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Vater, Mutter, Kind ...

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Mutti hatte mit ‚ihm‘ wohl in der Karnevalszeit so richtig ihren Spaß gehabt. - Und im Spaß haben war sie schon immer richtig gut wie ich heute weiß. Man berücksichtige dabei bitte die Tatsache, dass wir das Jahr 1958 schrieben und da ich im November das Licht der Welt erblickte, muss es Anfang des Jahres bitter kalt gewesen sein für Schmetterlinge im Bauch ... und für die Freuden der heißen Liebe ... Also wo genau war es denn eigentlich passiert, das Wunder des Lebens? Auf der grünen Wiese? Wohl eher unwahrscheinlich bei den Temperaturen.

Die „Gehen wir zu dir oder zu mir“ Frage stellte sich natürlich ebenfalls nicht denn: Meine Großeltern hätten ihrer reizenden Tochter ganz sicher was anderes erzählt, wenn sie mal eben so ganz beiläufig mit „ihm“ nach Hause gekommen wäre und gesagt hätte: „‘Tach zusammen, das ist Heinz, und übrigens: er übernachtet heute bei mir.“ – Völlig undenkbar damals aber: Eine höchst interessante und amüsante Vorstellung, die mich irgendwie schmunzeln lässt.

Nun, da ich diese pikanten Details bis heute leider trotz eifrigster Recherchen nicht mehr klären konnte, überlasse ich diese Überlegungen mal dem Leser dieses Buches und seiner Fantasie ...

Und nach dem Spaß kam dann wohl der Ernst: Der Tag des bitteren Erwachens, an dem Mutti schockiert herausfand, dass „er“ sich ihr (angeblich) unter falschem Namen vorgestellt und bereits eine Ehefrau und 4 Kinder hatte. Oder waren es gar 5? Man vergebe mir, wenn ich DAS nicht so genau weiß, denn es wurde ja um alles, was meinen Vater betraf damals ein Riesengeheimnis mit viel Tam-Tam gemacht.


Als Mutti dann einige Zeit später entsetzt feststellte, dass sie schwanger war, versuchte sie, so erfuhr ich später, mit heißen Bädern und anderen haushaltsüblichen Mitteln alles, um die Schwangerschaft abzubrechen. Denn ein Kind passte weder in die prüde Zeit der 50er Jahre und schon überhaupt nicht in Mutters fantasievolle bunte Pläne von Wohlstand, Glanz, Klunkern und Reichtum. Und dann der Skandal ... Das wäre ein hässlicher Fleck auf ihrem Heiligenschein! Unvorstellbar in jeder Hinsicht!! Außerdem log es sich doch viel schöner wenn man keinen kleinen Sonnenschein wie mich hatte ...

Aber, da war wohl nichts mehr zu machen, ich hielt mich tapfer und hartnäckig in Muttis Bauch.

Das Schicksal hatte zugeschlagen und offensichtlich andere Pläne mit ihr und mir, und so erblickte ich dann also in einer nebligen, kalten Novembernacht 1958 nach einer nicht sehr einfachen Geburt (weil Mutti ja zu viel gefuttert hatte, und ich zu groß geworden war) das Licht der Welt. Wie ich später erfuhr, wollte sie mich nach der Geburt zuerst überhaupt nicht sehen. Ich hätte ihr nur Stress und Schmerzen bereitet, ihren Körper kaputt gemacht und deshalb lehnte sie das kleine süße Wunder des Lebens zuerst mal ab. Aber nach viel gutem Zuspruch von Ärzten, Schwestern und meinen Großeltern nahm sie mich dann doch endlich gnädig in die Arme.

Soweit also der Teil der Geschichte und der Legende über meine Entstehung und Anwesenheitsberechtigung….

Weiter geht’s aber jetzt erst mal mit der Papa-Geschichte:

Es gab da diesen einen wichtigen Punkt, der zu Mutters dramatischem Ammenmärchen, das sie sich zusammen spann, nicht so recht passen wollte.

Denn trotz der ständigen Behauptungen, dass mein Vater nichts taugen würde und sogar ein „böser Mann war“, wollte er ganz offensichtlich doch sowas wie Verantwortung für mich übernehmen. Immer wieder versuchte er, wenn auch vergeblich, mit meiner Mutter in Kontakt zu treten, um mit ihr über mich zu sprechen. Er wartete auf sie an der Bushaltestelle, wenn sie von der Arbeit nach Hause kam und er klingelte auch oftmals an der Wohnungstür meiner Großeltern, um mit ihnen zu reden - und auch um mich zu besuchen. Aber meine Mutter duldete das alles nicht, hetzte zuerst ihre Brüder auf ihn, die ihm mit eiserner Faust klarmachten, dass er sich von meiner Mutter und mir fernzuhalten hätte. Und dann erwirkte sie sogar eine Verfügung, die ihm verbot, sich ihr und vor allem mir zu nähern. Und somit nahm sie ihm und mir von Anfang an die Chance, jemals so etwas wie eine Vater-Tochter Beziehung aufzubauen, was mir bis heute die Zornesfalten ins Gesicht treibt.

