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5. Hannes genießt

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Den Tag verbringe ich entspannt mit drei, vier extra süßen chai. Am Nachmittag leiste ich mir bei meinem Nachbarn Yussuf, der seinen kleinen Kiosk erst kürzlich mit einem Kühl­schrank ausgestattet hat, ein wunderbar kaltes Kilimanjaro Lager. „Hast den ganzen Tag Strom gehabt, wie?“

Yussuf überlässt mir auch seinen „Guardian“, der mit der Schlagzeile aufmacht, ein mutmaßlicher Legionär der „berüchtigten Söldnerorganisation Executive Output“ sei im Nordwesten, in Bukoba kurz vor Uganda, festgenommen worden. Nie­mand wisse, aus welcher Richtung der Mann gekom­men sei, er „schweige eisern“.

Executive Output macht man überall in Afrika für klan­­­desti­ne Sabotageaktionen, Guerillakriege hinter den Fronten, völkerrechtsfeindliche Agi­ta­tion und Propaganda verantwortlich. Zwar ha­be Südafri­ka die Söld­ner­bande bereits 1998 verbo­ten, aber spä­tes­tens seit dem zweiten Irak-Krieg weiß alle Welt, dass es Nach­folgeorga­ni­sationen in Florida und Prag gibt. Die örtliche Polizei in Bukoba warte nun auf das Ein­treffen einer speziell ausgebil­de­ten Verhör­spezia­lis­­tin vom Ge­heim­dienst TISS, die den Grund für die Anwesen­heit eines Executive-Output-Legionärs im friedlie­ben­den Tansania herausbe­kommen soll. Schließlich sei es nicht hin­nehm­­bar, dass Tansania zum Opera­tions­gebiet dieser rassis­ti­schen Kriegs­treiber werde, die einen fürchterlichen Ruf in allen Konflikten der Nachbarländer besitzen.

Hinter mir geht gerade die Sonne unter, die Gletscher des Kibo strahlen unter den Wolken im rötlichen Glanz, als ich auf dem Busbahnhof von Moshi ins daladala nach Arusha steige. Seit ausgerechnet am Ostersonntag eines dieser stets überquellend durch die Gegend rasenden Sammeltaxis bei Himo frontal mit einem Laster zusammenstieß und 17 seiner rund 30 Passagiere in den Tod, den Rest in lebenslange Qualen riss, ist bis zur Stadtgrenze stets ein Bulle mit an Bord. Er soll auf­passen, dass das Fahrzeug nicht überfüllt wird. 14 Sitze für 14 Personen plus fünf Stehplätze, mehr sei nun wirklich nicht mehr drin, predigt seit Wochen die lokale Presse.

Kurz hinterm Golfplatz steigt der Verkehrspolizist aus, kei­nen Kilometer weiter stoppt der Fahrer sein Gefährt erneut, um fünf zusätzliche Fahrgäste aufzunehmen. Niemand protestiert. Die Straße wurde erst vor einem Jahr frisch asphaltiert, so rasen wir fast ohne zu rumpeln gen Westen auf den Mount Meru zu. Drau­ßen ist es mittlerweile fast dunkel. Ich habe es mir auf meinem Platz am Gang bequem gemacht und nicke immer mal wieder weg.

Pünktlich um viertel vor acht fährt das daladala auf den pul­sie­renden Busbahnhof von Arusha. Petermanns Crown Hotel liegt um die Ecke, ein auffälliger Neubau gegenüber des Sta­dions, wo ich zuletzt manche Niederlage des akut abstiegs­be­drohten Arusha FC miterlebt habe – Erstligafuß­ball, den es in Moshi nicht zu sehen gibt.

Schon in der Lobby sehe ich den langen Deutschen an der Bar. Ein wenig blasser und faltiger im Gesicht, aber eindeutig der mzungu, mit dem ich 2009 Schüttes Schatz gefunden habe. Der Deutsche macht einen untypisch gelösten Eindruck, als hätte er schon einige Bier intus. „Jens! Karibu, welcome back in Tanzania! Schön Sie wiederzusehen!“

„Hannes, das ist ja toll, dass das so spontan klappt! Freut mich, dass Sie es einrichten konnten. Hatten sie eine gute Fahrt?“ Lallen tut er nicht. Vielleicht gibt es ja auch unter wazungu Typen, die sich zwischenzeitlich mal einfach so entspannen?

