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Von der zwölfjährigen Waffenruhe zum Westfälischen Frieden (1609–1648)

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Zu Beginn der Waffenruhe im Jahr 1609 war die Republik noch kein stabiler Staat mit ausgeglichenen Machtverhältnissen. In den vorhergehenden Jahrzehnten hatten die Aufständischen Führungspositionen eingenommen, und interne Gegensätze hatten sich durch den gemeinsamen äußeren Feind in Grenzen gehalten. Was die Religion anbetraf, waren die Calvinisten die einzigen, die öffentliche Gottesdienste feiern durften, aber die Mehrheit der Bevölkerung war nicht Mitglied dieser Reformierten Kirche (Gereformeerde Kerk). In Haarlem traf dies beispielsweise im Jahr 1620 lediglich auf ein Fünftel der Einwohner zu. Viele Protestanten fühlten sich zwar mit den Reformierten verwandt, waren jedoch (noch) nicht Mitglied geworden oder hatten gemäßigtere Auffassungen als die Calvinisten. Ein Teil der Bevölkerung war katholisch geblieben, und viele andere waren zwar protestantisch, besuchten jedoch die Gottesdienste der anderen aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen, deren Existenz mit einem zugedrückten Auge gestattet wurde. So mochten die Calvinisten zwar als Öffentlichkeitskirche den Ton angeben, eine Mehrheit stellten sie jedoch nicht dar, und viele waren noch auf der Suche nach einer religiösen »Heimat«.

Hinzu kam, dass die Republik, die sich im Verlauf des Aufstands herausgebildet hatte, nicht über Strukturen verfügte, innenpolitische Spannungen im Land zu lösen. Und gerade die nahmen während der Jahre der Waffenruhe stark zu, nicht nur in den Provinzen, sondern auch zwischen ihnen, beispielsweise über die Höhe des Beitrags der Provinzen zur gemeinsamen Kasse der Generalität oder wegen der dominanten Position Hollands. Nicht zuletzt war da der Konflikt zwischen Oldenbarnevelt und Prinz Moritz, der über die Frage, ob es einen Waffenstillstand geben solle oder nicht, hinausging und mit religiösen, konstitutionellen und international-politischen Problemen verknüpft war, die während der Waffenruhe virulent wurden.

Als die Waffen schwiegen, war Oldenbarnevelt, dem Mitarchitekten des Waffenstillstandes, viel daran gelegen, eine weitere Legitimation für die inzwischen gewachsene Verwaltungsstruktur der Republik zu finden, deren Machtzentrum die holländischen Stände bildeten. Unterstützung erhielt er dabei von dem Rechtsphilosophen Hugo de Groot (1583–1645), der eine historische Verbindung zwischen dem batavischen Führer Claudius Civilis und dessen Sieg über die Römer und Wilhelm von Oranien und dem Kampf gegen die Spanier herstellte. De Groot war nicht der erste, der die Batavier zu den Urahnen der Niederländer machte, aber sein Liber de Antiquitate Republicae Batavicae aus dem Jahr 1610 wurde das bekannteste Werk, in dem der batavische Mythos niedergeschrieben war. Verkürzt läuft dieser Mythos darauf hinaus, dass diese freiheitsliebenden und tapferen »Vorfahren« auf die gleiche Weise regiert worden seien, wie ihre Nachkommen in der Republik, nämlich durch eine Oligarchie der Besten des Landes. Diese seien inzwischen in den Provinzialständen zusammengekommen, und so konstruierte Hugo de Groot die in den holländischen Regenten und den Ständen mündende, über Jahrhunderte reichende Kontinuität von Freiheitstradition und Regierung. Diese invention of tradition bildete die Grundlage für ein entstehendes Nationalgefühl, das sich in Theaterstücken, Gedichten und Gemälden des 17. Jahrhunderts und später äußerte, die großen Einfluss auf das historische Selbstbild hatten. So erfolgreich Oldenbarnevelt auch mit der Schaffung dieses Selbstbildes war, eine Garantie für politische Stabilität und für die Kontinuität seiner eigenen zentralen Position hatte er damit natürlich nicht.

Der Kampf im Innern, der in den Jahren der Waffenruhe wütete und den Oldenbarnevelt schließlich gegen Moritz verlor, hatte einen religiös-theologischen Hintergrund, drehte sich aber im Kern um die politischen Machtverhältnisse, um das Verhältnis zwischen Kirche und Staat und um den außenpolitischen Kurs. Anlass war der theologische Disput zwischen zwei Leidener Theologieprofessoren, Franciscus Gomarus und Jacobus Arminius, über die Frage der Prädestination. Gomarus war ein orthodoxer Calvinist und stand auf dem Standpunkt, dass Gott bei der Geburt eines Menschen bereits festgelegt habe, ob diese Person das ewige Leben erhalten solle oder nicht. Der Mensch selbst, auch wenn er nach dem Guten strebe, habe darauf keinerlei Einfluss und sei ein Sünder, der von Gottes Gnade abhängig bleibe. Arminius kritisierte diese calvinistische Orthodoxie, ohne im übrigen von menschlicher Willensfreiheit sprechen zu wollen. Allerdings wies er auf die menschliche Verantwortung hin und verkündete, dass Gottes Gnade gerade für diejenigen gelte, die an ihn glaubten und entsprechend lebten. Diese Vorstellung war für Gomarus und seine Anhänger inakzeptabel, weil sie eine Verneinung der Allmacht Gottes darstelle und die Unterschiede zur katholischen Kirche verringere. Die »Arminianer« waren unter den reformierten Pastoren in der Minderheit, und so baten sie im Januar 1610 die holländischen Stände in einer »Remonstration« (Bittschrift) um Raum innerhalb der Kirche für ihre Standpunkte. Auf diese Handlung der Remonstranten folgte ein Jahr später eine von den »Gomaristen« eingereichte »Kontraremonstration«, in der die Ketzerei der anderen Strömung verurteilt wurde. Auch wurde darin die These vertreten, nicht der Staat, sondern nur die Kirche selbst dürfe über theologische Streitfälle entscheiden, und daher müssten die Generalstände eine nationale Synode einberufen.

