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1. Philebos

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Der Dialog Philebos kreist um die zentrale Frage der Verhältnisbestimmung von Lust und Wissen. Im Gespräch mit Protarchos und Philebos formuliert Sokrates sodann die These, dass Lust und Wissen nur in einer Mischform für ein gutes Leben von Bedeutung sein können. Denn ein Leben ohne Vernunft weiß nichts von der Lust am Leben, und umgekehrt wäre ein rein vernünftiges Leben reinweg empfindungslos.55 Für den philosophisch gestimmten Menschen ergibt sich daher in Bezug auf die Lust die Frage, in welchem Verhältnis zur Wahrheit stehen die gegensätzlichen Werte von „wahr“ und „falsch“, die Platon ausdrücklich der geäußerten Vorstellung bzw. Meinung (dóxa = δόξα) zuschreibt?56 Platons Antwort lautet: Nur die richtige Ordnung des Denkens vermag diese Frage zu klären: der Vorrang der Vernunft vor der natürlicherweise unbegrenzten Lust. Nur auf diese Weise wird ein Leben in die Wahrheit eingebunden. Dieser Vorrang erweist sich indes in der rein erschlossenen Erkenntnis, dass die unvermischte und reinste Lust der größten und höchsten Lust vorzuziehen ist.57 Gewonnen wird diese Erkenntnis über eine mathematisch erschlossene Verhältnisbestimmung von Lust und Vernunft. Ist doch der Mathematik nach Platon die höchste gedankliche Reinheit und Klarheit eigen. Zudem eröffnet die Mathematik die Erkenntnis von selbstständigen und intelligiblen Wesenheiten als Objekt.58 Im weiteren Gespräch führt Sokrates seinen Dialogpartner Protarchos zu der Einsicht, dass die mathematischen Wissenschaften im Verhältnis zu den verschiedenen Künsten die genauesten sind:

„Und es sei gesagt, daß sich diese Künste schon sehr vor den anderen auszeichnen, daß sich aber unter ihnen selbst diejenigen mit dem Antrieb des wahrhaft wissenschaftlich Interessierten durch Genauigkeit und Wahrheit in den Maßen und Zahlen noch gewaltig hervortun.“59

Hier begegnet ein bisher nicht zum Ausdruck gebrachter dialektischer Gedanke, dass nämlich dem menschlichen Leben eine durch Zahlen erschließbare Ordnung von Lust und Vernunft zugehört. Dem entspricht das natürliche Vermögen der menschlichen Seele, das reine Wahre zu lieben und alles um seinetwillen zu tun.60 So ist für Platon die Genauigkeit des mathematischen Denkens ein sicherer Erkenntnisweg, der Wahrheit am nächsten zu kommen. Denn im mathematischen Denken ist das Verhältnis von Wahrheit und Genauigkeit, und darum von unbegreiflicher Reinheit, idealtypisch erfasst. Das aber bekommt der Seele gut. So kommt Protarchos nicht umhin festzustellen,

„daß man schwerlich einer anderen Wissenschaft oder Kunst zubilligen darf, daß sie sich mehr an die Wahrheit halte als diese.“61

Am Ende des Dialoges wird dann der Gedanke entfaltet, wie Schönheit, Wahrheit und Mäßigkeit im Verhältnis von Lust und Vernunft zum Stehen kommen. Die Antwort liegt für Platon auf der Hand. Da die reine Lust jedweder Vernunft entbehrt, verspricht die Lust mehr zu geben als sie faktische geben kann und betrügt aufschneiderisch den Menschen um sein Seelenwohl.62 Hingegen wird die vernünftige Einsicht im hohen Maße als ganz bei der Wahrheit seiend erkannt.

„Einsicht aber ist entweder dasselbe wie Wahrheit oder dann das, was ihr am allerähnlichsten und damit am wahrsten ist.“63

Dementsprechend ist ein vernünftiges Leben auch ein wahrhaftiges Leben, das sich in der Ordnung des einsichtig richtigen Denkens erschließt.

Platon und Christus

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