Читать книгу Mutti, warum hast du mich nicht lieb? - Gabi P. - Страница 2

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Alles begann in einer kalten und nebligen Novembernacht des Jahres 1958.

Ich war, so erzählte meine Oma mir später, ein ganz normaler kleiner Schreihals, als ich das Licht der Welt erblickte. – Höchstens etwas schwerer, als manch andere Babys, denn Mutti hatte während ihrer Schwangerschaft tüchtig für 2 gegessen und das Resultat war eben ich: ein kräftiger, süßer Wonneproppen.

Sie entschuldigte meinen Babyspeck und ihre Frühlingsrollen später immer mit den vorwurfsvollen Worten: „Ja ich musste doch so viel essen, weil du ständig Hunger hattest.“ Aha! – Diese warmen, liebevollen Worte möchte ich an dieser Stelle jedoch lieber nicht weiter kommentieren, denn ich war ja in Mutters Bauch und daher noch völlig wehrlos.

Aber Mutti verstand es von Anfang an, ihre eigenen Fehler geschickt zu verstecken, die von anderen aber vollmundig hervorzuheben. Das erwärmte so manches Herz eines (meist männlichen) Gesprächspartners zu ihren Gunsten. Eine Eigenschaft, die mir später leider noch oft begegnen sollte ...

Und dann war ich also da, und in der ersten Zeit sehr beschäftigt mit Essen, Schlafen, die Windeln vollmachen. Und natürlich mit der wichtigsten Aufgabe aller Babys: wonnig alle Herzen im Sturm zu erobern. Ja, es war eine Zeit, in der meine winzig kleine Welt in Ordnung war. Oder zumindest fast.


Denn eine Kleinigkeit unterschied unsere Familie von Anfang an von vielen anderen Familien in der damaligen Zeit:

Mutti und meine Winzigkeit lebten im Haushalt meiner Großeltern. Ohne meinen Vater. Denn dieses Vater-Ding war in meinem Falle etwas kompliziert und sorgte in unserer Familie noch für so mancherlei Wirbel ...

In der heutigen Zeit wäre so etwas kaum mehr ein Problem, damals jedoch, Ende der 50er und auch in den 60er und 70er Jahren war das bei der noch recht zugeknöpften Gesellschaft ein absolutes NO-GO!

Ja, es war sicher nicht einfach für Mutti, in dieser Zeit mit einer stets größer werdenden Kugel vor dem Bauch herumzulaufen. Es wurde hinter ihrem Rücken getuschelt und es gab schon die ein oder andere spitze Bemerkung hinsichtlich ihrer nach vorne wachsenden Größe. Und sowas ist zugegebenermaßen nie schön. Die Menschen waren damals oft prüde und erzkonservativ und eine junge schwangere Frau, unverheiratet, ohne den dazu gehörigen Vater, war schon ein richtiger Skandal.

Soweit verstehe ich das alles. Wofür ich kein Verständnis habe, ist die Tatsache, dass sie mich bei meinen Großeltern zurückließ und ihnen die komplette Verantwortung für mich überließ in Kombination mit den Auswirkungen des Skandals, dass ihre Tochter unverheiratet schwanger geworden war. Aber so war Mutti halt ...

Dazu kommen wir später auch noch etwas ausführlicher, denn dieser Umstand sollte für mich in meiner frühen Kindheit, wie gesagt, noch für eine Menge Unruhe und sogar Ärger sorgen.


Aber der Reihe nach: Wo war ich vorhin gleich stehen geblieben? Ach ja: Bei mir, dem süßen kleinen Sonnenschein.

Meine Anwesenheit erfreute ganz besonders meine Großeltern von Anfang an. Meine Mutter erfreute ich eher weniger. Sie hatte mich nun „am Hals“ wie sie das später oftmals solo liebevoll bezeichnete, da dies ihre nähere und fernere Zukunft empfindlich beeinflussen und sogar stören sollte.