Oldenbarnevelt und den holländischen Ständen ging es nicht darum, ob die eine oder die andere Gruppe in theologischer Hinsicht recht hatte, ihnen ging es um den Primat der Politik und um Ruhe in der Öffentlichkeitskirche, in der es Raum für unterschiedliche Strömungen geben müsse: für Remonstranten (»Freisinnige«), Kontraremonstranten (»Orthodoxe«), Gemäßigte (»modderaars«) und für andere protestantische Gruppierungen. Aus dieser Perspektive sollten die Öffentlichkeitskirche unter staatlicher Aufsicht und der Staat für die Ernennungen, die Kirchenordnung und die Kontrolle über die Lehre verantwortlich sein. Aber gerade dieser Primat der Politik wurde von den orthodoxen Calvinisten abgelehnt: Sie standen auf dem Standpunkt, die Rolle des Staates müsse sich auf den Schutz der reformierten Kirche und das effektive Verbot anderer Glaubensgemeinschaften beschränken. Der Inhalt der Lehre, Organisationsfragen und Ernennungen seien hingegen eine kircheninterne Angelegenheit, aus der sich der Staat heraushalten solle.

Oldenbarnevelts Versuche, innerhalb der Kirche Ruhe und Toleranz zu erzwingen, waren erfolglos. An vielen Orten zerfiel die Öffentlichkeitskirche in feindliche Lager, es wurden – je nach Lage der Machtverhältnisse – Gegner durch Säuberungen entfernt, und an einigen Orten kam es ab 1616 sogar zu ernsthaften Ausschreitungen. Dies hatte zur Folge, dass auch »gomaristische« und »arminianische« Gemeinden und Städte einander gegenüberstanden. Erstere, die sich in der Mehrheit befanden, forderten mit zunehmender Heftigkeit eine nationale Synode, mit der die reformierte Kirche ihre calvinistischen Wurzeln würde bestätigen und den remonstrantischen Standpunkt zurückweisen können. Nur die Generalstände konnten eine solche Synode zusammenrufen, aber auch diese waren in orthodoxe und freisinnige Provinzen gespalten. Damit hatte sich die Polarisierung zwischen Remonstranten und Kontraremonstranten von einem theologischen Disput zu einer Staatsfrage entwickelt. Der Charakter der reformierten Kirche, die Beziehung zwischen Kirche und Staat, ja sogar die Stabilität der Republik standen zur Diskussion. Die Spannungen eskalierten und sollten das Land in den Jahren 1617–1618 sogar an den Rand eines Bürgerkriegs bringen.

Dass die Lage im Land sich zunehmend polarisierte, war auch die Folge von Uneinigkeit über die zu führende Außenpolitik. Oldenbarnevelt hielt an Frankreich als Verbündetem fest, auch nachdem der französische König Heinrich IV. im Mai 1610 ermordet worden war und Frankreich auf eine Versöhnung mit Spanien zusteuerte. Darin sahen viele eine große Gefahr für die Republik. Sie befürchteten, eine spanisch-französische Kooperation könne zu für die Republik nachteiligen Friedensbedingungen führen und waren der Ansicht, man müsse sich nach anderen Verbündeten umsehen. Auch Moritz kam zu diesem Schluss und wandte sich England zu, wodurch sich das doch schon angespannte Verhältnis zum Landesadvokaten Oldenbarnevelt weiter verschlechterte. Dessen Gegner sahen zunehmend einen Zusammenhang zwischen seinem Streben nach einer Öffentlichkeitskirche, in der auch für Remonstranten Platz war, und seinem Festhalten an der Zusammenarbeit mit Frankreich. Durch die spanisch-französische Annäherung komme Frankreich ja in das katholische Lager, und durch Oldenbarnevelts Auffassungen hinsichtlich der Bandbreite der Öffentlichkeitskirche werde den Katholiken die Tür geöffnet. Aus dieser Kombination entstand der Verdacht, Oldenbarnevelt steuere insgeheim auf einen für die Calvinisten nachteiligen Frieden mit Spanien zu.

Der zunehmende Gegensatz zwischen Oldenbarnevelt und Moritz erreichte 1617 einen Tiefpunkt, als der Statthalter demonstrativ die Seite der Kontraremonstranten wählte. Mit dieser offenen Parteinahme stellte sich die Frage, ob Moritz noch bereit sein würde, den Ständen zu gehorchen, wenn diese ihm den Auftrag zum militärischen Eingreifen geben würden. Durch Oldenbarnevelts Reaktion eskalierte die Situation endgültig: Auf seine Initiative hin wandten sich die holländischen Stände im August 1617 offiziell gegen eine nationale Synode, weil diese im Widerspruch zu der provinzialen Souveränität in Religionsfragen stehe. Wichtiger war noch, dass die holländischen Stände in dem gleichen Beschluss, der als scherpe resolutie in die Geschichte eingegangen ist, den Städten gestatteten, selbst Söldner (waardgelders) in Dienst zu nehmen. Des weiteren wurden alle auf dem Territorium Hollands stationierten Truppen und ihre Kommandanten an ihren Eid erinnert, den rechtmäßigen Behörden in Stadt und Provinz zu gehorchen. Mit diesen Entscheidungen pokerte Oldenbarnevelt zu hoch: Er stellte nicht nur Holland über die Generalität, sondern er höhlte auch Moritz’ Position aus. Dieser war als Statthalter zwar nur »im Dienst« der Provinzialstände, aber er war gleichzeitig Oberbefehlshaber des Heeres der Stände. Nach der scherpe resolutie entstanden neben der »nationalen« Armee kleine lokale Armeen, die nicht Moritz’ Oberbefehl unterstanden. Damit hatte sich Oldenbarnevelt »für eine militärische Lösung entschieden, allerdings gegen den Willen der Militärführung«, wie van Deursen es formuliert, und Jonathan Israel beschreibt die Lage nach der scherpe resolutie als einen kurz vor dem Ausbruch stehenden Bürgerkrieg.

