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Militärische Erfolge, politische Konsolidierung und Waffenstillstand (1589–1609)

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Allmählich kristallisierten sich in der jungen Republik die neuen Machtverhältnisse heraus. Theoretisch waren diese Verhältnisse klar. Da die Provinzialstände die Souveränität an sich gezogen hatten, bestand die Republik aus sieben souveränen Staaten. Die Generalstände waren das föderale Organ, in dem die sieben Staaten zusammenkamen und in dem jede Provinz hinsichtlich der gemeinsamen Angelegenheiten ein Vetorecht besaß. Hier wurde über Außenpolitik und Krieg entschieden, und auch in Inlandsangelegenheiten entwickelten sich die Generalstände – ohne dass dies formal festgelegt wurde – zu einer wichtigen Einrichtung. Auf dem Papier war jede Provinz gleichberechtigt, in der Praxis gab Holland in den Generalständen den Ton an. Es bezahlte nahezu zwei Drittel der Kriegsaufwendungen, dort wurde auch das meiste Geld verdient, und es war von Anfang an die einzige Provinz, die gänzlich frei von spanischen Truppen war. Das bedeutete, dass das eigentliche Machtzentrum der Republik bei den Ständen von Holland lag und damit bei den achtzehn Städten und Repräsentanten der Ritterschaft dieser Provinz. In den Ständen von Holland liefen in der Anfangszeit der Republik alle Fäden bei Oldenbarnevelt zusammen, der, wie es der Historiker Ben Knapen mit modernen Begriffen umschrieben hat, Premier-, Finanz- und Außenminister in einer Person war. Das Machtzentrum lag im Binnenhof in Den Haag. Dort tagten die Generalstände, und dort kamen auch die Stände von Holland zusammen.

Als sich die Republik in den 1590er Jahren konsolidierte, umfassten die Generalstände also sieben Mitglieder, und es wurden demnach auch sieben Stimmen abgegeben. Dies geschah in einer festen Reihenfolge: Gelderland, Holland, Zeeland, Utrecht, Friesland, Overijssel und Groningen. Nicht in den Generalständen vertreten war die Provinz Drenthe, und das galt auch für die später eroberten Gebiete in Brabant, Flandern und dem heutigen Limburg. Diese Gebiete wurden als Generalitätslande bezeichnet und unmittelbar von Den Haag aus regiert. So stark die Position Hollands auch war, das Regieren der Republik war nicht mit harter Hand aus dem Zentrum heraus möglich: Beraten, sich fügen und anpassen – der Weg zur Entscheidungsfindung war immer einer des Verhandelns. Wer diese Kunst nicht beherrschte, kam beim Regieren der Republik nicht weit, so der Historiker van Deursen.

Mit den ersten Erfolgen und der Konsolidierung der Republik ist neben dem Namen Oldenbarnevelt auch der von Moritz von Nassau (1567–1625) unauflöslich verbunden. Moritz war siebzehn, als sein Vater, Wilhelm von Oranien, ermordet wurde. Im Jahr 1585 ernannten ihn die Stände von Holland und Zeeland zu ihrem Statthalter, unter anderem um zu verhindern, dass Leicester zu viel Macht an sich zöge. Im Gegensatz zu seinem Vater, der sowohl in politischer als auch in militärischer Hinsicht die Führung innegehabt hatte, hatte Moritz nur den militärischen Befehl. Der Oberbefehl lag bei den Generalständen und damit faktisch bei Holland und Oldenbarnevelt. Allerdings baute Moritz seine Position aus, indem er 1590–1591 auch die Statthalterschaft von Utrecht, Gelderland und Overijssel erhielt. Gemeinsam mit seinem Vetter Wilhelm Ludwig von Nassau (1560–1620), Statthalter von Friesland und später auch Groningen, erzielte er in den 1590er Jahren bemerkenswerte militärische Erfolge (Karte 4). Das lag nicht nur an der Atempause, die die Republik durch die übrigen Kriegsfronten Philipps II. erhielt, sondern auch an der Professionalisierung des Militärwesens unter Moritz und Wilhelm Ludwig. Sie modernisierten die Organisation und Befehlsstruktur des Heeres und systematisierten die Militärstrategien. Erfolgreich und international renommiert waren vor allem die planmäßigen und sorgfältig vorbereiteten Belagerungen von Städten. Ob der Begriff »militärische Revolution« nun zutreffend ist oder nicht, so ist doch in jedem Fall sicher, dass das Heer der Republik durch diese Entwicklungen über einige Jahrzehnte hinweg die Militärschule Europas schlechthin war.


