling im Käfig

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