Nun stand die Existenz der Republik auf dem Spiel, und es kam in vielen Städten zu Krawallen. Moritz ergriff die Gelegenheit, die Provinz Holland zu isolieren und den Konflikt in der Manier eines Staatsstreichs zu seinem Vorteil zu entscheiden. Mit der Unterstützung der Mehrheit der Generalstände ersetzte er unter Androhung eines militärischen Eingreifens – zunächst außerhalb der Provinz Holland – remonstrantische städtische Führungsleute durch kontraremonstrantische, und er zwang, ebenfalls unter Androhung militärischer Gewalt, die Provinz Utrecht, ihre Söldner abzuschaffen. Vollendet wurde dieses Auftreten im Herbst 1618 mit der Verhaftung Oldenbarnevelts (sowie u. a. der seines Mitstreiters Hugo de Groot) und dem allmählichen Austausch von Stadtverwaltungen, die Oldenbarnevelt unterstützten, durch Magistrate, die dem Prinzen zugeneigt waren. Mit diesen Maßnahmen brachte Moritz, dabei über seine Befugnisse hinausgehend, Holland und Utrecht in Gleichschritt und stellte die Einheit der Generalstände wieder her. So, wie Moritz seine militärischen Erfolge erzielt hatte, hatte er auch Oldenbarnevelt besiegt: umsichtig, Schritt für Schritt vorgehend und in dem Augenblick zuschlagend, in dem ihm der Sieg nicht mehr entgehen konnte.

Oldenbarnevelt wurde anschließend in einem politischen Prozess des Landesverrats (Auslieferung der Republik an Spanien), des Hochverrats (Griff zur Macht), des Angriffs auf die Kirche und der Verdrängung von Moritz beschuldigt. Ein von den Generalständen eingesetztes Sondergericht verurteilte den abgesetzten Landesadvokaten zum Tode, ein Urteil, das im Mai 1619 auf dem Binnenhof in Den Haag vollstreckt wurde. Sein Mitstreiter Hugo de Groot erhielt eine lebenslängliche Gefängnisstrafe, konnte jedoch 1621 auf spektakuläre Art und Weise in einer Bücherkiste aus seinem Gefängnis Schloss Loevestein entkommen.

Kurz vor der Hinrichtung Oldenbarnevelts hatte die 1618/19 in Dordrecht zusammengekommene nationale Synode die Einheit in der reformierten Kirche wiederhergestellt, indem sie die remonstrantische ›Verirrung‹ als Ketzerei verurteilte. Ein wichtiger Gewinn für die Kirche war, dass sie selbst über die Lehrsätze des Glaubens entschieden hatte und nicht der Staat, wie es Oldenbarnevelt gewollt hatte. Auch wenn die Kirche dem Staat untergeordnet blieb, so kümmerte sich dieser nicht um den Inhalt des Glaubens. Mit diesem Ergebnis blieb die reformierte Kirche allerdings ein calvinistisch-orthodoxes Bollwerk und damit auch die Kirche einer Bevölkerungsminderheit.

Durch die Ausschaltung Oldenbarnevelts und die Verurteilung der Remonstranten hatte Moritz den Kampf gewonnen, aber er versäumte es, den Sieg im Dienste der Republik zu versilbern. Sein Biograph A. Th. van Deursen charakterisierte ihn sogar als »den Sieger, der scheiterte«. Vielleicht hatte Moritz einen Bürgerkrieg verhindert, aber, so van Deursen: »Wer die Republik ihres Führers beraubt, muss wissen, wer ihn ersetzen kann, oder sonst den leeren Platz selbst besetzen.« Es kam kein Ersatz für Oldenbarnevelt, und Moritz selbst verfügte nicht über die Fähigkeit, die politische Lücke zu füllen, die der Landesadvokat hinterließ. Moritz’ großes Verdienst für die Republik ist es gewesen, dass unter seiner Führung der Kampf gegen Spanien entschieden worden war, aber er war nicht der Mann, der das Land regieren konnte. 1625 starb er, ohne in den Jahren nach 1618 noch etwas Bedeutsames zustande gebracht zu haben.

Es stellt sich dann auch die Frage, wie tiefgreifend die Folgen von Moritz’ Staatsstreich von 1618 gewesen sind. Kurzfristig waren diese gewiss beträchtlich. Die Säuberung der holländischen Stadtverwaltungen, die Oldenbarnevelt unterstützt hatten, bedeutete, dass Regenten mit viel Verwaltungserfahrung durch weniger erfahrene Führungsleute ersetzt wurden, wodurch die holländischen Städte an Einfluss einbüßten. Auch erhielt Oldenbarnevelts Nachfolger weniger Befugnisse als der frühere Landesadvokat, und es wurden anfänglich bewusst schwächere Personen in diese Funktion gewählt, wodurch die Position der Provinz Holland zugunsten von Statthalter und Generalität schwächer wurde. Das hatte auch für die Kraft und den Zusammenhalt der Republik als Ganzes nachteilige Folgen, weil Holland ja der Dreh- und Angelpunkt der Republik war.