Karte 4: Wiedereroberungen durch die Republik 1590–1607

Die Jahre 1588–1598 waren die Periode, in der der Aufstand entscheidend an Terrain gewann. Der erste große militärische Erfolg war die Eroberung Bredas im Jahr 1590, spektakulär durchgeführt, indem man Soldaten in einem Torfkahn in die Stadt hineinschmuggelte. Auf Breda folgten rasch andere Städte im Osten und Norden, und die Republik erhielt, sieht man vom heutigen Limburg und dem Osten Brabants ab, ungefähr schon die Grenzen der heutigen Niederlande. 1594 konnten Groningen und das Umland als siebte Provinz zum Bestandteil der Republik werden. Ende 1595 riss diese Erfolgssträhne u. a. durch finanzielle Probleme ab, aber Spanien hatte nicht mehr die Kraft zu einer Gegenoffensive. Der Krieg gegen Frankreich verschlang viel Geld, und 1596 ging Philipp II. zum dritten Mal nach 1557 und 1575 bankrott. Daneben verbuchte die Republik durch Oldenbarnevelts diplomatisches Manövrieren ihren ersten wichtigen außenpolitischen Erfolg. Mit England und Frankreich wurde 1596 der sogenannte Drievoudig Verbond geschlossen, ein Dreierbündnis, welches sich gegen Spanien wandte. Nicht, dass es tatsächlich zum gemeinsamen Auftreten kam, aber es bedeutete doch eine weitere Einschränkung der spanischen Möglichkeiten und bot der Republik einen wichtigen Zeitgewinn für die eigene Konsolidierung.

International betrachtet hatte die Republik also das Glück auf ihrer Seite, aber der Erfolg jener Jahre war auch durch die gute Zusammenarbeit zwischen Oldenbarnevelt als politischem Führer und Moritz und Wilhelm Ludwig als Statthaltern und militärischen Befehlshabern ihrer Provinzen begründet. Oldenbarnevelt spielte in der Stärkung der Position des zwanzig Jahre jüngeren Moritz von Anfang an eine wichtige Rolle, und sie ergänzten einander über einen langen Zeitraum hinweg ausgezeichnet. Auch in der späteren Republik sollten die Funktionen des Statthalters und Ratspensionärs von Holland, wie der Landesadvokat ab 1621 heißen sollte, von zentraler Bedeutung bleiben. Nicht selten gerieten dabei Statthalter und Ratspensionär miteinander in Konflikt, wobei – abhängig vom persönlichen Charakter beider Akteure, von den internen Machtverhältnissen in der Republik und von der externen Position – der eine oder der andere die Macht an sich zog. Auch Moritz und Oldenbarnevelt würden sich später in einer heftigen Konfrontation gegenüberstehen, was 1619 sogar zur Enthauptung Oldenbarnevelts führen sollte. Auf diesen und andere eskalierende Konflikte wird im folgenden noch eingegangen werden. Hier geht es zunächst um die globale Positionierung beider Funktionen.

Wie bereits erläutert, war das Amt des Statthalters ursprünglich das des Vertreters des Landesherrn. Nach dessen Verschwinden blieb das Amt jedoch bestehen, denn die Stände, als die neuen Inhaber der Souveränität, ernannten auch weiterhin Statthalter. Bereits im späten 16. Jahrhundert entstand der Brauch, dass die Provinzen Holland, Zeeland, Utrecht, Overijssel und Gelderland denselben Statthalter einsetzten, ein Brauch, der auch für Groningen und Friesland galt. Die Nachkommen Wilhelms von Oranien waren in der Regel Statthalter in den fünf erstgenannten Provinzen, die Abkömmlinge seines Bruders Jan von Nassau übernahmen das Amt in den nördlichen Provinzen. Die Kompetenzen der Statthalter waren je nach Provinz unterschiedlich, aber überall hatten sie als Generalkapitän der Truppen den höchsten militärischen Rang. In den westlichen Provinzen hatte der Statthalter darüber hinaus großen Einfluss bei der Ernennung der lokalen Führungsleute. Allerdings blieben sie, trotz ihrer hohen Abstammung und ihrer Machtbasis in Heer und Flotte, formal den Ständen untergeordnet, die sie ernannt hatten. Das galt auch für den Ratspensionär, der in Holland nach dem Statthalter der höchste Beamte in der Provinz war. Auch er konnte sich zu einem mächtigen Mann entwickeln, ob ihm dies aber gelang, hing stark von seinem Charakter und den Umständen ab. Stärker als der Statthalter musste er Ansehen und Gewicht selbst verdienen, und im Gegensatz zu diesem blieb er in der Republik lediglich der Repräsentant der stärksten Provinz, was zu Spannungen mit den anderen Provinzen führen konnte.

