Читать книгу Geschichte der Niederlande - Friso Wielenga - Страница 13

Eine wirtschaftliche Großmacht im Entstehen

Оглавление

Die wirtschaftliche Potenz der im Entstehen begriffenen Republik ist im Vorhergehenden bereits kurz thematisiert worden. Dabei ist auf die sich selbst verstärkende Dynamik des Bevölkerungswachstums, der Urbanisierung, der Zunahme von Gewerbe und Industrie und der Kommerzialisierung von Landwirtschaft, Viehzucht und Fischerei hingewiesen worden. Zu dieser Dynamik gehörte auch das Wachsen eines Handelsnetzwerks, in dem sich Antwerpen zum Zentrum des sogenannten »reichen Handels« entwickelt hatte und Amsterdam zum Stapelmarkt für Getreide und Holz aus dem Ostseeraum sowie für Wein und Salz aus Frankreich und der iberischen Halbinsel geworden war. Gerade in einer Zeit, in der sich der ökonomische Schwerpunkt vom Mittelmeer nach Nordwesteuropa und zum atlantischen Raum verschob, profitierten die Niederlande in hohem Maße von ihrer Lage am Schnittpunkt der Nord-Süd- und der Ost-West-Routen von Handel und Schifffahrt. Zugleich trugen sie selbst durch wirtschaftliche Expansion erheblich dazu bei, dass sich dieser Schwerpunkt in den Nordwesten verschob.

Ein wichtiger Impuls für die sich selbst verstärkende ökonomische Dynamik war der Getreideimport gewesen. Der Beginn dieser Entwicklung lag im spätmittelalterlichen Anstieg des Meeresspiegels und der Torfgewinnung in den Niederlanden. Dadurch wurde der Boden sumpfig und für den Getreideanbau ungeeignet. Bereits im 15. Jahrhundert hatten Amsterdamer Kaufleute baltisches Getreide importiert, und im 16. Jahrhundert entwickelte sich Amsterdam zum Zentrum des europäischen Getreidemarkts. Dadurch gab es in den Niederlanden fast immer ausreichend Vorräte für den eigenen Verbrauch. Dies zog weitere Veränderung in der Agrarproduktion nach sich. Gartenbau- und Industriepflanzen wie Hanf, Flachs und ölhaltige Saaten kamen auf, und an anderen Standorten wurde aus Ackerboden Weidegrund mit Viehzucht. Die einander verstärkenden Faktoren wie Urbanisierung, wachsende Absatzmärkte, Bevölkerungszunahme, Wachstum von Industrie und Gewerbe und steigende Preise sorgten für eine lukrative agrarische Differenzierung. Durch den Aufstand und die militärischen Konfrontationen in den 1570er Jahren wurde dieses Wachstum vorübergehend unterbrochen, aber nach dem Verschwinden der Kriegsgewalt aus Holland nahm diese günstige Entwicklung im Westen ihren Fortgang. Eine lange Periode der Prosperität begann und legte die wirtschaftliche Basis für das kommende Goldene Jahrhundert. Anders war die Lage im viel weniger fruchtbaren Osten des Landes, wo es unter anderem durch die viel länger andauernde und wiederholt auflebende Kriegsgewalt nur zu einem bescheidenen Wachstum kam.

Die Nachfrage nach den eigenen landwirtschaftlichen Produkten war in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts bereits so gestiegen, dass im wasserreichen Holland ein Landgewinnungsprozess eingesetzt hatte, der seinerseits wieder Bestandteil des dynamischen ökonomischen Wachstumsprozesses war. Der Kampf gegen das Wasser war lange ein defensives Gefecht gegen Überschwemmungen gewesen. Nun wurde aber in zunehmendem Maße Land gewonnen, wodurch nicht nur die landwirtschaftliche Produktion gesteigert werden konnte, sondern auch eine technische Entwicklung einsetzte, die die Republik auf dem Gebiet des Mühlenbaus an die unangefochtene Spitze führte. Schon um die Mitte des 16. Jahrhunderts hatte die Zahl der entwässerten Hektar Land stark zugenommen. Nach einem vorübergehenden Rückgang in den ersten Jahrzehnten des Aufstands sollten die Aktivitäten zur Landgewinnung nach 1590 verstärkt fortgesetzt werden (Karte 6).