Daneben fanden Säuberungen in den Bürgerwehren, im Bildungswesen und natürlich vor allem in den Kirchen statt. Nur die Pastoren, die sich den Urteilen der Synode fügten, durften ihre Funktion weiterhin ausüben. Eine Reihe von ihnen unterzeichnete, aber rund 160 Pastoren verloren ihre Stelle, und ungefähr die Hälfte davon musste das Territorium der Republik verlassen. Auch für die Stellung der Familie Oranien-Nassau blieb Moritz’ Staatsstreich nicht ohne Folgen. Obgleich van Deursen die Periode 1619–1625 als Moritz’ »dürre Jahre« charakterisiert, und Moritz auch nicht an einem Kult um seine Person interessiert war, wurde es in der kontraremonstrantischen urbanen Kultur wohl üblich, die Angehörigen des Hauses Oranien-Nassau in öffentlichen Gebäuden mit Kunstwerken zu ehren.

Im Laufe der Jahre erwiesen sich die Folgen von Moritz’ Sieg über Oldenbarnevelt doch als weniger weitreichend, als es in den Jahren 1618–1619 den Anschein gehabt hatte. Holland erholte sich allmählich von seiner vorübergehenden Schwächung und wurde erneut zum dominanten Faktor in einem nach Übereinstimmung suchenden föderalen Entscheidungsfindungsprozess. Das Jahr 1618 war dann auch nicht so sehr ein struktureller Wendepunkt, als vielmehr ein abrupter Machtwechsel, wie es ihn im 17. Jahrhundert noch häufiger geben sollte. Allerdings fand das Prinzip der Arbeitsteilung zwischen Statthalter und Landesadvokat, die unter Oldenbarnevelt und Moritz entstanden war und bis ca. 1609 gut funktioniert hatte, 1618 ein Ende. Nach 1618 sollte nur noch einer von beiden, Statthalter oder Ratspensionär (vorher Landesadvokat), die erste Geige spielen: In der Periode bis 1650 waren dies die Statthalter (Moritz bis 1625, anschließend Friedrich Heinrich bis 1647 und danach bis 1650 Wilhelm II.). Darauf folgte das erste sogenannte statthalterlose Zeitalter, in dem zwischen 1653 und 1672 Ratspensionär Johan de Witt den Ton angab, woraufhin zwischen 1672 und 1702 erneut ein Statthalter, Wilhelm III., am Ruder stand. Obwohl nach 1618 die Macht in der Republik stärker als zuvor bei einer einzigen Person lag, blieb doch das Fehlen eines personifizierten Machtzentrums mit klar umschriebenen Befugnissen charakteristisch. So gesehen hatte das Resultat des Konflikts zwischen Moritz und Oldenbarnevelt für das Gefüge der Republik keine tiefreichenden Folgen gehabt.


Stammtafel des Hauses Oranien

Auch in kirchlicher Hinsicht war die Niederlage Oldenbarnevelts weniger weitreichend, als man angesichts des Ergebnisses der Dordrechter Synode annehmen sollte. Gewiss, der Sieg der Kontraremonstranten war allumfassend, aber einige Jahre später ging die Bekämpfung der Remonstranten ungeachtet der Proteste der orthodox-calvinistischen Sieger des Jahres 1619 bereits an vielen Orten wieder zurück. Diese hatten darüber hinaus hinnehmen müssen, dass die in Dordrecht akzeptierte Kirchenordnung lediglich in drei Provinzen unverändert angenommen worden war, und dass beispielsweise die holländischen Stände eine eigene Kirchenordnung entwarfen. Das Resultat war, dass auf kirchlichem Gebiet die Situation andauerte, die bei der Union von Utrecht abgesprochen worden war: Jede Provinz regelte selbst ihre Religionsangelegenheiten. Allerdings waren die Reformierten die einzigen, die sich öffentlich zu ihrem Glauben bekennen durften, und es war anderen Kirchen offiziell verboten, Gottesdienste abzuhalten. Solche Verbote wurden regelmäßig wiederholt, aber nicht überall und für alle Kirchen gleichlautend in die Praxis umgesetzt. Im weiteren Verlauf soll noch tiefer auf die Stellung der Kirchen im 17. Jahrhundert eingegangen werden; hier genügt die Feststellung, dass in der Praxis die Einhaltung der Verbotsbestimmungen zumeist nicht erzwungen wurde, und dass die bereits länger existierende Gewohnheit, andere als die reformierten Gottesdienste mit einem zugedrückten Auge zu gestatten, zu einem Charakteristikum der politischen und religiösen Kultur der Republik wurde. Damit wich die Republik von dem Muster in anderen Ländern ab, wo die Einheit von Staat und Glauben noch üblich war.

Die Entwicklungen in der Republik wurden im Ausland genau verfolgt, umso mehr, als im Jahr 1618 ein großer europäischer Religionskrieg ausgebrochen war, der später den Namen Dreißigjähriger Krieg tragen sollte (1618–1648). Besonders für Deutschland sollte dieser Krieg weitreichende Folgen haben. Hier stand eine evangelische Union unter der Führung von Moritz’ leiblichem Neffen, dem calvinistischen Kurfürsten von der Pfalz, Friedrich V. (1596–1632), einer katholischen Liga unter Ferdinand von Habsburg gegenüber, ab 1619 Kaiser Ferdinand II. Moritz war nicht unschuldig am Ausbruch dieses Kriegs, da er seinem Neffen im sich ankündigenden Konflikt Geld und Truppen zugesagt hatte. Dahinter steckte die Erwartung, dass zunehmende Spannungen in Deutschland positive Folgen für die Republik haben könnten. Es war ja zu erwarten, dass die spanischen Habsburger ihren österreichischen Verwandten zu Hilfe kommen würden, mit der Folge, dass der spanische Druck auf die Republik abnähme. Tatsächlich schlossen sich die habsburgischen Familien zusammen, aber der erwartete Vorteil für die Republik blieb aus, und so war sie am Ende des Zwölfjährigen Waffenstillstands von kooperierenden Habsburgern umzingelt, und Madrid steuerte auf eine Wiederaufnahme des Kriegs zu. Nicht, dass der spanische König noch erwartete, das Territorium der nördlichen Niederlande tatsächlich zurückerobern zu können, es ging ihm nun in erster Linie um eine Schwächung der Republik als Handelsmacht.

