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3. Körners Auftrag

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Gerds Verschwinden lässt Petermann keine Ruhe mehr. Als er wieder zuhause ist, ruft er direkt in der Redaktion der Zeitschrift an, für die sein Freund arbeitet. Eine Kollegin bestätigt, was Waltraud schon vermutet hatte: Gerd recher­chierte anlässlich des fünfzehnten Jahrestags des Fährunglücks über dessen Hintergründe und sollte spätestens ges­tern seine erste Story abgeliefert haben.

„Arbeitete er undercover?“

„Nee, war offiziell akkreditiert.“ Sein Freund habe sich im März ordnungs­gemäß beim Direktor des Tanzania Information Ser­vice in Dar es Salaam angemeldet und 400 Dollar dafür bezahlt. Er sollte nicht nur alten Gerüchten nach­gehen, nach denen der Untergang auf massive Versäum­nis­se europäischer Schiffs­bau­er zurückzuführen sei, die gerade wieder mit der tansani­schen Regierung ins Geschäft zu kommen suchten. An Bord hätten sich angeblich auch Söldner des berüchtigten südafrikani­schen Rassistenvereins Exe­cu­tive Output, Waffenhändler und Agen­ten verschie­denster Ge­­heim­dienste befunden. Auch mit Überleben­den habe er spre­chen sollen, ob sie je entschädigt wurden, und nachhaken, welche Fol­gen das Unglück für den Seeverkehr bis heute habe. Daraus würden sich leicht zwei oder drei Ge­schichten ergeben. Sollte er gar einen direkten Zusammen­hang zwischen dem Untergang der Fähre und den Machenschaften der Paramilitärs von Executive Output belegen können, die gerade wieder weltweit Schlag­zei­len mach­ten, wä­re sogar eine Titelstory drin.

Zwar kenne sie keine Einzelheiten, könne selbstredend auch keine Kontaktpersonen geschweige denn Informanten nennen, aber insgesamt sei das schon eine recht „heikle Gemengelage verschiedenster Interessen“ für einen ausländischen Journalis­ten. Besorgnis sei durchaus angebracht. Sie selbst habe mal vor Jahrzehnten ganz in der Nähe für einen Reise­buch­­verlag gearbeitet und sei festgenommen worden, nur weil sie unter freiem Himmel einen banalen Lageplan gezeich­net hatte. Da­mals seien die Behörden Tansanias höllisch nervös gewesen wegen vermuteter Spione des Apartheid-Regimes. Tansania war Frontstaat, Rückzugsgebiet für alle Freiheitskämpfer der Region, aus Zimbabwe, Mosambik, Namibia, Angola und Südafrika. Heu­te seien es die Ver­tre­ter der verschiedenen Rebellengrup­pen und Nachrichten­diens­te, Islamisten, Waffen- und Rohstoff­händler, Gold- und Diamanten­schmuggler, die sich die Regierung bemühe, im Auge zu behalten.

Geheimdienste? Söldner? Konterbanden? Hatte Gerd ihm nicht schon vor Jahren etwas von Diamanten an Bord der MV Bukoba erzählt? Blutdiaman­ten! Unter übelsten Bedingungen geschürfte Steine, illegal ausgeführt zur Bezahlung der verschiedensten Dienstleistungen und Waffenhändler, na, vielen Dank. Das hatte er damals so aufregend gefunden, dass er es sofort seinem Bekannten Hannes Wabaye in Moshi berichtete, dem er noch etwas schuldig war.

Beim Googeln stößt Petermann im Netz auf einen weiteren Zusammenhang, der seine Sorge um den Freund verstärkt. An Frieda gewandt, ruft er:

„Das hatte ich doch glatt vergessen! Hast du das gewusst? An Bord der Fähre, die damals unter­ging, war auch die Nummer Zwei von Al-Kaida! Das war gera­de mal zwei Tage, nachdem der Sudan Osama bin Laden aus Khartoum ausgewiesen hatte und der nach Afghanistan abhauen musste!“ Bin Laden selbst, Al-Kaidas vermeintlich so grausamer Chef, war dieser Tage in aller Munde. Nach jahrelanger Jagd hatten ihn die Amerikaner gerade in Pakistan erschossen und im Meer versenkt.

„Wir werden Gerd finden müssen! Das kann man nicht den Schnarchnasen von der Botschaft überlassen.“ Einmal ausge­spro­chen, lässt sich der Gedanke nicht mehr einfangen.

Noch am gleichen Abend besucht Jens Petermann erneut Gerds Mutter. Erleichtert über die Initiative, die der langjährige Freund ihres Sohnes entfaltet, bietet Waltraud Körner ungefragt an, Petermann Flugticket und Aufenthalt zu bezahlen. Als es dunkel wird, hat ihr Nachbar seine Termine geregelt und sich zwei Wochen freigeschaufelt. Für Donnerstagnacht hat er einen Flug von Frankfurt direkt zum Kili­ma­njaro gebucht. Rasch versendet er noch eine E-Mail an seinen Bekann­ten Hannes Wabaye in Moshi. Wär’ doch ge­lacht, wenn der nicht ein zweites Mal als Fremdenfüh­rer zu gewinnen wäre.

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