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Nous und wahre Einsicht:
Xenophanes

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Festmachen lässt sich das unter anderem an dem Fragment 24 des Xenophanes (ca. 580/577–485/480), in welchem er von Gott sagt: „Ganz sieht er, ganz denkt er, ganz hört er“.30 Für Kurt von Fritz ist der eigentliche Sinn dieses Fragments „ganz klar“,31 nämlich „daß der nóos Gottes die Wahrheit über Ereignisse und Situationen und ihre Bedeutung nicht durch das Medium besonderer Organe des Sehens, Hörens usw. erfaßt“, sondern dass dieser Gott ganz Nóos, ganz ‚Denken‘ ist.32 Beim Menschen nun, so geht des Weiteren aus den erhaltenen Fragmenten des Xenophanes hervor, ist der Nous, der auf wahre Einsicht aus ist, in seiner Reichweite verglichen mit der des göttlichen Geistes bei weitem beschränkter und, wie Xenophanes offenbar überzeugt ist, etwas eher Seltenes, also etwas, über das beileibe nicht alle Menschen verfügen. Das freilich bringt die Konsequenz mit sich: All diejenigen, denen es an auf wahre Einsicht gerichtetem Geist mangelt, bleiben in ihren subjektiven Meinungen, bleiben in ihrer Doxa gefangen. Dennoch – und das ist ein neuer Gedanke, der hier bei Xenophanes wohl zum ersten Mal in der europäischen Geistesgeschichte Gestalt gewinnt – findet sich bei ihm eine Perspektive, wie die Menschen sich selbst aus dem bloß scheinhaften Wissen, der Doxa, befreien und besseres, zuverlässigeres, klareres Wissen gewinnen können. In dem als Nummer 18 gezählten Fragment heißt es nämlich: „Die Götter haben den Sterblichen nicht von Anfang an alles offenbart, sondern erst nach und nach finden diese suchend das Bessere“.33 „Hier“, so kommentiert Snell dieses Fragment, „taucht der neue Gedanke auf, daß die Menschen durch eigenes Forschen sich ihr Können und Wissen erwerben, daß sie, wenn sie auch nicht zur völligen Einsicht kommen, doch immer Besseres aufspüren können“. 34

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