Auch Moritz, der niemals ein Befürworter des Waffenstillstands gewesen war, plädierte für die Wiederaufnahme des Kampfs. Eine Fortsetzung des Krieges werde nicht nur die Position des Calvinismus in Europa stärken, sondern auch die Gefahr einer Wiederbelebung der internen Gegensätze in der Republik verringern können. Neben politischen und religiösen Motiven standen auch ökonomische Interessen auf dem Spiel. Holländische Industriestädte waren für eine Wiederaufnahme des Kriegs, weil sich dadurch die während des Waffenstillstands erlebte Behinderung durch Konkurrenz aus Flandern und Brabant wieder verringern würde. Andere standen in den Startlöchern für die Errichtung einer Westindien-Kompanie. Es war ja 1609 vereinbart worden, dass die Republik diesen Schritt während des Waffenstillstands nicht tun würde.

Als der Waffenstillstand 1621 zu Ende ging, nahmen Spanien und die Republik dann auch den Kampf wieder auf, wenn auch die Gefechtshandlungen eher halbherzig und ohne klare militärische Strategie waren. Es handelte sich demnach nicht um eine einfache Fortsetzung des Aufstands. Nicht nur, dass die Republik nun selbst ein großer Akteur auf der internationalen Bühne war, auch der spanisch-niederländische Kampf war nun mehr als je zuvor Teil eines größeren europäischen Konflikts. Ab 1621 war der »Achtzigjährige Krieg« zum Bestandteil des 1618 ausgebrochenen »Dreißigjährigen Kriegs« mit seinen komplizierten Allianzen geworden, in den von Schweden bis Spanien nahezu jede europäische Macht hineingezogen wurde.

Anfangs profitierte die Republik nicht von dieser Internationalisierung. Bis zum Ende der 1620er Jahre blieb die Lage mit dem Verlust von Breda im Jahr 1625 und einiger Militärfestungen auf deutschem Gebiet besorgniserregend. Hinzu kamen spanische Handelsembargos und die Flussblockaden durch spanische Garnisonen, die die Republik auf der Landseite von Flandern bis zur Grafschaft Lingen umzingelten und den Verkehr über Schelde, Rhein, Waal, Maas und Ems abschnitten. Die damit einhergehende wirtschaftliche Regression wurde noch durch den erhöhten Abgabendruck verstärkt, der notwendig war, um die Verteidigung der Republik wieder auf das erforderliche Niveau zu bringen. Hinzu kam, dass die Republik zunächst – zum ersten Mal seit 1576 – keine Bündnispartner hatte und ganz alleine dastand. Für die Republik selbst war es hingegen sehr wohl notwendig, befreundete protestantische Fürsten finanziell zu unterstützen. Um zu verhindern, dass die katholische Liga im Nordwesten Deutschlands die Überhand erhielte und die Republik noch weiter in die Defensive gedrängt werden würde, unterstützte man weiterhin deutsche protestantische Armeen, und auch das kostete selbstverständlich Geld. Kurzum, die Republik befand sich nach der Wiederaufnahme des Kriegs anfangs in wirtschaftlicher, finanzieller und militärischer Hinsicht in einer düsteren Lage, wobei die Malaise noch durch das Fehlen eines politischen Führers verstärkt wurde. Als Moritz 1625 starb, stand die Republik nach Ansicht des Historikers Jonathan Israel so schlecht da, wie seit 1590 nicht mehr.

In dieser ungünstigen Situation ernannten die Generalstände Friedrich Heinrich, den Halbbruder von Moritz, zum Generalhauptmann, und anschließend wurde er Statthalter von fünf Provinzen (Holland, Zeeland, Utrecht, Gelderland und Overijssel). (Vgl. die Stammtafel S. 101) Friedrich Heinrich verfügte nicht nur ebenso wie Moritz über ausgezeichnete militärische Fähigkeiten, sondern auch – wie sein Vater Wilhelm von Oranien – über politische und diplomatische Qualitäten. Er hatte keine Affinität zu dem scharfen Kontraremonstrantismus seines Halbbruders Moritz und wählte einen Mittelweg, der Platz für eine partielle Rückkehr remonstrantischer Regenten bot, die den Säuberungen Moritz’ zum Opfer gefallen waren. Begeisterung weckte sein Versöhnungskurs nicht, und in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre eskalierten die Spannungen in Holland erneut. Trotzdem brachte Friedrich Heinrichs staatsmännisches Geschick auch Stabilität, und bei ihm liefen die Fäden der politischen Macht zusammen. Zur Stärkung seiner eigenen Position, zu der auch adelige Vertraute aus anderen Provinzen beitrugen, instrumentalisierte er geschickt die in der Provinz Holland herrschende Uneinigkeit. Auch verfügte er über großen Einfluss in den sogenannten secrete besognes, Kommissionen der Generalstände, die auf seine Initiative hin zustande gekommen waren und unter strikter Geheimhaltung wichtige Entscheidungen treffen konnten. In dieses Bild passt auch, dass unter Friedrich Heinrich in Holland keine starken Ratspensionäre hochkamen. Darüber hinaus zeichnete sich seine Statthalterschaft dadurch aus, dass es, mitgestaltet von seiner Frau, Amalia von Solms, mehr als zuvor ein adeliges Hofleben und die dazugehörige Repräsentation gab. Dies wurde auch im Bau (Schloss Huis ten Bosch in Den Haag) und Umbau (unter anderem Schloss Noordeinde in Den Haag) prestigeträchtiger Schlösser und anderer statthalterlicher Wohnsitze sichtbar, mit denen er Anschluss an den Repräsentationsdrang der großen europäischen Adelshäuser suchte.

