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4. Hannes wird gebraucht

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Der Anruf kam erwartet. Trotzdem riss mich das Scheppern des alten Wählscheibentelefons von der Matratze. Eben noch träumte ich von einem süßen chai, plötz­lich bin ich gefragt. Verschlafen greife ich nach dem Hörer.

„Hannes? Hier spricht Jens Petermann!“

In der Leitung knackt es fürchterlich, aber es ist unverkennbar die Stimme des mzungu, die ich zuletzt vor gut zwei Jahren hörte. Hinter der Grundstückmauer geht gerade die Sonne auf, Null Uhr meiner Zeit.

„Hannes! Sind Sie da?“

„Ja, ja, Jens, bin ich. Miese Verbindung, das ist alles. Von wo rufen Sie an?“

„Bin gerade gelandet, auf dem Kilimanjaro Airport. Direkt aus Frankfurt! Bin noch ganz weg vom Blick auf ihren Berg im Morgengrauen ...“

Diese wazungu sind wirklich schnell. Vorgestern erst hatte mir der lange Deutsche eine E-Mail geschickt, die erste seit einem Jahr. Gestern hatte ich sie im Dot Café gelesen, wo ich möglichst täglich einmal bin. In der Mail hatte Jens Petermann verklausuliert ange­kündigt, erneut nach Tansania zu fliegen. Ganz plötzlich habe sich die Gelegenheit ergeben, seiner schon einmal ange­deu­te­ten Idee nachzugehen, bei uns nach Diamanten zu tau­chen. Hätte ich nicht vor Jahr und Tag einen Brief erhalten, in dem der Deutsche diese Schnapsidee schon einmal erwähnt hatte, hätte ich ihn umgehend für ver­rückt erklärt.

Ein Jahr nach unserem gemeinsamen Abenteuer im Süden, bei dem ich ihm half, in Njinjo einen Schatz aus deutscher Kolonialzeit zu heben, hatte mir Petermann damals einen Dankbrief geschrieben, dem ein Scheck über 5.000 Euro beilag. Geduld bringt Glück, wie das Sprichwort sagt. Und Kröten nicht immer Schande! Zwar hatte ich von dem Mammon sofort zwei Drittel an meine patente Tante Honorata abführen müssen, die vom Geld­verdienen einfach mehr versteht als ich und das Unternehmen damals finanziert hatte, aber immerhin: Ein Gramm Reis ist für eine Ameise eine schwere Ladung – ein verarmter Wirtschaftsberater wie ich darf glücklich auch über kleine Erfolge sein.

Seinen Brief hatte der Deutsche damals mit einem PS beschlossen: „Als 1996 die MV Bukoba im Viktoriasee versank, sollen auch Diamanten an Bord gewesen sein. Wer die birgt, kann richtig Kohle machen ...“ Auf so eine Idee können nur wazungu kommen. Diamanten an Bord einer versunkenen Fähre! Zwar gibt’s die Steine ja tatsächlich in Hülle und Fülle bei uns, in einem der ärmsten Länder der Welt. Überall buddeln Glücksritter danach herum, Dutzende sterben jedes Jahr in ihren unabgestützten Stollen. Aber wer wird schon in den Tiefen des Viktoriasees danach tauchen?

Jetzt befindet sich dieser Jens Petermann also tatsächlich wieder im Land, kaum fünfzig Kilometer weit entfernt. Sein letzter Besuch hat mir immerhin eine interessante Reise und drei Millio­nen Shilling beschert, Geld, das mei­ne kleine Firma ein paar Wo­chen vor der Pleite rettete. Inso­fern habe ich diesen mzungu nicht in schlechtester Erinnerung. Schätze das Glück, solange es noch da ist!

„Ja, der Gipfel glüht gerade auch vor meinem Fenster ...“

„Was brennt?“

„Nichts, keine Sorge, alles gut.“ Hätte ich statt blazing glowing sagen sollen? So früh morgens ist mein Englisch eben noch nicht spruchreif. „Was kann ich für Sie tun, Jens?“

„Haben Sie denn meine E-Mail nicht erhalten?“

„Doch, doch, aber ganz schlau bin ich nicht daraus geworden. Sie wollen an den Viktoriasee?“

„Ja. Und ich brauche einen guide, jemanden, der sich aus­kennt, übersetzen kann und vielleicht auch Tauchersachen auftreibt. Sie wissen doch, was ich vorhabe! Wär’ das nichts für Sie?“

Alles eine Frage des Preises, wie es meine geschäfts­tüch­tige Tante ausdrücken würde. Weiß der Mann eigentlich, dass ich allein lebe? Dass ich ziemlich frei verfügbar bin? Nein, das kann er gar nicht wissen. So wäge ich meine Ant­wort sorgfältig ab. „Das kommt jetzt alles etwas plötzlich, Jens. Natürlich würde ich Ihnen gern behilflich sein, aber ...“

Das hatte ich vor Jahren schon einmal für Petermann getan. Damals war ich ihm tagelang quer durchs Land in den hintersten Winkel im Süden gefolgt, dann hatte er mich ge­braucht und angestellt. Kurz darauf saßen wir beide im Knast. Da scheint mir meine Verhand­lungs­position heute deut­lich stär­ker. Immer­hin fungiere ich seit meinem vierzigsten Ge­burts­tag letztes Jahr als einer der ersten, einzigen und somit besten Pri­vatdetek­tive Tansanias, sieht man mal von der Handvoll Sherlock Holmes ab, die sich in den aus­­ländischen Security Firmen zum Schutz der wazu­ngu und anderer Rohstoffjäger bei uns im Lande tummeln. Seither halte ich mich fit und gehe täglich mindestens einmal vor die Tür. Zur Werbung mit einem Körper wie Will Smith aller­dings wird meine Figur nie taugen, die kommt eher nach Columbo.

„Gut, gut, ich verstehe, Hannes. Können wir uns darüber vielleicht heute Abend bei einem Bier unterhalten? Ich lade Sie ein!“

Das geht mir alles ein wenig schnell, aber was soll ich schon dagegen haben? So viele lukrative Aufträge lauern ja nun nicht hinter hiesigen Straßenecken. Ich bleibe also verbindlich. „Klingt nett. Wo werden Sie denn unterkommen, Jens?“

„Hab’ mich für zwei Nächte im Arusha Crown Hotel ein­quar­tiert, ist modern, nicht so teuer und liegt zentral.“

„Kenne ich, so ein Eckhaus direkt am Stadion, nicht wahr?“

„Ja. Auch für Sie ist hier ein Zimmer reserviert, Hannes. Heute Abend um acht an der Bar? Natür­lich übernehme ich die Kosten ...“

Längst sitze ich senkrecht auf meinem Bett. „Okay, Jens, ich werd’s versuchen. Muss allerdings erst noch einiges umorganisieren. Wenn was dazwischen kommt, sag ich im Hotel Bescheid.“ Auf keine Frau oder Familie Rücksicht nehmen zum müssen, hat seine Vorteile. Nicht nur, weil man sich dann weniger streitet. Eine solche Einladung kann ich als Geschäftsmann ja gar nicht ablehnen. Aber das muss ich dem Deutschen nicht unbedingt auf die Nase binden.

Das Erbe der MV Bukoba

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