Ihr wäre es sehr viel lieber gewesen, wenn ihre Versuche, das heranwachsende Wunder des Lebens wieder loszuwerden von Erfolg gekrönt gewesen wären (was sie später natürlich vehement bestritt). Autsch!! Das war jetzt gar nicht nett und töchterlich von mir, aber die Wahrheit war und ist nun mal nicht immer „nett“.

Mutti wollte das kleine Wunder des Lebens gar nicht haben. Sie wollte es loswerden. Es war ihr lästig. Dass das von Anfang an klar ist!

Sie fragen sich, woher ich das alles weiß? Ich sag’s mal so: Aus zum Teil nicht zu nennenden, aber absolut zuverlässigen Quellen. Sie verstehen schon: Recherche ist eben einfach alles. - Und vieles erfuhr ich natürlich von Oma und Opa.

Selbstverständlich sah „Mutti“ das alles stets ganz anders, wie sich sicher jeder vorstellen kann. Nach ihrer Auffassung hatte ich ja sowieso keine Ahnung was SIE wegen mir alles so hat durchmachen müssen damals ... SIE!! Man beachte die Einzahl in der SIE spricht, was dem ein- oder anderen Leser im weiteren Verlauf dieser Geschichte noch öfter auffallen wird. Sie hätte sich mir ja mitteilen können, so von Mutter zu Tochter, mir ihr Vertrauen schenken oder so ... aber nein ...

Natürlich weiß ich das Meiste aus meinen ersten 3 bis 4 Lebensjahren - wie bereits erwähnt - aus Erzählungen, vorwiegend von meiner Oma und meinem Opa, aber auch von anderen Verwandten und Menschen aus dem näheren Umfeld.

Meine Mutter durfte ich auf diese Thematik niemals ansprechen. Mein ganzes Leben lang nicht. Ich weiß nicht wie oft ich es in späteren Jahren wieder und wieder versucht habe ... Sie rastete dann jedes Mal komplett aus und meinte dann immer wieder auf meine bohrenden Nachfragen zu meiner Kindheit: „Das ist alles schon so lange her, das weiß ich heute nicht mehr… Und hör endlich mit der ständigen Fragerei nach der Vergangenheit auf! Dir ging es doch gut. Du hast immer alles gekriegt was du wolltest!“

Eine, wie ich bald lernen sollte, sehr gängige Standardantwort von ihr, um sich vor der Verantwortung einer ehrlichen Aussprache zu drücken und um mich abzuwimmeln. Ich wollte allerdings nicht nur einfach eine Aussprache für mich. Nein, ich wollte auch verstehen, wie es ihr damals ergangen war. Ich war schließlich ebenso betroffen wie sie.

Nun ja ... wie dem auch sei, Ehrlichkeit war ohnehin nie die Stärke meiner Mutter, jedenfalls nicht die Form von Ehrlichkeit wie man sie üblicherweise so kennt. Das sollte mir in späteren Jahren noch sehr oft zu schaffen machen.

Ehrlichkeit gab es in ihrem Wörterbuch nämlich nur sehr eingeschränkt. Sie log sich lieber das Leben schön und nannte das dann Ehrlichkeit. – Und beweise ihr mal einer das Gegenteil! Denn außer ihr sind alle anderen ja sowieso nur Lügner, die ihr ihre Schönheit und ihren Erfolg neiden, mmpf ... Welchen Erfolg eigentlich? Bis heute fehlen das Firmenimperium, der Fuhrpark nebst Chauffeur, die 12-Zimmer Villa und das Personal zu der prunkvollen Villa. – Erfolg, ja den hatte sie schon ... vor allem bei den Männern. Denn sie war, zugegeben, eine schöne, attraktive Frau, die es seit ihrer Teenagerzeit verstand, die Herren der Schöpfung um ihre gepflegten lackierten Finger zu wickeln. Ja, sie war hübsch. Aber etwas ganz Entscheidendes fehlte ihr: Das Herz. An dieser Stelle wohnte in ihrer Brust ein großer Eisklotz gepaart mit einer Riesenportion Egoismus!!