Selbstverständlich beruhte sein wachsendes Ansehen auch auf den militärischen Erfolgen, die er erzielte und die ihm den Beinamen »Städtebezwinger« einbrachten. Es gelang ihm, im Grenzgebiet verschiedene Städte und Festungen zu gewinnen, und besonders die Eroberung von ’s-Hertogenbosch (1629), Maastricht (1632) und Breda (1637) waren wichtige Meilensteine sowie Zeichen einer neuerlichen militärischen Kraft. Finanzielle Rückendeckung erhielt die Republik 1628, als Admiral Piet Hein, der in Diensten der 1621 gegründeten Westindien-Kompanie stand, in der Karibik die jedes Jahr nach Spanien fahrende sogenannte Silberflotte eroberte und die Beute von 11,5 Millionen Gulden mit nach Hause brachte. Dieser Betrag – ungefähr so hoch wie zwei Drittel des jährlichen Kriegsbudgets – war für die finanziell angeschlagene Republik eine besonders willkommene Erleichterung.

Auch international fand die Republik wieder aus der Isolation heraus, in der sie sich in der ersten Hälfte der zwanziger Jahre befunden hatte. Noch unter Moritz, der sich im Machtkampf mit Oldenbarnevelt gegen die Zusammenarbeit mit Frankreich gestellt hatte, wurde 1624 gerade mit diesem Land ein neuer Vertrag geschlossen. Darin sagte der französische König, durch die Erfolge der Habsburger aufgeschreckt, der Republik wieder für einige Jahre seine Unterstützung zu. Im Dezember 1625 schlossen Dänemark, England und die Republik einen Dreierbund gegen den deutschen Kaiser. Aus Furcht vor einem Vormarsch der Spanier und der Österreicher gewährte die Republik Dänemark in diesem Rahmen finanzielle Unterstützung für einen Angriff auf den deutschen Kaiser. Zuvor hatten England und die Republik im selben Jahr in Southampton Vereinbarungen über eine kombinierte niederländisch-englische Flotte gegen Spanien getroffen, ein Vertrag, aus dem England einige Jahre später ausstieg, als es Frieden mit Spanien schloss.

Eine noch stärkere Verknüpfung mit dem Dreißigjährigen Krieg kam 1635 zustande, als ein französisch-niederländisches Bündnis geschlossen wurde, in dem beide Staaten vereinbarten, die südlichen Niederlande gemeinsam zu erobern und untereinander aufzuteilen. Gleichzeitig versprachen sie sich gegenseitig, keinen separaten Frieden mit Spanien zu schließen. Nicht jeder in der Republik war im übrigen ein Befürworter dieser expansionistischen Politik, an deren Ende Frankreich als mächtiger unmittelbarer Nachbar stehen würde. So weit sollte es nicht kommen, auch wenn sich die Republik unter Friedrich Heinrich noch in den Süden ausbreiten sollte (unter anderem bis nach Den Bosch und Breda in Brabant und Maastricht in Limburg).

Auf maritimem Gebiet wechselten sich Probleme und Erfolge ab. Die Handelsschifffahrt war durch die Dünkirchener Seeräuber vielen Behinderungen ausgesetzt. Aus dem flämischen Hafenstädtchen Dünkirchen operierte eine kleine Flotte, die mit Zustimmung des spanischen Königs feindliche Schiffe stoppte und aufbrachte. Die Versuche der Republik, die flämische Küste zu blockieren, waren nur zum Teil erfolgreich, und so ging im Jahr 1632 die Rekordzahl von 305 niederländischen Schiffen verloren. Großen Erfolg verbuchte hingegen Maarten Harpertsz. Tromp, einer der größten Admiräle des 17. Jahrhunderts, der 1639 vor der englischen Küste eine neue spanische Armada besiegte, eine Niederlage, von der sich die spanische Flotte in diesem Teil Europas nicht mehr erholen sollte. Für die Republik nachteilig und potentiell gefährlich war die englische Neutralität gewesen, die es Spanien ermöglicht hatte, mit seiner Flotte gen Norden zu fahren und in englischen Gewässern Zuflucht zu suchen. So war es dann auch für die Republik von großer Bedeutung, einer spanisch-englischen Annäherung zuvorzukommen und selbst die Bande mit England enger zu knüpfen. Dies glückte durch einen gelungenen Hochzeitscoup: Maria Stuart (1631–1660), die älteste Tochter des englischen Königs Karl I., war bereits für eine Ehe mit dem spanischen Kronprinzen vorbestimmt, aber sie heiratete 1641 im Alter von neun Jahren den gut fünf Jahre älteren Sohn Friedrich Heinrichs, Wilhelm (1626–1650), der später Statthalter Wilhelm II. werden sollte. Damit war die spanisch-englische Annäherung blockiert – ein großer diplomatischer Erfolg für die Republik.

