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3. Die Gesetze

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Der Dialog Die Gesetze (oder Gesetzgebung) ist Platons umfangreichstes und zugleich letztes Werk. Ein namenloser Athener, der Spartaner Megillos und der Kreter Kleinias beraten sich während einer Wanderung über die Fragen nach der besten Staatsform und der Gesetzgebung. Dabei kommen auch Probleme der Philosophie und der Theologie, der Geschichte, der Pädagogik und des Rechts zur Sprache. Der Dialog beabsichtigt im Rückblick auf die Schrift Der Staat die Gründung einer zweitbesten Stadt, in der die Herrschaft nicht durch weise Philosophen, sondern durch gerechte Gesetze begründet ist. Die in dieser Stadt wohnenden 5040 Bürger sind alle gleich und ihre Erziehung hat sich nach dem Maß der Verwirklichung der Tugend und einer einheitlich religiösen Überzeugung auszurichten. Demnach werden alle menschlichen Dinge in folgender Ordnung gelenkt: 1. von Gott, 2. vom göttlichen Zufall und 3. vom menschlichen Können. Demgemäß ist nicht der Mensch, sondern das Göttliche das Maß aller Dinge.70 Insofern liegt es Platon daran, ein frommes und gerechtes Leben zu beschreiben, das sich an der Wahrheitsliebe orientiert. Hierzu freilich greift Platon als Erziehungsmittel auch die pädagogische Lüge auf. Darunter ist eine Redeweise zu verstehen, die den noch Wahrheitsunkundigen mit einer Lüge insofern täuscht, als mithilfe dieser Lüge sein Denken und Sinnen dann doch der Wahrheit an sich zugeführt werden soll.

„DER ATHENER: Und nehmen wir auch an, daß sich das nicht so verhalten sollte, wie es unsere Untersuchung jetzt ergeben hat: könnte wohl ein Gesetzgeber, der auch nur ein wenig etwas taugt, wenn je er sonst sich erlaubt hätte, in guter Absicht den jungen Leuten eine Unwahrheit zu sagen, jemals eine nützlichere Lüge vorgebracht haben und eine, die besser dazu geeignet war, sie alle zu veranlassen, alles, was gerecht ist, nicht unter Zwang, sondern freiwillig zu tun?

KLEINIAS: Etwas Schönes, Fremdling, ist die Wahrheit, und etwas Dauerhaftes; es scheint jedoch nicht leicht zu sein, ihr Geltung zu verschaffen.“71

Ziel dieser pädagogischen Lüge ist demnach, die Schönheit und Unumstößlichkeit der Wahrheit hervorzuheben, ein Geschehen, das freilich nicht leicht zu gewinnen ist. Einzig die schöne Mühe des zur Wahrheit hinführenden Lernens kann hier Abhilfe schaffen. So lässt Platon den Athener sagen:

„Und auch das Lernen soll von der Anmut, also von der Lust begleitet sein; die Richtigkeit aber und den Nutzen und was es Gutes und Schönes daran hat, das soll dabei die Wahrheit zustande bringen.“72

Die Wahrheit wird demnach Wirklichkeit im Erlernen eines tugendhaften und frommen Lebens, das sowohl dem Einzelnen als auch der Stadt (Polis) von Nutzen ist. Denn ein tugendhafter und gottesfürchtiger Mensch wird jede Lüge zu seinem eigenen Vorteil und zum Schaden anderer meiden. Darum ist auch die Selbstliebe die Quelle aller Fehltritte, weil man sich hierbei höher als die Wahrheit schätzt.73 Und umgekehrt gilt ein Leben aus der Wahrheit als löblich und tugendhaft. So lässt der Athener das Lob der Wahrheit erklingen:

„Allen Gütern geht die Wahrheit voran, bei den Göttern sowohl wie bei den Menschen; an ihr müßte gleich schon von Anfang an derjenige Anteil haben, der glücklich und gesegnet sein will, damit er eine möglichst lange Zeit als wahrhafter Mensch verbringen kann. So ist er dann vertrauenswürdig.“74

Die Wahrheit ist demnach sowohl für die Götter als auch für die Menschen das höchste Gut und gewährt ein glückseliges Leben in Schönheit, Richtigkeit, Tugend und einem guten Ruf.75 Aufgabe des Gesetzgebers ist es darum, für dieses Leben als das Schönste und Wahrste Sorge zu tragen.76 Und so kommt Platon am Ende seiner Ausführungen zur abschließenden Bemerkung,

„daß diejenigen, die wirklich und wahrhaft Wächter der Gesetze werden wollen, nicht nur die Wahrheit über diese Dinge wirklich kennen, sondern auch fähig sein sollten, sie mit Worten zu erklären und mit ihren Taten zu befolgen, indem sie genau beurteilen können, welche Handlungen ihrem Wesen nach gut sind und welche nicht.“77

So verwundert es nicht, dass Platon nicht nur von den Verantwortlichen, sondern von allen Bewohnern der Stadt (Polis) ein frommes, tugendhaftes Leben, ein Leben aus der Haltung der Wahrheit erwartet.

Diese Lebenskunst führt Platon auch in seinem zweiten Brief aus.78 In diesen greift Platon seine politischen Erfahrungen im Umgang mit Dionysios II. und Dion auf.79 Unter Bezugnahme auf die Wahrheit führt Platon dann gegenüber Dionysios aus, dass die menschliche Seele alles in seiner Beschaffenheit zu ergreifen und verstehen sucht. Dabei geht die Seele solange in die Irre, als sie hierbei nur das ihr Verwandte, nämlich das Unvollkommene, in Betracht nimmt. Solch ein menschliches Suchen ist darum irrendes Suchen. Das aber ist aller Übel Grund und Ursache. Nur eine geläuterte Seele, befreit vom Wehenschmerz der Selbstsuche, wird zum Grund und zur Ursache von allem gelangen: zur Wahrheit.80

Platon und Christus

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