„Ja, ja, schon okay, auch wenn die daladalas nicht sicherer wer­den. Bin öfter mal hier, Fußballgucken.“ Petermann folgt mei­nem Wink über die Straße und scheint erstmals zu reali­sie­ren, dass in der Arena nebenan trotz ihres verfallen wirkenden Zustands hochklassiger Sport betrieben werden könnte. Jetzt, im Dunkeln, treiben sich vor den Tribünen nur ein paar zugedröhnte Jugendliche herum. Der Deutsche ist jetzt aufgestanden, bestellt zwei Bier und schlendert vor mir her zu einem Tisch im hinteren Bereich des Foyers.

„Bin da dran lang gelaufen, heute Mittag ...“ Petermann erzählt, dass er bald nach dem Einchecken einen Spaziergang zur nahen Freiheitsfackel gemacht habe, dem Ehren­mal für unsere Unabhängigkeit. Danach sei er rüber ins Museum geschlendert, das der hier 1967 verab­schie­de­ten, berühmten Arusha-Deklara­tion gewidmet ist und an die bahnbrechen­den Ideen von mwalimu Julius Nyerere er­in­nert, dem Lehrer und Vater der Nation.

„Bei uns im Norden wird ihr Nyerere ja oft verunglimpft als Kommunist und Bankrotteur, dabei hat der doch ganz tolle Sachen gemacht. Seine Alphabetisierungs- und Dorf­grün­­dungs­politik war doch eigentlich ein Segen für ihr Land, oder?“

Zum Warmwerden ein bisschen mainstream small talk, oder was?

„Ja, anfangs lief das ganz gut. Meine Eltern haben dank Nyereres Kampagnen, die sich ja ungewöhnlicherweise erstmal an Erwachsene wandten, erst richtig Lesen und Schreiben gelernt. Rech­nen konnte mein alter Herr zwar vorher schon, hat jahrelang geschmuggelt, was das Zeug hielt, aber ...“ Bevor meine Kehle vom vielen Reden trocken wird, bringt eine Kellnerin zwei kühle Safari Lager.

Nach einem tiefen Schluck aus der Flasche fahre ich fort. „Da­durch, dass viele abseits siedelnde Familien zum Umzug in Dörfer bewegt wurden, wo Schulen und Gesundheitsstationen gegründet wurden, verbesserte sich die soziale Versorgung der Landbevölkerung ganz erheblich. Später aber gab es auch Zwangs­­­um­siedlungen von Leuten, die ihre Felder und angestammte Umgebung nicht verlassen mochten. Dass die dann in ihrem neuen Dorf gemeinschaft­lich wirtschaften soll­ten, hat nicht mehr gut geklappt, die Erträge brachen ein. Da hieß es, Nyereres ujamaa-Politik habe der ‚Agrarindustrie’ das Genick gebrochen – angesichts des embryonalen Entwicklungsstands unserer Land­wirtschaft natürlich eine dümmliche Phrase. Pleite gegangen sind wir schließlich nicht durch Nyereres Politik oder gar deren Verstaatli­chun­gen. Das traf gerade mal fünfzig Großbauern, ein paar Banken und Versicherungen“, erkläre ich meinem Gast aus Deutsch­land. „Bankrott ist Tansania seit dem elen­den Krieg gegen Idi Amins Uga­nda 1979. Danach kam der IWF mit seinen Krediten und konnte uns praktisch alles diktieren ...“

„Ja, das weiß bei uns fast niemand, dass Tansania diesen Massenmörder gestürzt hat ... Prost!“ Petermann knallt seine Flasche „Safari“ gegen meine.

„Der hat sogar Mwanza bombardiert! Zwei oder drei seiner in Russland ausgebildeten Piloten sind da mit ihren MIGs aufgetaucht. Nyaucho, mein Vater, wäre damals fast eingezogen worden ...“ 1978, als der ugandische Diktator Amin den Nordwestzipfel Tansanias überfallen hatte, einen kleinen, ungemein fruchtbaren Landstrich bei Bukoba, und der Krieg ausbrach, war ich keine zehn Jahre alt. Alle in der Familie hatten große Angst, dass es zu einer „Generalmobilmachung“ kommen könnte – das Wort erinnere ich noch genau! Meinen deutschen Gastgeber hingegen, dessen Flasche schon halb leer ist, zieht es zurück zu seinem Museumsbesuch vom Mittag.