Anders als in den letzten Jahren unter Moritz profitierte die Republik unter Friedrich Heinrich nun doch von der verstärkten Internationalisierung des Konflikts, der allmählich zu einer Schwächung der spanischen Habsburger führte und die strategische Position der Republik stärkte. Auch deswegen hatte in den 1630er Jahren in der Republik der Ruf nach Frieden zugenommen, und die Bereitschaft zur Finanzierung von Heer und Flotte war – je nach den spezifischen Interessen der jeweiligen Provinz – in verschiedenen Provinzen stark zurückgegangen. Die Friedenspartei bestand aus der Mehrheit der holländischen Städte und den Provinzen Gelderland, Friesland, Groningen und Overijssel. Gegen einen Frieden waren Zeeland, Utrecht und calvinistisch dominierte Gewerbestädte wie Leiden und Haarlem. Statthalter Friedrich Heinrich gehörte anfänglich zur Friedenspartei, wechselte in den 1630er Jahren die Position, nahm jedoch in den 1640er Jahren wieder Kurs in Richtung auf einen Frieden. Sein Sohn und Nachfolger Wilhelm II. (1647–1650) wollte hingegen den Krieg gerade fortsetzen. Damit ruderte er gegen den Strom, denn auch in anderen europäischen Ländern war der Wunsch nach Frieden größer geworden, und im Jahr 1641 hatten bereits Vorgespräche über eine Beendigung des großen europäischen Kriegs begonnen. Diese führten zu komplizierten Vereinbarungen über eine große europäische Friedenskonferenz, die 1644 begann und bei der die kriegführenden Parteien in verschiedenen Kombinationen in Münster und Osnabrück verhandelten.

Die spanisch-niederländischen Verhandlungen begannen 1646 in Münster, nachdem auch Friedrich Heinrich sich endgültig für einen Frieden ausgesprochen hatte. Spanien war inzwischen im Inneren und nach außen hin stark geschwächt, hatte ein großes Interesse daran, das französisch-niederländische Bündnis aufzubrechen und war nunmehr bereit, der Republik mit Angeboten entgegenzukommen. Dies führte dazu, dass die Friedensbestimmungen des Jahres 1648 für die Republik ein großer Erfolg waren: Sie konsolidierte ihr Gebiet und wurde nun auch von Spanien als souveräner Staat anerkannt. Zu diesem Territorium gehörten auch die sogenannten Generalitätslande, Gebiete, die von Spanien erobert worden waren und die unmittelbar durch die Generalstände verwaltet wurden (Staats-Brabant, Staats-Vlaanderen, Staats-Limburg). Eine endgültige Übereinstimmung hinsichtlich des Grenzverlaufs wurde im übrigen erst in den ergänzenden Verträgen von 1661 und 1664 erreicht. In Ost- und Westindien wurde der Status quo gegenseitig anerkannt, und Spanien akzeptierte die Privilegien (Oktrois) von VOC und WIC. Die Schelde blieb geschlossen, und hinsichtlich der Religionsfreiheit für Katholiken wurde nichts festgelegt. Damit wurde in groben Zügen bestätigt, was beim Waffenstillstand von 1609 vorläufig vereinbart worden war. Mit dem Frieden von Münster, und darin liegt die Bedeutung des Jahres 1648 für die Niederlande, hatte die Republik in der internationalen Staatengemeinschaft definitiv eine anerkannte Position erlangt (Karte 5).


Karte 5: Die Republik 1648

Allerdings brach die Republik mit dem Frieden von 1648 das Bündnis mit Frankreich. 1635 hatten die beiden Staaten ja vertraglich festgelegt, den Krieg mit Spanien nur gemeinsam zu beenden. Die Republik stellte sich jedoch auf den Standpunkt, dass sie berechtigt sei, Frieden zu schließen, wenn Frankreich den Krieg nur zum eigenen Vorteil fortsetzen wolle und sich weiter gegen vernünftige Friedensbedingungen wehre. Als Frankreich sich den niederländischen Vermittlungsversuchen entzog, hielten die Generalstände dies für bewiesen und erteilten den Auftrag, den Friedensvertrag zu unterzeichnen. Dies geschah am 30. Januar 1648 im heutigen Haus der Niederlande in Münster. Im Mai desselben Jahres wurde der Frieden im Rathaus der Stadt Münster beschworen und im Juni in der Republik festlich verkündet und gefeiert. Nicht überall in der Republik war die Freude übrigens groß. Zeeland hatte sich bis zum Schluss gegen den Frieden gewehrt, und unter anderem auch in Leiden sah man keinen Anlass, sich den Festlichkeiten anzuschließen.

Statthalter Friedrich Heinrich war 1647 gestorben und hatte den Frieden nicht mehr erlebt. Sein Sohn, Wilhelm II., der im selben Jahr durch Erbfolge Statthalter von sechs Provinzen sowie gleichzeitig Generalkapitän der Union wurde, war kein Befürworter des Friedens gewesen. Daran änderte auch der Friedensschluss von 1648 nichts, und Wilhelm II. steuerte hinter den Kulissen auf eine Wiederaufnahme des gemeinsamen Kampfes mit Frankreich gegen Spanien zu. Zugleich schmiedete er Pläne, seine englische Familie bei der Rückeroberung des Throns militärisch zu unterstützen, nachdem sein Schwiegervater, der englische König Karl I., abgesetzt und 1649 enthauptet worden war. Nur Kriegführung, so glaubte Wilhelm II. der Familiengeschichte zu entnehmen, könne ihm zu Ruhm und Einfluss verhelfen. Dabei übersah er, dass sich die Zeiten geändert hatten, und dass sich in der Republik für einen Krieg keine Mehrheit mehr fand.

