Читать книгу Ein Findelkind und eine bedrohte Liebe: Wildbach Bergroman Sammelband 3 Romane - Friebel G. S. - Страница 10
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Während Johannes Troller unten im Laubengang stand und sein Pfeifchen rauchte, stand seine Frau, die Agnes, oben auf dem Söller und blickte ins Tal. Wieder einmal hatte sie die unbewohnten Stuben gelüftet. Manchmal hatte sie das Gefühl, das Haus sei eine Gruft, so still war es da drinnen. Und eine Gänsehaut lief ihr über den Körper. Sie geriet ins Nachdenken. Das war nicht gut, brachte Weh und Schmerz mit sich. Ihr Mann hatte recht, wenn er sagte, wir müssen vergessen. Alles was uns lieb ist, aus dem Herzen reißen. Damit meinte er Margaretha, sein einziges Kind. Nun war sie schon drei Jahre fort. Sein Herz war zu Stein geworden. Das Unglück hatte begonnen, als dieser Musiker unten im Färberhof ein Zimmer bezogen hatte. Ein Urlauber sei er, sagte er zu den Dörflern. Margaretha hatte ihn geliebt! So wie sie als Kind immer alles erhalten hatte, so glaubte sie, auch den Mann zu bekommen, den sie begehrte. Dem Mann schmeichelte es natürlich. Und Margaretha war ja schön. Ein wundervolles Paar waren sie, alle im Dorf sagten es. Und dann sah der Mann das viele Geld im Hintergrund. Das konnte man wirklich nicht ausschlagen. Und er brauchte nichts dafür zu tun, nur die Margaretha zur Frau nehmen.
Aber ihr Vater stellte ein hartes Nein davor. Einen Musiker könne er auf dem Hof nicht gebrauchen. Margaretha müsse einen Bauern heiraten. Und fremdes Blut, das würde nie gutgehen.
„Vater, ich will nur ihn, und sonst keinen anderen!“, hatte sie mit flammenden Augen gerufen. „Du kannst mich nicht umstimmen. Ich will ihn.“
„Nein!“, hatte er gedonnert. „Ich werde es nit zulassen, dass sich meine Tochter so wegwirft. Du bist jung und noch nicht volljährig. Ich werde das zu verhindern wissen. In deine Kammer werde ich dich einsperren. Du verlässt mir nicht mehr den Hof, und wenn, dann nur in Begleitung deiner Mutter.“
„Du kannst mich nicht zwingen“, hatte sie gesagt.
Er hatte sie nur böse angesehen. Und dann hatte sie es mit Schmeicheln versucht. So hatte sie ihn immer herumgekriegt. Aber diesmal war er hart geblieben. Und als sie das merkte, rief sie wild: „Wir gehen fort, Vater. Auch ohne deinen Segen, hörst du!“
Da hatte er sie angeblickt, lange und fest.
„Wenn du das tust, dann ist für immer meine Tür für dich verschlossen, Margaretha, dann habe ich keine Tochter mehr. Und du wirst auch keinen Pfennig von mir bekommen. Enterben werde ich dich auf der Stelle.“
Aber Margaretha hatte nur hell aufgelacht.
„Geh, Vaterl, so grausam bist du nicht zu deiner Tochter.“
„Wenn ich einmal nein sage, dann bleibt es dabei, Margaretha“, hatte er ernst geantwortet.
Am nächsten Morgen war dann ihre Kammer leer gewesen. Fort waren sie. Alle beide. Aus der Fremde hatte sie dann nach einem Jahr geschrieben und um Geld gebeten. Johannes hatte den Brief zerrissen und seiner Frau verboten, hinter seinem Rücken der Tochter zu schreiben oder Geld zu schicken.
Alle im Dorf wussten darum. Und heimlich war bei ihnen die Schadenfreude am Werk. Musste er sich jetzt nicht beugen? Der stolze Troller? Ein Mann ohne Erbe! Er wurde still und ein herber Zug lag um seine Lippen.
Agnes spürte, wie sehr er litt. Auch jetzt, nach all so vielen Jahren, litt er noch unter dem Weggang der Tochter. Vielleicht, wenn sie zum Schein nachgegeben hätte, und wenn sie nicht fortgelaufen wäre, vielleicht hätte er dann in eine Heirat eingewilligt. Aber dass sie das Vaterhaus wie eine Diebin verließ, um dem fremden Mann anzugehören, das konnte er ihr nicht vergessen.
Seither hörten sie auch nichts mehr von ihm. Nirgends wurde sein Name als Sänger erwähnt. Und die Tochter schrieb auch nicht mehr. Wahrscheinlich war sie schon gestorben. In der Fremde, allein, einsam.