Ein Teil der Landgewinnung wurde durch die sogenannte Vermoorung zunichte gemacht, das Abgraben der Moore zum Zweck der Torfgewinnung, wodurch im tiefer gelegenen Teil der Niederlande kleinere und größere Torfseen entstanden. Diese Torfgewinnung, die im Mittelalter schon sehr umfangreich gewesen war, wurde im 16. Jahrhundert ausgeweitet und durch technische Verbesserungen intensiviert, was dazu führte, dass die Energieversorgung verhältnismäßig billig war. Ein zusätzlicher Vorteil der Torfgewinnung war, dass sowohl im Westen als auch im Norden ein verzweigtes Kanalsystem entstand, das das Transportnetzwerk erheblich vergrößerte und seinerseits wiederum zum Wirtschaftswachstum beitrug. Wie auch bei der Landgewinnung handelte es sich hier um beträchtliche, von den Städten ausgehende Investitionen, die unter anderem durch die Konfiszierung von Grundbesitz der katholischen Kirche in den aufständischen Provinzen ermöglicht worden waren. Nachdem die Provinz Groningen 1594 zu einem Teil der Republik geworden war, wurden beispielsweise ausgedehnte Klostergüter enteignet, woraufhin sich Investoren für eine lukrativere Torfgewinnung in verschiedenen Torfmoorgesellschaften zusammenschlossen.

Diese Konfiszierungen, die nach 1588 auch den im Süden lebenden königstreuen Hochadel betrafen, hatten zur Folge, dass sich noch mehr Land in den Händen von Städtern konzentrierte. In Holland besaßen die Städter schon seit längerem umfangreichen Grundbesitz, und hier übertraf der städtische Grundbesitz im 16. Jahrhundert schon den von Adel und Klerus. In dieser städtischen Dominanz spiegelte sich noch ein weiterer Faktor wider, der für die ökonomische Entwicklung in diesem Teil der Niederlande von großer Bedeutung war: Das Fehlen einer starken feudalen Tradition und der hohe Urbanisierungsgrad trugen dazu bei, dass sich eine offene und frühbürgerliche Gesellschaft entfalten konnte. Unabhängigkeit, Individualität und Rationalität gehörten nach Meinung der Wirschaftshistoriker Jan de Vries und Ad van der Woude damit schon zur Zeit der Republik zum holländischen mentalen Muster.

Durch den Aufstand verstärkte sich diese städtische und bürgerliche Dominanz noch weiter. Die katholische Geistlichkeit spielte keine Rolle mehr, und vom Hochadel – im Norden ja schon seit alters her nicht zahlreich vertreten – waren nur die Häuser Oranien-Nassau und Nassau-Dietz übriggeblieben. Auch der niedere Adel hatte zahlenmäßig und hinsichtlich seines Einflusses Einbußen hinnehmen müssen, obwohl seine Position in den östlichen Provinzen wie Gelderland und Overijssel verhältnismäßig stark geblieben war.

Das bedeutete, dass der Aufstand die Überlegenheit der Städte weiter begünstigte, was besonders in Holland gut sichtbar war. In den holländischen Ständen fand zur Zeit des Aufstands eine Neuordnung der Repräsentanz statt, die dazu führte, dass von den 19 Mitgliedern 18 Plätze (zuvor 6) für ebenso viele Städte reserviert waren und lediglich einer für die Ritterschaft (zuvor ebenfalls ein Platz). In den östlichen Provinzen nahmen die Städte ungefähr die Hälfte der Sitze ein, so dass man insgesamt von einer starken Machtstellung der Städte in der gesamten Republik sprechen kann. Berücksichtigt man, dass es sich um eine relativ große Zahl von Städten handelte, um kurze Distanzen, gute Verbindungen und eine starke ökonomische Vernetzung von Stadt und ländlichen Gebieten, dann kann es nicht verwundern, dass das oben skizzierte moderne städtische Kulturmuster nicht an den Stadttoren haltmachte, sondern zum Teil auch in ländlichen Regionen wahrnehmbar war. Allerdings gilt es dabei immer zu bedenken, dass es große Unterschiede zwischen den wohlhabenden Provinzen im Westen und den viel ärmeren Provinzen im Osten gab.