Die Auseinandersetzung spitzte sich auf die Frage nach dem Ausmaß der Einsparungen für die Militärausgaben der Republik zu. Holland, das immer ca. 60 % dieser Ausgaben getragen hatte, wünschte eine drastische Truppenreduzierung. Die übrigen sechs Provinzen waren zurückhaltender und unterstützten Wilhelm II. in seinem Bestreben, weniger einzusparen. In dieser Situation drohte eine Wiederholung der Ereignisse von 1618: Damals hatte Statthalter Moritz, unterstützt von den übrigen Provinzen, einen Staatsstreich verübt, um Holland auf die Knie zu zwingen und seine eigene Macht zu sichern. Wilhelm II. beschritt nun den gleichen Weg wie sein Onkel. Er nahm einige holländische Regenten gefangen, und der friesische Statthalter Wilhelm Friedrich rückte mit Truppen nach Amsterdam vor. Anfänglich schienen die Statthalter Erfolge zu verbuchen, und Holland lenkte ein, aber das erwies sich als Pyrrhussieg. Als der unbesonnene Wilhelm II. im Herbst 1650 in den Generalständen seine eigentlichen Pläne offenlegte, leistete nicht nur Holland Widerstand, sondern auch die übrigen Provinzen lehnten eine Wiederaufnahme des Krieges ab. Der Kampf um die Macht in der Republik, der daraufhin zwischen Statthalter und Generalständen entbrannte, wurde Anfang November 1650 plötzlich durch den unerwarteten Tod des 24jährigen Wilhelm II. beendet. Ein Nachfolger stand nicht bereit, denn der Sohn Wilhelms II. wurde erst kurz nach dessen Tod geboren.

Holland entschloss sich, keinen vorläufigen Nachfolger zu ernennen, und löste das Problem der Statthalterfrage ebenso simpel wie radikal: Die Provinz schaffte die Funktion einfach ab. Für diesen Schritt brauchte kein Gesetz umgangen oder erlassen zu werden, denn die Position des Statthalters beruhte auf Gewohnheitsrecht und war nirgends konstitutionell festgelegt. So hielt Holland sich für berechtigt, diesen Schritt zu tun, sah aber doch die Notwendigkeit, hierüber mit den anderen Provinzen zu sprechen. Diese Notwendigkeit war um so zwingender, als nach dem Frieden von Münster die Frage aufkam, ob und wie die Union von Utrecht des Jahres 1579 weiter entwickelt werden müsse. Die Union war ja als ein Bündnis im Kampf gegen Spanien gegründet worden, der inzwischen gewonnen worden war, und so erschien es sinnvoll, die alte Kooperationsgrundlage an die stark veränderten Bedingungen anzupassen. Um hierüber zu beraten, trat auf Initiative Hollands im Januar 1651 die Große Versammlung zusammen, eine besondere Zusammenkunft der Generalstände, an der alle Provinzen mit umfangreichen Delegationen teilnahmen. Auf der Tagesordnung standen wichtige Fragen zu Kirche und Heer sowie zur politischen Struktur der Republik.

Die Große Versammlung, die bis August 1651 zusammentraf, brachte keine eindeutigen Entscheidungen. Auf kirchlichem Gebiet blieb alles wie es war, und jede Provinz behielt ihren eigenen Spielraum, neben der reformierten Kirche andere Kirchen mehr oder weniger mit einem zugedrückten Auge zuzulassen (siehe auch S. 127 ff.). In Bezug auf das Heer wehrte sich Holland erfolgreich gegen die Ernennung eines Generalkapitäns der Union und erreichte eine auf die verschiedenen Provinzen verteilte Dezentralisierung der Landstreitkräfte. So sollten Truppenbewegungen zwischen den Provinzen untereinander nur nach der Zustimmung der betroffenen Provinzen gestattet sein. Auf politischem Gebiet setzte Holland seinen Beschluss durch, dass jede Provinz selbst entscheiden solle, ob sie einen Statthalter einsetze oder nicht. Damit legitimierte die Große Versammlung das, was in Holland, Zeeland, Utrecht, Overijssel und Gelderland mit dem Tod Wilhelms II. im Jahr 1650 faktisch bereits begonnen hatte und letztlich bis 1672 dauern sollte: eine Periode ohne Statthalter. In der späteren Geschichtsschreibung ist diese Periode als die erste statthalterlose Ära (1650–1672) bekannt geworden, eine Bezeichnung, die auch im Geschichtsbild die holländische Dominanz noch einmal unterstreicht, denn im Norden blieb der friesische Statthalterzweig sehr wohl in Funktion. Insgesamt wurde aus der politischen Erneuerung der Union nichts, und die Große Versammlung brachte demnach nicht viel mehr als eine Bestätigung des Status quo: ein Staatenbund aus souveränen Provinzen mit Holland als politischem und ökonomischem Schwerpunkt.

Dennoch hatte sich sehr wohl etwas Grundsätzliches verändert, und das Jahr 1650 gilt als ein Wendepunkt in der politischen Geschichte der Republik. Mit dem Fortfall der Statthalter war ja auch die Person verschwunden, die den Zusammenhalt zwischen den Provinzen verkörpern und die Lücke eines echten konstitutionellen Oberhaupts schließen konnte – dazu hatte der friesische Statthalterzweig nicht die Kraft. Das Fehlen eines Oraniers bedeutete, dass es kein Gegengewicht mehr gegen die holländische Dominanz gab, die in den darauffolgenden Jahren dann auch noch weiter zunehmen sollte.

Mit der ersten statthalterlosen Epoche begann eine Periode, die die holländischen Regenten als »wahre Freiheit« beschrieben. »Wahre Freiheit« bedeutete für sie, dass die Macht nicht mehr mit einem Statthalter geteilt werden musste und dass der Weg zu einem semi-monarchischen System unter der Führung eines Prinzen von Oranien blockiert wurde, eine Entwicklung, die Wilhelm II. so gerne fortgesetzt hätte. Als faktischer Führer der Republik sollte ab 1653 der holländische Ratspensionär Johan de Witt in den Vordergrund treten, und er stellte bis 1672 im republikanischen Bauwerk die Verkörperung der »wahren Freiheit« der holländischen Regenten dar.

Geschichte der Niederlande

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