„Immerhin verschafften Nyereres Ideen Ihrem Land ein ungeheuer positives Image. Jahrzehntelang hatten Sie enormen Kredit unter Politikern im Norden. Nyereres Ideal einer gerechten und unabhängi­gen Gesell­schaft, die auf ihre eigenen Kräfte setzt, ver­brei­tete sich auf der ganzen Welt!“ Will der mzungu mir jetzt einen Vortrag halten? Petermann fährt unbeirrt fort: „Unterschätzt aber hat er zweifellos die weltwirtschaftlichen Kräfteverhältnisse, da war sein Traum wohl von Anfang an zum Scheitern verurteilt.“

Yes, Sir. Da treffen wir uns. Hab ich ja selbst erlebt, als unsere Textilfabrik wegen der vermaledeiten Altkleider, mit denen Sie unsere Märkte überschwemmen, Pleite ging ...“

„Ich dachte, daran war der IWF schuld?“

„Sie meinen, weil der uns zwang, die Schutzzölle abzuschaffen? Und unsere Fabriken zu privatisieren?“

„Ja, danach ging doch nichts mehr, oder?“

„Stimmt, das war der Anfang vom Ende ... Wäre aber ohnehin nicht mehr lange gut gegangen. Heute gehört alles den Chinesen.“

Ehe wir jetzt den ganzen Abend über Politik quatschen, wüss­te ich allmählich schon ganz gern, worauf ich mich eigentlich einlassen soll. Auch mein Tagessatz sollte mal besprochen wer­den. Ein wenig ratlos suche ich nach einem verfängliche­ren Thema, das aufs Wesentliche zielt.

Petermann kommt mir zuvor: „Danach haben Sie sich doch selbstständig gemacht, oder? Als consultant, richtig? Wie ist es Ihrer Firma denn ergangen?“

„Danke der Nachfrage.“ Nach meiner Entlassung – kurz vor Erhalt der Prokura für eine staatliche Textilfabrik! – blieb mir ja gar nichts anderes übrig. „Jemand, der seinen eigenen Besitz hat, braucht nicht den des Nachbarn“, wie man so schön sagt. Erst Petermann allerdings hatte mich auf die Idee gebracht, wie meine neue Selbstständigkeit vielleicht wirklich einmal zu ein klein bisschen „Besitz“ führen könnte. Als Berater wäre das nie etwas geworden, dazu fehlt es bei uns noch bis zu meinem Lebensende an Kunden, die Geld für lokale Expertise auszugeben in der Lage sind. Gibt schließlich genug ausländische Experten.

Sie, Jens, haben mir doch damals den Tipp gegeben: Habe meinen Laden umfirmiert!“ Guter Rat ist Glück, so heißt es. „Statt Wirt­schafts­­berater bin ich jetzt Detektiv. Läuft deutlich besser.“ Den letz­ten Satz hat mir Honorata beigebracht. Egal, wie die Wirklichkeit auch immer aussehen mag: Alles positiv darstellen! Bes­ser als kein Geschäft ist jedes noch so kleine.

Außerdem lief es in den letzten Monaten wirklich langsam an: Vier, fünf Dieb­stahlsgeschichten in den Touristenhotels und neugierige Gatten untreuer Ehefrauen sicherten mir den Unterhalt. Zuletzt kam sogar die Polizei einmal auf mich zu, als es darum ging, die Schuldigen einer Serie von Babymorden ausfindig zu machen. An den Filtern der örtlichen Kläranlage waren wieder­holt fürch­­terlich zugerichtete Neugeborene hängenge­blie­ben, grund­­­sätzlich Mädchen. In den anliegenden Siedlungen aber mochte niemand mit den Bullen sprechen. Als der öffent­liche Aufschrei immer lauter wurde, wandte sich der CID schließ­­lich in seiner Verzweiflung sogar an private Er­mittler. Das aber war etwas für Lebensmüde: In einer Jauche­grube voll mahari-Scheiße, Aberglauben, Hexenverbren­nung und Wahn­sinn rum­zusto­chern, über­lass ich lieber den Bewaff­neten. Da endet jeder Fahndungs-Erfolg schnell tödlich. Den Auftrag hab’ ich dan­kend abgelehnt.

Der Deutsche könnte jetzt mal zur Sache kommen, finde ich. Und tatsächlich setzt Petermann nun endlich an. „Freut mich, dass ihre Firma floriert! Könnten Sie sich denn trotzdem ein paar Tage für mich freimachen. Hannes?“

Wer sagt’s denn, jetzt geht’s ums Bezahlen. „Theoretisch sicher, Jens, hab´ schon mal im Kalender nachge­schaut. Aber ich muss ja auch Geld verdienen ...“

„Klar, diesmal bezahle ich Sie sofort. Waren ja außergewöhnliche Umstände, damals, sorry, dass das dann so lang gedauert hat. Wo liegt denn mittlerweile ihr Satz?“

Darüber hatte ich natürlich längst nachgedacht. „350.000 Shilling pro Tag sollten es schon sein“, sage ich prompt.

