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7. Hannes lässt Petermann genießen

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Vor uns liegt ein freier Nachmittag. Der Deutsche aber macht irgendwie keinen zufriedenen Eindruck. Fehlt es ihm an Ge­duld? Sich in einen mzungu hineinzuver­set­zen, fällt mir nicht leicht.

Statt ins Hotel zurückzulaufen, lässt sich mein Arbeitgeber in einem Straßencafé nieder. Der ganze Laden strahlt in rot: die Stühle, die Tischdecken, die Sonnenschirme. Hätte die Regierung nicht vor Jahren aus hygienischen Gründen bereits alles Plastikgeschirr verboten, wären hier sicherlich auch die Becher, Tassen, Teller und Wasserkrüge rot. „Lassen Sie uns erstmal einen Kaffee trinken, Hannes!“

Dass hierzulande alle Tee statt Kaffee trinken, könnte Petermann eigentlich längst wissen. Noch bevor wir bestellt haben, bringt uns ein kleiner Junge, höchstens zehn, zwei chai mit einer dicken, leckeren Haut Milchfett obenauf.

Petermann verzieht, sofern ich das richtig deute, leicht angeekelt sein Gesicht. „Tschuldigung, Hannes, aber ich möchte lieber einen Kaffee ...“ Als wenn ich etwas dafür könnte, dass dieses Kind so beflissen ist und uns sofort das Beste des Hauses anbietet.

Nachdem die Sache mit dem Kaffee geklärt ist, frage ich: „Wonach steht Ihnen denn jetzt der Sinn, Jens, an ihrem zweiten Tag im Land?“

„Och, ich bin ja nicht zum Vergnügen hier. Aber einfach nur Warten auf unseren Abflug morgen früh passt mir auch nicht so recht ...“

„Museum hatten sie ja schon. Es gibt noch ein sogenanntes ‚Zentrum kulturellen Erbes’ hier, soll ganz nett sein.“

„Irgendwie ist mir mehr nach Natur ...“, sagt Petermann.

„Sie wissen sicher, dass Arusha die touristische Hauptstadt Tansanias ist, nicht wahr? Sieben Nationalparks in unmittel­ba­rer Nähe, einen solchen Ort finden Sie angeblich weltweit nicht ein zweites Mal ...“

„Ja, aber für eine Safari reicht ja unsere Zeit nicht ... Könnten Sie bitte ihr mobile mal nutzen, und Gerds Nummer anwählen?“ Als ich daraufhin nur die Mitteilung der tansani­schen „Voda­com“ bekomme, der Anschluss sei vorübergehend nicht er­reich­bar, entspannt sich Jens wider Erwarten. Verstehe einer diesen Deutschen!

„Der Arusha Nationalpark ist doch ganz nah, oder?“, fragt er mich dann ganz unvermittelt.

„Ja, kann man auch für ein paar Stunden besuchen. Ei­ner der wenigen, wo walking safaris möglich sind. Zieht sich durch die Wälder rund um den Berg. Da gibt’s Affen, Büffel, Zebras, Giraffen, manchmal sogar Elefanten. Nur Löwen nicht.“ Es macht Spaß, den guide zu spielen. Petermann hört auf­merksam zu. „Wir könnten da eine recht spektakuläre Wald­­wanderung ma­chen, würde sogar mich begeistern. Mit etwas Glück sehen wir am Schluss den Kilimanjaro in der untergehenden Sonne. Ich hab das als Schuljunge mal erlebt ... Ist, glaube ich, auch nicht übermäßig teuer. Was halten Sie davon?“

Der Deutsche lächelt mich seltsam an. Bin ich ihm zu forsch? Zu teuer? „Einverstanden. Klasse Idee, ich finde, das machen wir.“

Im gleichen Büro, wo wir eben die Flugtickets kauften, organisiert man uns wenige Minuten später ein Taxi zum Park­ein­­gang. Keine Stunde später entrichten wir den doch recht hap­pigen Eintritt und finden eine Parkrangerin, die uns begleitet. Sie schultert ihr altes Schießgewehr, dann ziehen wir los.

Stundenlang durchstreifen wir den dichten, von gelb ver­gilb­ten Akazien-Blättern gesprenkelten, ansonsten sattgrünen Urwald, wan­­­dern an Giraffen, Antilopen, Dornbüschen und Büffel­her­den vorbei. „Da musste ich schon mal mein Gewehr benut­zen, um diese Hornochsen von einem Angriff abzuhalten!“, erzählt unsere Füh­re­rin nicht ohne Stolz. Auch vor Pavianen, die ganz in der Nä­he herumkreischen, sollten wir uns in Acht nehmen. „Die beißen!“ Das weiß doch jedes Kind. Elefan­ten kriegen wir keine zu Gesicht.

Irgendwann, als meine Beine langsam schwer werden, geht’s unter den Stammresten eines riesigen Feigenbaums durch, den Parasiten überwuchern. Keine zehn Meter weiter springt eine Rotte Buschschweine über den Weg. Und immer wieder genie­ße ich zusammen mit meinem deutschen Geldgeber von Lich­tungen aus den freien Blick in die Ebene.

Unterwegs berichtet unsere Begleiterin, wie bedroht die Tierwelt sei in ihrem Park, dem ältesten Tansanias. „Von allen Seiten stehen wir hier unter Druck, überall siedeln Menschen, die rücken uns immer dichter auf den Pelz. Noch schlimmer aber ist, dass die Besiedlung alle Korridore verschlingt, die die Tiere früher instinktiv nutzten, um den eigenen Genpool aufzu­frischen. Jetzt leben die hier nur noch im eigenen Saft ...“ Die letzten Sätze machen die junge Frau ein wenig verlegen.

Bis hoch zum Krater schaffen wir es natürlich heute nicht. „Wussten Sie, Jens, dass das wahrscheinlich mal der höchste Vulkan Afrikas hier war? Ist vor 8.000 Jahren explodiert, hat ihn den Kopf gekostet.“

„Gar nicht lange her“, bemerkt mein Geldgeber beeindruckt.

Auch zu den be­rühm­ten Momella-Seen kommen wir nicht mehr, dazu bräuch­ten wir ein Auto, das Jens für die paar Minuten, die uns bis zum Sonnenuntergang noch bleiben, nicht mehr bezahlen will. Irgendwo kennt der Mann also doch gewisse Grenzen. Zur Belohnung erhaschen wir auf unserer Rückfahrt vom Taxi aus dann tatsächlich einen kurzen Blick auf den größten aller Berge und seinen schneebedeckten Kibo-Gipfel, dessen Gletscher im Abendrot glühen.

Den Abend verbringen wir mit einem netten Essen im kolonialen Ambiente des Arusha Hotels: Spinat, Bohnen, Süß­kar­tof­feln, dicke Fleischsoße mit Stückchen vom Rind – herrlich! Bald darauf verab­schie­den wir uns recht früh ins Bett. Gar nicht so übel, wenn man sich vor dem Einschlafen noch von der Matratze aus einen „Derrick“ anschauen kann.

Das Erbe der MV Bukoba

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