Das potentielle Spannungsfeld zwischen dem Statthalter Moritz und dem Landesadvokaten Oldenbarnevelt sollte erst während des »Zwölfjährigen Waffenstillstands« (1609–1621) zu tiefgreifenden Konflikten führen. In den 1590er Jahren stellten sie – gemeinsam mit Wilhelm Ludwig – die ideale Kombination dar, die die frühe Republik für ihr Weiterbestehen nötig hatte. Auf die Eroberungen aus der ersten Hälfte dieses Jahrzehnts folgten diplomatische Erfolge. Als Frankreich 1598 Frieden mit Spanien schloss und auch England den Kampf gegen Spanien einzustellen drohte, konnte Oldenbarnevelt Frankreich zu einer weiteren heimlichen Unterstützung der Republik bewegen und England vom Frieden mit Spanien abhalten. Das waren Verhandlungsergebnisse von Format, und niemand in der Republik bewegte sich auf internationalem Parkett mit der Leichtigkeit und dem Prestige Oldenbarnevelts. Durch diese Vereinbarungen mit Frankreich und England verhinderte er, dass auch die Republik Frieden mit Spanien würde schließen müssen oder territorial in die Defensive geraten würde.

Um 1600 stand ein Friedensschluss für die Republik noch nicht auf der Tagesordnung. Es war undenkbar, dass Spanien bereit sein würde, die Souveränität der Provinzen anzuerkennen, und auch in der Religionsfrage war noch keine Lösung in Sicht. Spanien verlangte eine Wiederherstellung der alten Rechte der katholischen Kirche, während die Calvinisten weiterhin für sich selbst das Monopol forderten. Auch aus innenpolitischen Erwägungen war der Frieden für die Republik noch nicht attraktiv. Dafür waren die internen Spannungen zwischen und in den Provinzen noch zu groß, Spannungen, die wahrscheinlich zum Ausbruch kommen würden, sobald der äußere Feind von der Bildfläche verschwunden wäre.

Der Tod Philipps II. im Jahr 1598 änderte wenig am Antagonismus zwischen Spanien und der Republik. Kurz vor seinem Tod hatte Philipp II. noch seine Tochter Isabella mit dem herrschenden Landvogt in Brüssel, Albert von Österreich (einem Bruder des deutschen Kaisers), verkuppelt und ihr die Siebzehn Niederlande als Mitgift mitgegeben. Mit der Acte van Afstand zog er sich formal aus den Niederlanden zurück, aber die neuen Machthaber in Brüssel blieben finanziell und militärisch von Spanien abhängig. Die jahrzehntelange Verkörperung des Feindes war gestorben, der Krieg ging jedoch unvermindert weiter.

Auf Betreiben Oldenbarnevelts unternahm die Republik 1600 sogar eine Expedition an die flämische Küste, wo Kaperschiffe von Dünkirchen aus der holländischen Schifffahrt viel Schaden zufügten. Darüber hinaus hoffte Oldenbarnevelt durch einen solchen Feldzug die flämische Bevölkerung zum Aufstand gegen Brüssel zu bewegen. Moritz und Wilhelm Ludwig hatten für ein derartiges militärisches Abenteuer nichts übrig, weil dadurch das Gebiet der Republik selbst unzureichend verteidigt zurückbliebe und sie die Risiken einer Umzingelung im Süden fürchteten. Mit großem Widerwillen zog Moritz nach Flandern, wo er 1600 knapp die Schlacht bei Nieuwpoort gewann, kurz darauf aber unverrichteter Dinge wieder zurückkehrte. Die Schlacht bei Nieuwpoort sollte sich als Wendepunkt erweisen. Hätte Moritz verloren und wäre er gefangen genommen worden, wäre auch die Republik selbst in Gefahr geraten. Nun war die Republik mit knapper Not davongekommen. Darüber hinaus war deutlich geworden, wo die Grenzen der republikanischen Ambitionen lagen, und dass der Süden sich außerhalb dieser Grenzen befand. Oldenbarnevelt hatte zu hoch gepokert, und Moritz hatte recht behalten. Damit war »Nieuwpoort« auch der erste große Makel in der Beziehung zwischen dem vorsichtigen Moritz und dem eher Risiken eingehenden Oldenbarnevelt. Es geht zu weit, hier schon den Anfang für die späteren tiefgreifenden Konflikte zu sehen, aber das gegenseitige Vertrauen war beschädigt. Als Oldenbarnevelt kurz darauf eine neue Expedition in den Süden vorbereitete (die allerdings nicht zustande kam), verschlechterte das weiterhin die Beziehung.

