Читать книгу Ein Findelkind und eine bedrohte Liebe: Wildbach Bergroman Sammelband 3 Romane - Friebel G. S. - Страница 17

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Florian sagte zu den Höferleuten Vater und Mutter. Für ihn waren sie das auch. Er liebte sie, und die kleine Hütte war sein Zuhause. Er vermisste nichts. Immer trug er einen hübschen Janker und gute Hosen. Dafür sorgte schon die Tante Agnes, wie er die Trollerin nannte.

Er war ein rechter Sausewind und hatte immer Dummheiten im Kopf. Heuer sollte er in die Schule kommen.

Als Florian mit den Dorfbuben zusammenkam, wurde er heftig geneckt und geärgert. Man hatte noch nicht vergessen, wie er nach Auffach gekommen war. Florian hatte ein sonniges Gemüt und war zu allen herzlich. Er lachte und sang den ganzen Tag.

Aber eines Tages erzählten ihm zwei Buben: „Du bist ein Findelkind, Florian. Jawohl. Wir haben richtige Eltern, du aber nicht. Dich hat man einfach gefunden.“

Zuerst war er verblüfft und lachte.

„Was ihr nit immer habt.“

„Bestimmt, es ist wahr. Du kannst uns glauben. Mein Vater hat gesagt, bestimmt bist du ein Bastard.“

Florians Lippen zitterten. Zwar hatte er das Wort noch nie gehört. Aber wie die Buben es sagten und dabei grinsten, das konnte er nicht haben.

„Ich habe wohl einen Vater und eine Mutter. Ihr seid gemein, so etwas zu mir zu sagen. Ihr, kennt sie alle.“

Seine kleine Seele konnte das nicht erfassen. Warum waren sie auf einmal so hässlich zu ihm?

„Das sind doch bloß deine Zieheltern.“

Sie saßen am Dorfbrunnen. In diesem Augenblick kam der junge Achenbauer vorbei. An der Hand führte er seine kleine Tochter Regina. Sie war fünf Jahre. Egbert blieb stehen und musterte den Knaben.

„Bist du nicht der Florian?“

„Ja, ich bin der Florian Höfer“, sagte der Knabe.

„So groß bist du schon geworden. Wie doch die Zeit vergeht.“

Regina stand an der Hand des Vaters und sah Florian an.

„Er ist halt ein Fremder“, sagte der Vater und ging weiter.

„Hast du es gehört?“, fragten die Buben. „Der Achenbauer weiß es auch. Alle im Dorf wissen sie, dass du ein Findelkind bist. Nur du nit. Wie dumm du doch bist!“

Da hielt es der Knabe nicht mehr aus. Er rannte davon, so schnell ihn seine kleinen Beinchen trugen. Schluchzend kam er daheim an.

Agnes weilte auch zufällig bei Herta. Sie hatte für den Buben neue Hosen gebracht. Wenn er jetzt in die Schule kam, sollte er anständig aussehen. So erlebte sie nun den Schmerz des kleinen Buben mit. Ganz aufgelöst warf sich dieser in die Arme von Herta und weinte bitterlich.

„Aber Bub, was hast du denn? Hast du Schmerzen, oder was ist los? So kenn ich dich ja gar nit.“

„Mutter, die Buben im Dorf ...“ Aber dann brach ihm die Stimme, und er konnte nicht weiter.

Die beiden Frauen sahen sich stumm an.

„Junge, Florian, so sprich doch endlich!“ Herta nahm sein Gesicht in beide Hände und schaute ihn liebevoll an. „Was haben die Buben dir getan?“

Die großen dunklen Augen schwammen in Tränen. Seine Lippen zitterten, er konnte kaum die Worte formen.

„Sie haben gesagt, ich sei ein Findelkind und du meine Ziehmutter. Aber das ist doch nicht wahr. Sie wollen mich nur ärgern. Du bist meine Mutter, und ich hab doch auch einen Vater. Dann haben sie noch gesagt, ich sei bestimmt ein Bastard. Ich weiß nicht, was das ist, aber sie haben es so bös gesagt und dann gelacht. Mutti, die Buben lügen doch, nicht wahr?“

Von Schmerz und Kummer überwältigt barg er seinen Kopf in Hertas Schoß. Wehe Schluchzer drangen durch die Stille. Agnes lief es ganz kalt den Rücken entlang. Natürlich hatten sie vorgehabt, eines Tages dem Kind die Wahrheit zu sagen. Aber doch nicht so früh und auf so gemeine Art und Weise. O diese Dörfler! Sie konnten ihren Mund nicht halten. Was sie sich in den Stuben erzählten, das hörten natürlich ihre Kinder und gaben es weiter.