Nahm der Deutsche meine Forderung vor zwei Jahren, als er kaum eine andere Wahl hatte, diskussionslos hin, so scheint ihn der Betrag diesmal doch leicht zu verschrecken. „Waren es letztes Mal nicht nur Zweihundert?“

„Ja, aber sie vergessen die Inflation. Vor zwei Jahren war der tansanische Shilling fast dreißig Prozent mehr wert! Zudem hab ich mittler­weile auch deutlich höhere Kosten.“ Wie spärlich mein Ein-Raum-Büro in Moshi aussieht, muss der mzungu ja nicht erfahren.

„Wie? Haben Sie etwa Nachwuchs bekommen?“, überspielt der Deutsche seine Überraschung scherzhaft.

„Nein, das nicht. Ich bin und bleibe wohl der einzige unvermählte, kinderlose Sohn meines Vaters. Hat auch Vorzüge ...“ Jetzt könnte er mich ja endlich einmal höflich nach meiner Familie fragen. Dafür aber ist der mzungu schlicht zu ignorant. Stattdessen nimmt er die Verhandlung wieder auf.

„Kommt mir entgegen. Diesmal wird das Ganze nämlich even­tuell etwas länger dauern und ziemlich teuer. Können wir uns nicht vielleicht in der Mitte treffen?“

„Dreihunderttausend pro Tag zuzüglich aller Spesen, und ich bin ihr Mann, Mister Petermann. Auf einen Vorschuss aber soll­ten wir uns einigen.“ Endlich zahlen sich Honoratas ewige Beleh­run­gen ein­mal aus. „Und natürlich sollte ich schon noch etwas genauer erfahren, worum es eigentlich geht.“

„Okay, einverstanden, 300.000 pro Tag. – Sorry, wenn ich han­deln musste, aber sonst wird das Unternehmen unbezahl­bar.“

„Mit wie vielen Tagen rechnen sie denn ungefähr?“

„Habe mir zwei Wochen frei genommen, das muss reichen. – Dass ich an Bord der Bukoba Diamanten vermute und die fixe Idee habe, danach zu tauchen, wissen sie ja. Ob ich das wirklich mache, weiß ich noch nicht. – Dass daran am Ende überhaupt et­was zu verdienen ist, ist eher unwahrscheinlich. Das ist auch nicht der Hauptgrund meiner plötzlichen Reise. Haben Sie sich vielleicht schon gedacht. Noch ein Bier?“ Ohne meine Ant­wort abzuwarten, ordert Peter­mann beim Barkeeper zwei wei­te­re Halbliterflaschen Safari. Im Foyer des Hotels plärrt mittlerweile immer lauter das Radio mit Hip Hop einer diese modernen Urban Music Gruppen. Bald werden wir schreien müssen, um uns zu verstehen.

„Danke. Machen Sie es nicht so spannend, Jens ...“

„Sorry, ich muss kurz pinkeln.“

Wazungu können so schamlos offen sein! Als der Deutsche von der Toilette zurück ist, will er jedoch noch immer nicht recht raus mit der Sprache. „Gibt es hier in der Gegend überhaupt Diamanten?“, fragt er mich stattdessen.

„Klar, seit Jahrzehnten pflügen wazungu den Boden in Mwa­dui um. Williamson Diamonds, nie gehört? Oberirdisch! Flächenmäßig eine der größten Minen der Welt, wenn ich’s richtig weiß, gigantische Abraumhalden. Liegt südlich von Mwanza“, erzähle ich. Toll, wenn mal jemand nutzloses Wis­sen abfragt! „Hab mal irgendwann nachgelesen: Um ein Karat zu fördern, ein Fünftel Gramm Edelstein, müssen da hundertfünfzig Tonnen Erde bewegt werden! Als das in den vier­ziger Jahren losging, wa­ren es nicht mal afrikanische Zwangs­arbeiter, sondern italienische Kriegsge­fangene, die da schuften mussten. Das Unternehmen hatte allein 200 Wachsoldaten! Es gibt alte Fotos, das sah aus wie ein riesiges Fort im Wilden Westen, mit Wachtürmen und Stacheldraht über­all. Die Mine war Mitte des letzten Jahrhunderts eine der ergiebigsten Dia­man­ten­minen der Welt, und ist es heute wieder. Gehört zu drei Vierteln De Beers – wem sonst? Das letzte Viertel ist Staats­ei­gen­­tum. Es gibt sogar eine eigene Diamantenpolizei in Tansania! Die kümmert sich aber vor allem um den Schmuggel aus den vielen kleinen, oft völlig ungesicherten Minen. Zwischen Mwanza und Shinyanga buddeln sich da jährlich Dutzende zu Tode.“