Ein wichtiger Faktor im Wirtschaftswachstum war die Heringsfischerei, deren Zentrum ebenfalls in Holland lag. Außer für den eigenen Markt wurde in erster Linie für den Export in das Baltikum und in die deutschen Länder gefischt, der nach einer Flaute in den 1570er und 1580er Jahren ab den 1590er Jahren überaus stark anstieg und in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts auf einem beispiellos hohen Niveau blieb. Diese günstige Entwicklung – der Salzhering aus den Niederlanden errang auf dem westeuropäischen Markt eine Monopolstellung – basierte auf einer Kombination von Faktoren. Durch den Einsatz größerer Schiffe konnten die Fischer weiter fahren und mit größeren Fängen zurückkehren. Zugleich vollzog sich ein Prozess der vertikalen Integration, der den Fang, die Verarbeitung und den Handel zusammenführte, wodurch die Unternehmen in einem wirtschaftlich vorteilhaften Jahreszyklus arbeiten konnten. Dies alles machte größere Investitionen sowie Koordination und Überwachung erforderlich, und auch das gab es alles in den holländischen Städten. Damit war die Heringsfischerei bereits vor 1600 zu einem wichtigen Wirtschaftszweig geworden, der in dieser Zeit schätzungsweise über rund 450 Schiffe (Heringsbüsen) verfügte – und für positive Schneeballeffekte in Bezug auf andere Branchen, unter anderem Schiffsbau, Salzsiederei, Räucherei, Packerei und Handel, sorgte. Neben der Heringsfischerei, die auch als große Fischerei bezeichnet wurde, gab es die sogenannte kleine Fischerei (u. a. Kabeljau) und – ab Anfang des 17. Jahrhunderts – der ebenfalls wichtige, sich aber erst um 1650 explosionsartig entwickelnde Walfang (Öle, Fette).

Charakteristisch für das spektakuläre Wirtschaftswachstum, das sich ab ca. 1580 bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts vollzog, war die Verzahnung von Faktoren, die einander wechselseitig verstärkten und eine ökonomische Differenzierung und Verflechtung zur Folge hatten. Sie waren im internationalen Vergleich einmalig und verhalfen der Republik zu ihrem Goldenen Zeitalter. Die Kommerzialisierung von Ackerbau und Fischfang wurde auch durch das Bevölkerungswachstum begünstigt: Um 1560 lebten in den Niederlanden 40 % mehr Menschen lebten als um 1500. Der Aufstand und die militärische Konfrontation brachten diese Entwicklung zum Stillstand, aber im Norden setzte das Wachstum Mitte der 1580er Jahre wieder ein. Es wurde spektakulär durch die bereits erwähnte Emigration aus dem Süden, die schätzungsweise bei 100 000 bis 150 000 Personen lag, wenn auch nicht alle diese Emigranten in den nördlichen Niederlanden blieben. Besonders im Westen und im Norden nahm die Bevölkerung zu, es lebten hier um 1650 dreimal so viele Menschen wie im Jahr 1500. Auf die gesamte Republik bezogen hatte sich die Bevölkerungszahl verdoppelt.

Der Import von Arbeitskräften, Know-how und Kapital aus dem Süden beschleunigte das Wirtschaftswachstum der Städte ab ca. 1580 enorm und war ein wichtiger Impuls für die frühe Industrie und das Gewerbe. Mit der Verlegung wichtiger Teile der südniederländischen Textilindustrie nach Leiden entwickelte sich diese Stadt zum wichtigsten europäischen Industriezentrum, und Haarlem sollte zur zweitgrößten Textilstadt der Republik heranwachsen. Die Ökonomie der Niederlande wurde, so der Historiker van Deursen, zu einer hollandozentrischen Ökonomie. Enteignete Klöster wurden als Arbeitsstätte und Wohnraum zur Verfügung gestellt. Auch die großen Getreidevorräte und der im Überfluss vorhandene Hering sorgten für eine relativ problemlose Aufnahme der Neuankömmlinge, die angesichts ihres Wissens und ihrer Erfahrung vor allem in der rasch wachsenden neuen Industrie Arbeit fanden. Wie gut das zunehmende Arbeitsangebot aufgegriffen werden konnte und wie sehr es mit einer sich steigernden Produktion einherging, zeigt auch die Tatsache, dass in Holland die Reallöhne ab 1590 stark anstiegen und das Lohnniveau höher war als in den übrigen Provinzen und den Nachbarländern.