Bei meiner Oma war alles ganz anders. Sie war eine warmherzige und gütige Frau mit einem großen Herzen für jeden. Sie versuchte ihr ganzes Leben lang, es allen recht zu machen. Vor allem für ihre Kinder und Enkel tat sie, was sie konnte. Sie sorgte sich um jeden und wollte immer, dass es allen gut ging.

Für Oma war ich, so sagte sie mir immer wieder mit einem liebevollen Lächeln, wie ihr 8. Kind. Sie gab mir all ihre Liebe, Wärme und Geborgenheit. Sie war stets der Mittelpunkt meines Lebens, mein Fels in der Brandung, mein ruhender Pol und ich liebte sie sehr. Wann immer ich Kummer hatte, sie hörte aufmerksam zu, hatte stets ein offenes Ohr und wenn nötig, genau die richtigen tröstende Worte für mich. Sie gab mir immer das Gefühl die Welt wieder heile zu machen.

Dann war da natürlich auch noch mein Opa, den ich ebenfalls sehr liebte. Ich hatte aber auch großen Respekt vor ihm. Er war zwar manchmal etwas streng, aber oft auch sehr lustig. Und er hatte immer Zeit für mich, wenn er zu Hause war und sein Mittagsschläfchen beendet hatte, denn sein kleines Schläfchen wie er es immer nur liebevoll nannte, war ihm sein Leben lang heilig und jeder in unserer Familie wusste und respektierte das.

Und dann lebte in unserem Haushalt noch mein Onkel Horst. Er war das jüngste von Omas Kindern und er war seit frühester Kindheit blind. Aber trotz seiner Blindheit war er ein lebensfroher, lustiger Zeitgenosse, der für mich mehr ein großer Bruder als ein Onkel war. Er lachte und tobte viel mit mir und hatte immer einen lustigen Spruch auf Lager. Es gab immer Spaß mit ihm. Auch er spielte in meinem Leben eine sehr wichtige Rolle.

Jeder in unserer kleinen Siedlung kannte und mochte meinen Onkel und seine fröhliche Art. Zudem war er sehr hilfsbereit und was er trotz seiner Blindheit oft auf die Beine stellte, war bemerkenswert. Mein erster Roller, mein erstes kleines rotes Fahrrad und vieles mehr bekam ich von ihm und er freute sich jedes Mal wie ein kleines Kind, wenn ihm wieder einmal eine Überraschung gelungen war.

Oma und Opa hatten insgesamt 7 Kinder groß gezogen, die sie alle von Herzen liebten – sogar meine Mutter, die es einem mit ihrer Überheblichkeit und ihrer Besserwisserei oft nicht leicht machte, sie zu mögen.

Und meine Mutter? ... Die liebte vor allem sich selbst ... und irgendwie auch mich ... als Baby und Kleinkind zumindest. Ich war klein und niedlich wie alle Babys, mit dem so typischen Baby-Charme. Und die liebt man eben. – Vor allem liebte sie mich wahrscheinlich aber auch deshalb, weil ich ihr noch nicht widersprechen konnte. Und in dieser frühen Kinderzeit liebte auch ich meine Mutter sehr.

In den ersten 3 Lebensjahren war meine kleine Welt deshalb auch so ziemlich heil und in Ordnung. Meine Großeltern kümmerten sich tagsüber sehr liebevoll um mich, und wenn meine Mutter am Abend von der Arbeit nach Hause kam, dann kümmerte sie sich auch liebevoll um mich.

Ja und dann wäre da noch mein Vater, über den es das ein- oder andere zu sagen gäbe. - DAS ist jedoch eine ganz andere Geschichte, die ich hier natürlich nicht unerwähnt lassen möchte, denn es fragt sich sicher ohnehin schon jeder, wieso er sich nicht auch liebevoll um mich gekümmert hat, und das war so:

Mutti, warum hast du mich nicht lieb?

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