Die folgenden Jahre standen für die Republik vor allem im Zeichen des Schutzes des eigenen Territoriums, wobei die spanische Seite es verstand, die Initiative wieder stärker an sich zu ziehen. Nach Frankreich (1598) hatte inzwischen auch England (1604) Frieden mit Spanien geschlossen, so dass die Republik nun alleine dastand. Der Wegfall der internationalen Unterstützung, ausbleibende militärische Erfolge, Geldmangel und Kriegsmüdigkeit – es gab viele Faktoren, die nun für die Aufnahme von Friedensverhandlungen sprachen. Von einer Einheitsfront für den Frieden konnte man aber auf republikanischer Seite nicht sprechen. Im Nordosten wollte man, dass die Invasionen und Plünderungen durch spanische Soldaten aufhörten, die Mehrzahl der holländischen Städte und Friesland erwarteten vom Frieden wirtschaftliche Vorteile, und auch Oldenbarnevelt steuerte auf Friedensverhandlungen zu. Zur »Kriegspartei« gehörten Moritz und Wilhelm Ludwig, die fürchteten, dass das katholische Spanien den Frieden lediglich als Atempause missbrauchen würde, und auch Amsterdam und die Provinz Zeeland wollten kein Ende des Krieges. Dennoch kamen Anfang 1608 Verhandlungen in Gang, aber die Standpunkte hinsichtlich der Souveränität und der Religionsfrage lagen zu weit auseinander, um zu einem tatsächlichen Frieden zu gelangen. Darüber hinaus forderte Spanien, dass die Republik den Handel mit Niederländisch-Ostindien einstellen und Pläne zur Gründung einer Westindien-Kompanie auf Eis legen solle.

Mehr als ein Waffenstillstand war dann auch nicht drin. Im April 1609 wurde vereinbart, den Krieg für zwölf Jahre zu unterbrechen und man fand sich in der befristeten Akzeptanz des Status quo. Mit Blick auf die Souveränität der sieben Provinzen wurde festgelegt, dass diese »für immer« anerkannt werden solle, wobei die Republik dies als »ewig« interpretierte und Spanien als »für die Dauer des Waffenstillstands«. An der Handelsschifffahrt nach Niederländisch-Ostindien wurde nicht gerüttelt, allerdings versprach die Republik, während des Waffenstillstands keine Westindien-Kompanie zu gründen. Die Republik behielt für ihr Territorium auf religiösem Gebiet die vollständige Verfügungsgewalt, erreichte jedoch nicht, dass im Süden Gewissensfreiheit für Protestanten gewährt wurde. Auch sollten die spanischen Truppen im Süden bleiben. Soweit die Genter Pazifikation nicht schon lange durch die faktischen Machtverhältnisse überholt war, implizierte der Waffenstillstand eine weitere Zementierung der Tatsache, dass der Norden und der Süden auseinandergefallen waren.

Der Waffenstillstand begann im Frühjahr 1609 und sollte, so die Vereinbarung, bis 1621 dauern. In diesen Jahren sollte das Zerwürfnis zwischen Moritz und Oldenbarnevelt, die während der Waffenstillstandsverhandlungen entgegengesetzte Meinungen vertreten hatten, seinen dramatischen Höhepunkt erreichen. Die Gegensätze zwischen ihnen spitzten sich dermaßen zu, dass die Republik in diesen Jahren sogar an den Rand eines Bürgerkriegs geriet.

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