Agnes hatte tiefes Mitleid mit dem Buben. Seit sie fühlte, dass die Tochter wohl nie mehr heimkam, war er ihr noch mehr ans Herz gewachsen. Sie wusste auch nicht warum. Aber mit einer stillen Zärtlichkeit hing sie an diesem Kind. Und auch Johannes hatte es schon heimlich bereut, dass er es damals fortgegeben hatte. Nun konnte man es nicht wieder entwurzeln. Für den Kleinen waren die Höfers die Eltern. Aber nun war seine kleine heile Welt zusammengebrochen.

„Mutter, Mutter, so sag doch etwas“, schluchzte der Knabe. Er hob den Kopf, und die Tränen rannen ihm über das Gesicht.

„Was soll ich nur tun?“, flüsterte Herta und sah Agnes an.

„Wir müssen ihm jetzt die Wahrheit sagen, Höferin. Es bleibt uns keine Wahl. Hätte ich das nur vorausgeahnt, so hätten wir das schon früher getan.“

„Ich kann es net, ich bring es nicht übers Herz“, stammelte die alte Frau.

„Ich werde mit ihm reden“, erklärte die Trollerin tapfer. „Florian, Bub, komm einmal zu mir. Ich will dir etwas sagen.“

Florian sah Tante Agnes an. Sie hatte so liebe Augen, aber jetzt hatte sie ein ganz trauriges Gesicht. Und plötzlich wusste sein kleines Herz, die Jungen hatten nicht gelogen.

Agnes nahm den verstörten Buben auf ihren Schoß und erzählte ihm dann seine traurige Geschichte. Aber sie sprach mit so viel Liebe, dass er sich langsam beruhigte. Und sie sagte ihm auch, dass die Herta und der Urban ihm wie richtige Eltern liebhätten. Die Buben im Dorf sollten ruhig klatschen und ihn auslachen. Er wisse es ja jetzt besser. Alles würde so bleiben wir früher.

„Aber meine richtige Mutter“, flüsterte das Kind. „Wo ist sie? Warum hat sie mich einfach fortgetan?“

„Wir wissen es nicht, kleiner Florian. Darum dürfen wir ihr auch nicht böse sein. Glaube mir, mein Kind, ihr ist es bestimmt schwergefallen, und sie hat es nur getan, damit du es besser hast. Bestimmt litt sie Not und konnte dir nichts mehr zu essen geben. Darum hat sie dich ausgesetzt. Du darfst nicht böse sein, hörst du.“

Florian legte sein Köpfchen an die Schulter von Agnes Troller. So saßen sie eine ganze Weile und blickten in den Abendhimmel. Herta saß am Tisch und betrachtete dieses Bild. Der Knabe war wieder ganz ruhig.

„Jetzt können die Buben mich ruhig auslachen“, sagte er leise. „Ich hör gar nit mehr hin. Sie sind dumm“, setzte er hinzu.

„Ja“, sagte Agnes. „Dumm sind sie.“

„Wenn sie wieder davon anfangen. dann laufe ich einfach davon. Jetzt weiß ich nämlich, dass ihr mich alle liebhabt, und das ist gut.“

Agnes lächelte.

„Du bist ein tapferer Bub, Florian. Ich hab meine helle Freude an dir. Mach nur so weiter, und du eroberst dir noch die Welt.“

Er rutschte vom Schoß herunter und ging zur Herta und gab ihr einen Kuss. Dann lief er durch die Tür hinaus auf die Wiese. Dort warf er sich der Länge nach hin und blickte in den Himmel. Ganz hoch oben schwebte ein Adler.

„Jetzt brauchen wir keine Angst mehr zu haben, Herta“, sagte Agnes weich.

„Wie hab ich mich vor dieser Aussprache gefürchtet“, sagte die Höferin. „Immerzu hab ich daran denken müssen. Jetzt weiß er es, und ich bin froh, dass du hiergewesen bist.“

Agnes stand auf.

„Ich muss jetzt wieder heim. Die Zeit vergeht immer so schnell.“

Ein Findelkind und eine bedrohte Liebe: Wildbach Bergroman Sammelband 3 Romane

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