Auch der Schiffsbau spielte in diesem Wirtschaftswachstum eine wichtige Rolle und stimulierte seinerseits wieder andere Gewerbezweige. Die Modernisierung der Heringsfischerei wurde auch durch den Bau der oben erwähnten Heringsbüsen ermöglicht, und für die Frachtschifffahrt kam es 1595 mit der Konstruktion der sogenannten Fleute zu einem wichtigen Durchbruch. Dieser Schiffstyp bot alles, was man sich für die Expansion in Handel und Gewerbe wünschte: Das Schiff hatte mehr Ladekapazität als die bis dahin existierenden Frachtschiffe, es segelte schneller, war stabiler, und durch diese besseren Segeleigenschaften konnte es auch noch mit einer kleineren Besatzung auskommen. Konnte man mit den traditionellen Schiffen zweimal im Jahr in die Ostsee fahren, so war das mit der Fleute drei- bis viermal möglich. Ein zusätzlicher Vorteil des Schiffes war, dass es durch seine bauchige Form ein relativ kleines Deck hatte, weshalb für die Fahrt durch den Sund weniger Zoll gezahlt werden musste. Die Konstruktion der Fleute war ein spektakulärer technologischer Durchbruch, und Holland (vor allem die Zaan-Region und Amsterdam) wurde zur Schiffswerft Europas. Auch die Entwicklung der Holzsägemühlen – womöglich die ökonomisch wichtigste technische Innovation dieser Zeit – spielte dabei eine große Rolle. Dass mit dem sich ausweitenden Schiffsbau überdies der Holzimport stark zunahm, der wiederum für den Ostseehandel bedeutsam war, zeigt noch einmal, wie groß die Verflechtung der verschiedenen ökonomischen Sektoren war.

Vervollständigt wird diese Verflechtung durch die Entwicklungen im Handel und die bessere Abstimmung von Transport, Verarbeitung, Lagerung und Verkauf, also die Logistik. Holland – und hier vor allem Amsterdam – entwickelte sich zu einem Umschlagplatz, der durch seine angelegten Vorräte auf Bestellung Güter in die entlegensten Winkel Europas (und darüber hinaus) liefern konnte. In Amsterdam lief darüber hinaus viel Know-how über die internationalen Märkte zusammen. Nicht zuletzt auf der Grundlage derartiger Kenntnisse entstand ein stabiles und verlässliches Distributionssystem, mit dem die Republik die internationale Konkurrenz abschüttelte und sich zur Welthandelsmacht Nummer eins entwickelte. Bereits vor dem Aufstand hatte sich Amsterdam durch die Schifffahrt ins Baltikum und den Getreidehandel zu einem wichtigen europäischen Handelszentrum entwickelt. In den 1560er und 1570er Jahren war diese Entwicklung vorübergehend unterbrochen gewesen, aber ab den 1580er Jahren setzte ein spektakuläres Wachstum ein, und der niederländische Gütertransport im Ostseeraum verdoppelte sich bis 1620.

Nach der Sperrung der Schelde im Jahr 1585 und mit der Ankunft der Immigranten aus dem Süden wurde Holland darüber hinaus zum Zentrum eines neuen Netzwerks von Handelsrouten, das mit dem Mittelmeerraum, Afrika, Asien und der Neuen Welt nahezu alle Kontinente umfasste. Damit übernahm Amsterdam von Antwerpen auch die zentrale Stellung im sogenannten »reichen Handel« (hochwertige, teure Produkte), und so ging die Ausweitung des Handelsaktionsradius auch mit einem ungeheuren Wachstum des Sortiments an gehandelten Gütern einher, zu dem auch die fortschreitende Entwicklung von Gewerbe und Industrie und die Kommerzialisierung von Landwirtschaft und Viehzucht beitrugen.

