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Der letzte Sommer vor dem ‚Ernst des Lebens‘…

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Der letzte Sommer vor meiner Einschulung war herrlich und noch heute kann ich mich an so einiges erinnern. Es war heiß draußen und Oma hatte morgens schon die graue Zinkwanne im Garten mit Wasser gefüllt. „So, jetzt lassen wir die Sonne draufscheinen, damit das Wasser heute Nachmittag nicht mehr so kalt ist. Dann kannst du ein bisschen im Wasser plantschen.“ Dabei sah sie mich lächelnd an. „Au ja!“, rief ich und freute mich auf dieses kleine Abenteuer. Ich liebte das Wasser. Natürlich gab es auch ein Freibad in unserer Stadt, aber das war zu weit weg und so hatte ich mein eigenes kleines Planschbecken und das fand ich toll und war zufrieden damit.

In der Zeit vor meiner Einschulung bereitete Oma mich auf den sogenannten Ernst des Lebens vor, indem sie unter anderem mit mir jeden Morgen das Einmaleins übte. Sie sagte immer: „Das musst du schon können, wenn du in die Schule kommst. Das ist wichtig.“ Und so lernten wir jeden Morgen beim Haare kämmen und bald konnte ich das kleine Einmaleins vorwärts und rückwärts aufsagen. Dann kam das große Einmaleins dran. Das war schon etwas schwieriger. Aber nach einer Weile konnte ich das auch. Meine Oma lobte mich auch gebührend dafür, und ich war ganz stolz.

„Glaubst du, dass sich Mutti auch darüber freut wenn sie kommt und ich ihr das erzähle?“, wollte ich wissen. „Darüber freut sie sich ganz bestimmt!“, antwortete meine Oma lächelnd.

Ich konnte es kaum erwarten, meiner Mutter diese große Neuigkeit zu erzählen, und malte mir in Gedanken aus, wie sie mich lobte und stolz auf mich war. Ja, ich liebte meine Mutti noch zu dieser Zeit trotz allem. Und ich wollte unbedingt, dass sie stolz auf mich war. - Nur… wann kommt sie denn eigentlich das nächste Mal zu Besuch? Auf meine Frage hin zuckte meine Oma bedauernd die Schultern und sagte, dass sie das auch nicht genau sagen könnte und dass wir warten müssten, bis sie das nächste Mal anruft. „Kannst du sie nicht mal fragen, ob sie zu meiner Einschulung kommen kann? Das wäre soooo toll!“, rief ich voller Begeisterung von dieser Idee. „Na, ich frage sie mal, wenn wir das nächste Mal telefonieren. Mal sehen ... vielleicht kann sie sich ja frei nehmen“ antwortete Oma.

Ja, inzwischen hatte sich der Fortschritt bei uns breit gemacht und wir hatten ein eigenes Telefon im Wohnzimmer und meine Mutter rief auch manchmal an. Und so hoffte ich, dass das Telefon bald klingeln, und meine Mutter sich melden würde.

Ich wusste, dass meine Oma ihr außerdem auch einen Brief geschrieben hatte, denn meine Einschulung stand bald bevor, und da gab es noch viel zu klären und zu organisieren. Außerdem hatte meine Mutter fest versprochen, rechtzeitig Geld zu schicken, damit meine Oma vorher die nötigen Dinge kaufen konnte, die ich zur Einschulung brauchte. Mein Opa verdiente damals nicht viel und so waren meine Großeltern auf das Geld, das meine Mutter für mich schicken sollte angewiesen.

Natürlich ließ es sich meine Oma nicht nehmen auch etwas zu meiner Einschulung beizusteuern. Sie kaufte mir meinen ersten Schulranzen, die dazu passende Butterbrottasche, eine Schiefertafel, den Griffelkasten mit Inhalt und die Kleidung, die ich an meinem ersten Schultag tragen sollte: ein rotes Kostüm mit einer weißen Bluse darunter. Und die Bluse hatte rote Punkte in exakt der gleichen Farbe wie das Kostüm.

Und nun wartete Oma jeden Tag auf das von meiner Mutter versprochene Geld. Denn eines der wichtigsten Dinge für meine Einschulung fehlte ja noch: Die Schultüte! Und auf die freute ich mich schon ganz besonders, das wusste Oma. Ich hatte im vergangenen Jahr nämlich an der Schule gestanden und die Kinder die eingeschult wurden beobachtet. Jedes Kind hatte eine schöne bunte und prall gefüllte Schultüte im Arm. Und bald würde ich genauso da stehen wie diese Kinder und auch ich würde eine große bunte, prall gefüllte Schultüte im Arm halten. Was da wohl alles drin sein würde? Bald ... ja bald…

In der Zwischenzeit hatte meine Mutter sich tatsächlich telefonisch bei meiner Oma gemeldet und ihr mitgeteilt, dass das Geld für die fehlenden Sachen zur Einschulung bereits unterwegs sei. Damit war sicher gestellt, dass meine Oma sich auch noch rechtzeitig um die heiß ersehnte Schultüte kümmern konnte. – Für ein paar kurze Worte mit mir am Telefon hatte sie aber leider keine Zeit. Sie ließ mich lieb grüßen und versprach bald zu Besuch zu kommen. Sobald sie Zeit hätte. – Ich war sehr enttäuscht. „Ach man… ich wollte Mutti doch erzählen wie gut ich das Ein mal Eins schon kann!“ Meine Oma tröstete mich.

Ich hoffte ganz fest, dass Mutti bei meiner Einschulung dabei sein würde… und schon war sie wieder da die Freude auf den ersehnten Tag! Bald war ich ein Schulkind! Ich war ganz sicher, dass meine Mutti dieses große Ereignis auf gar keinen Fall verpassen wollte. Denn eingeschult wird man nur einmal im Leben. Das hatte meine Oma selbst gesagt.

Mutti, warum hast du mich nicht lieb?

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