Petermann hat höflich zugehört. Jetzt schaut er sich aufmerksam um, dann senkt er verschwörerisch die Stimme. „Han­nes, ich muss einen verschwundenen Freund finden. Kenn’ den schon seit der Schulzeit. Mein Freund Gerd ist seit Ostern in Mwanza verschollen. Vor ein paar Tagen hat seine Mutter ihn vermisst ge­meldet. Aber ehe unsere Botschaft oder ihre Polizei was unter­nimmt, ist es möglicherweise zu spät.“

Auf seinen leisen Ton einschwenkend, beuge ich mich zu ihm herüber und frage zweifelnd: „Was macht denn das Verschwinden ihres Freundes so dramatisch, Jens? Kommt doch öfter vor, dass sich hier jemand wochenlang nicht meldet ...“

„Ja, aber Gerd ist Journalist. Der war hinter einer großen Story her. Hätte sich spätestens Anfang der Woche in seiner Redaktion melden müssen. Gerd ist derjenige, der mir vor Jah­ren von den Dia­manten und dem Al-Kaida-Mann an Bord der Bukoba er­zählt hat. Hatte ich ihnen damals von geschrieben. Diesen Dschihadisten hat doch die CIA nie­mals allein reisen lassen. Und wen noch so alles ... ‚Fünfzehn Jahre nach dem Untergang: Wurden die Verantwortlichen je bestraft?’ – für so eine Geschichte sollte Gerd richtig tief im Dreck wühlen. Das ist ihm eventuell nicht gut bekommen ...“

„Klingt nicht ganz ungefährlich ...“, werfe ich lächelnd ein. „Vielleicht sollten wir meinen Tagessatz nochmal neu verhandeln ...“ Ganz wohl ist mir bei der Sache wirklich nicht. „Oder das Ganze vielleicht doch unserer ­Polizei über­las­sen?“

„Nein!“, sagt Petermann sehr bestimmt. „Das reicht nicht. – Auf jeden Fall wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mich be­glei­ten würden und die Reiseplanung übernehmen. In Mwanza müs­sen Sie mir eventuell beim Beschaffen der Taucherausrüstung helfen. Einen Tauchpartner muss ich auch erst noch fin­den, es sei denn, mein Freund Gerd taucht wieder auf. Der kann das. Sie haben nicht zufällig einen PADI-Schein?“

„Einen was?“

„Eine Taucherausbildung.“

„Nein, Gott bewahre. Kommen Sie mir bloß nicht mit Wasser. Taucher finden sie im ganzen Land nicht viele, da können noch so viele Pötte absaufen, das ändert nichts. Sie wissen doch, damals bei der Bukoba brauchte es Tage, bis Profis der süd­afri­ka­nischen Navy auftauchten und geeignetes Gerät he­ran­ge­schafft war. Da waren auch die letzten Überlebenden, die es in den Kabinen im Bauch der Bukoba nachweislich noch gab, tot. Große Scheiße, das alles.“

Unsere leise Unterhaltung wird langsam anstrengend.

„Wollen wir nicht erstmal etwas essen? Kennen Sie ein Lokal in der Nähe?“, fragt der Deutsche wie bestellt. Auf den Magen schlägt das Schicksal der damals Er­­trun­kenen meinem mzungu anscheinend nicht.

„Ja, gern. Wie wär’s mit pakistanisch?“, entgegne ich ein wenig betroffen. Kurz darauf sitzen wir in Khans Barbecue Garage, „dem bes­ten Paki der Stadt“, wie es heißt. Unter der Decke des großen, schmucklosen Saals verteilen träge rotierende Ventilatoren die mit Kardamom, Pfeffer, Öl, Curry und Fliegen satt geschwängerte Luft. Auch das Mobiliar von Khans Laden, weiße Kunststoffstühle, fleckige Plastikdecken auf wackeligen Rohrtischen, passt zum Garagen-Stil. Das Essen servieren Khans Kellner auf schweren Porzellantellern, Messer und Gabel sind aus Blech. All das mag für einem mzungu wie Petermann gewöhnungsbedürftig sein, mir verdirbt hier garantiert nichts den Appetit. Schließlich geht es doch allein um den Geschmack! Nirgends habe ich jemals köstlichere Fleisch­spieße in scharfer Kokossauce mit pilau und Tomatensalat genossen. Fantastisch, besonders natürlich, wenn man nicht selbst zahlen muss. Nur Bier schenkt Mister Khan nicht aus, zwei Mango-Lassi tun es auch.

Das Erbe der MV Bukoba

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