Sosehr Amsterdam auch von den aus dem Süden stammenden Kaufleuten, ihrem Kapital, ihren Kontakten und ihrem Wissen profitierte, setzte sich nicht einfach das fort, was in Antwerpen praktiziert worden war. Es ist auch zu kurz gegriffen, wenn man behauptet, Amsterdam habe sich lediglich infolge des Niedergangs von Antwerpen zum wichtigsten internationalen Handelsknotenpunkt entwickeln können. Vielmehr handelt es sich hier um eine multikausale Entwicklung, bei der bereits existierende Faktoren, wie ein flexibles Angebot an Schiffsraum, niedrige Transaktionskosten und ein effizient arbeitender Markt durch die politische Kraft und Unabhängigkeit verstärkt werden konnten, die die Republik in jenen Jahren erwarb. Gerade dadurch, so die Wirtschaftshistoriker de Vries und van der Woude, war Amsterdam besser gerüstet als ihre Rivalen, um die sich ändernden Bedürfnisse des internationalen Markts zu befriedigen.

Eine zentrale Stellung in diesem weltumspannenden Netzwerk nahm die Verenigde Oost-Indische Compagnie (VOC, Vereinigte Ostindien-Kompanie) ein, die 1602 auf Initiative Oldenbarnevelts gegründet wurde. Sie war die Basis für das spätere große Kolonialreich, das den Namen Niederländisch-Ostindien tragen sollte. Die Gründung der VOC folgte auf den Durchbruch des »reichen Handels« in den nördlichen Niederlanden, zu dem auch Kolonialwaren gehörten und der den Drang steigerte, mit einer eigenen Handelsflotte gen Osten zu fahren. Überdies wurde die Republik von einem neuerlichen spanischen Handelsembargo getroffen und musste – vom Verlust eines großen Anteils am Handel mit Kolonialwaren bedroht – mehr als zuvor selbst aktiv werden. So fuhren Kaufleute aus der Republik nach Asien, um die Produkte selbst vor Ort zu kaufen.

Um 1600 bedienten von verschiedenen holländischen Städten aus acht Kompanien die Route nach Asien, aber dieses Übermaß an Aktivität verlangte nach einer stärkeren Koordination. Das vorrangige Ziel der VOC war dann auch die Bündelung von Kräften, die die Konkurrenz (vor allem Portugal, aber auch England) ausschalten und die durch eine Kontrolle des Transports und der Preise den internationalen Pfeffer- und Gewürzhandel beherrschen sollte. Damit war die VOC ein wichtiger Faktor im Kampf gegen Spanien – und für seine Finanzierung. Die Generalstände übertrugen der neuen Organisation das Monopol auf die niederländische Schifffahrt und den Handel mit Asien und verliehen ihr gleichzeitig das Recht, Truppen zu unterhalten, Kriegsschiffe auszurüsten und in Asien politische Verantwortung zu tragen.

Der Aufbau der VOC spiegelte die politische Struktur der Republik mit ihren autonomen Städten und ihrem ausgewogenen System von Verhandlungen und Machtteilung wider, in dem sowohl die lokalen Interessen als auch die des größeren Ganzen zusammenfanden. Geführt wurde die Kompanie von den sogenannten Heren XVII, die die Investoren vertraten, aber auch die Balance zwischen den sechs Kammern der beteiligten Städte halten mussten, die nicht nur Partner, sondern auch potentielle Rivalen waren. Mehr als die Hälfte des Startkapitals stammte aus Amsterdam, aber mit acht der siebzehn Sitze verfehlte diese Stadt knapp die Mehrheit in der Leitung der VOC. Einzigartig an dieser Konstruktion war die Tatsache, dass Investoren, die ihren Anteil verkaufen wollten, dies an der Börse tun mussten, wodurch die VOC zu einem Aktienunternehmen und damit zu einer völlig neuen Art von Handelsunternehmen wurde. In Asien wurde ein Generalgouverneur verantwortlich, den ein sogenannter Raad van Indië (Rat von Niederländisch-Ostindien) unterstützte.

Ende des 16. Jahrhunderts kam auch der Handel mit Westafrika, Südamerika und der Karibik in Gang. Bei den Verhandlungen zum Zwölfjährigen Waffenstillstand musste die Republik, wie bereits erwähnt, allerdings Spanien gegenüber die Konzession machen, während des Waffenstillstands (1609–1621) auf die Gründung einer West-Indische Compagnie (Niederländische Westindien-Kompanie, WIC) zu verzichten. Erst nach der Wiederaufnahme des Kriegs im Jahr 1621 sollte die WIC zustande kommen. Vor dem Waffenstillstand war jedoch schon deutlich, dass die Republik den Anspruch erhob, ihr Handelsnetzwerk auch in diesen Gebieten weiterzuentwickeln. Wie im folgenden Kapitel noch erläutert werden wird, sollte die WIC dabei viel weniger erfolgreich sein als die VOC, die vor allem ab den 1620er Jahren rasch expandierte.

In diesem Überblick über die wirtschaftliche Entwicklung der frühen Republik muss noch auf ein Paradox hingewiesen werden, nämlich, dass sich die hier skizzierte wirtschaftliche Prosperität in einer Periode vollzog, in der der junge Staat in einen Krieg verwickelt war, der viel Geld kostete. Allerdings war es so, dass in Holland, dem ökonomischen Herzen der Republik, seit Mitte der 1570er Jahre keine Kämpfe mehr stattfanden und dieses Gebiet demnach in relativer Ruhe gedeihen konnte. Zugleich profitierten die nördlichen Provinzen gerade vom Kriegsverlauf, und die Schwächung des Südens beflügelte in mehrerlei Hinsicht das Wachstum im Norden. Hinzu kam noch, dass der Handel mit dem Feind während des Krieges weiterging und beiden Seiten zum ökonomischen Vorteil gereichte. Wirtschaftsembargos, die den Feind treffen sollten, dauerten zumeist nur kurz oder wurden unterlaufen, weil sich die Ökonomien gegenseitig ergänzten. Für die Republik war beispielsweise das Salz von der iberischen Halbinsel von großer Bedeutung für die eigene Fischerei, während Spanien wiederum Produkte aus dem Ostseeraum brauchte (Getreide, schwedisches Kupfer usw.). Auch entlang der sich verschiebenden Grenze zwischen dem Norden und dem Süden fand Handel statt, wobei Nahrungsmittel und Produkte aus dem Ostseeraum gegen große Mengen an Silber verkauft wurden. Handel mit dem Feind wurde mit Abgaben – sogenannten licenten – besteuert, die den Admiralitäten zugutekamen. Dies führte dazu, dass die Marine der holländischen Stände teilweise direkt durch den spanischen Feind finanziert wurde.

Insgesamt entwickelte sich die junge Republik ab etwa 1590 zum größten Handelszentrum in Europa und erreichte eine Dominanz im Welthandel, die sie erst im 18. Jahrhundert wieder verlor. Diese Dominanz war das Resultat eines einmalig gelungenen Zusammenspiels interner und externer Faktoren wie beispielsweise Bevölkerungswachstum, Urbanisierung, Kommerzialisierung, technologische Entwicklung, abnehmende ökonomische Bedeutung der südlichen und zunehmende Bedeutung der nördlichen Niederlande, sowie die Verschiebung der internationalen Kräfteverhältnisse zugunsten der Republik durch den Kriegsverlauf. Alle Fäden des wirtschaftlichen Wachstums liefen dabei im internationalen Handel zusammen, der die Basis des Wohlstands im Goldenen Zeitalter darstellte. Besonders in den Jahren ab ca. 1590 bis zum Ende des Zwölfjährigen Waffenstillstands im Jahr 1621 fand eine stürmische ökonomische Expansion statt. Auf diese folgte eine Periode des langsameren Wachstums und der Konsolidierung, an die sich – ab der Mitte des Jahrhunderts – auch Rückschläge anschlossen. Auf diese Entwicklungen soll im folgenden Kapitel eingegangen werden. An dieser Stelle können die Betrachtungen nun mit der Feststellung geschlossen werden, dass die Republik im frühen 17. Jahrhundert zu einer wirtschaftlichen Großmacht geworden war.

Geschichte der Niederlande

Подняться наверх