Ist jemand, der trotz all dem versucht, mich zu besuchen wirklich böse? Ich bezweifele das bis heute.

Dieser Teil der „Papa-Legende“ wollte jedenfalls so gar nicht zu der Geschichte passen, die Muttern mir und dem Rest der Welt auch in späteren Jahren immer wieder versuchte aufzutischen.


Ok ... machen wir an dieser Stelle erst mal Schluss mit wilden Spekulationen und Erklärungsversuchen, überspringen die ersten 3 Jahre meines jungen Lebens und starten den weiteren Verlauf im Sommer meines 4. Lebensjahres, in dem meine kleine heile Welt ganz allmählich anfing zu bröckeln, ja, sich sogar entscheidend zu verändern. Denn das war die Zeit, in der meine Mutter beschloss, aus unserer wunderschönen kleinen Heimatstadt wegzuziehen, um sich in einer weit entfernten Großstadt eine Arbeit zu suchen.

Oder wie ich es bis heute liebevoll nenne: Um sich in der großen weiten Welt einen reichen Mann zu angeln, der ihr 24 Stunden huldigte, sie mit teurem Schmuck behängte und aus ihr „eine feine Dame von Welt“ machen sollte, denn für sie war das schon immer das Wichtigste gewesen. Ich würde sie dabei nur stören, denn wer nimmt schon eine Frau mit einem kleinen Kind? So sagte sie jedenfalls später immer wieder, wenn es darum ging einen neuen Fisch an Land zu ziehen.

Sie erklärte also meinen Großeltern eines schönen Tages kurz und knapp, dass es in unserer beschaulichen Heimatstadt leider keine passende Arbeit mehr für sie gäbe und sie deshalb ganz dringend in die weit entfernte Großstadt ziehen müsse, denn nur dort und nirgendwo anders könne sie was Passendes finden. – Und da fing es an: Sie begann sich das Leben schön zu lügen, Teil 1.

Nun könnte man eigentlich denken: Gut, sie will sich ein eigenes Leben in einer anderen Stadt mit ihrer kleinen Tochter aufbauen, für sie sorgen. So wie sich das gehört. Das ist doch sehr schön und völlig in Ordnung so. Oder? – Eine reizende aber völlig unzutreffende Traumvorstellung, wenn man meine Mutter kennt. Denn in der farbenfrohen Fantasiewelt meiner Frau Mama gab es bei all ihren schillernden Plänen nämlich einen ganz großen Störfaktor: MICH!!

Und deshalb sollte ich, so hatte es Mutti tatsächlich ganz allein beschlossen, bei meinen Großeltern bleiben, während sie die weite (und vor allem männliche) Welt entdeckte. Sie erklärte meinen Großeltern, sie müsse ja schließlich schwer und lange arbeiten und da hätte sie überhaupt keine Zeit, sich auch noch um ein kleines Kind zu kümmern. Und deshalb sei ich bei Oma und Opa viel besser aufgehoben! Vielleicht sollte ich noch eben kurz erwähnen, dass sie später in der großen Stadt in einem Café als Serviererin arbeitete ... eine schwere Arbeit die man selbstverständlich in unserer beschaulichen Heimatstadt nicht ausüben konnte ...

Heute kann ich nur sagen: Gott sei Dank gab es meine Großeltern, die nach Muttis damaliger Auffassung eben gut dafür geeignet waren, sich um mich zu kümmern, während sie in der weiten Welt die große Dame mimte.

Immerhin versprach sie meinen Großeltern hoch und heilig, sie wollte jedes Wochenende nach Hause kommen um mich zu besuchen ... und um dann natürlich höchstpersönlich und äußerst liebevoll ihren Mutterpflichten nachzukommen. - Und sie wollte außerdem auch jeden Monat das nötige Geld für meinen Unterhalt schicken.

Meine Großeltern fanden das alles natürlich zuerst überhaupt nicht so toll und es gab eine Menge hitziger Diskussionen, denn schließlich gehört eine Mutter zu ihrem Kind und nicht irgendwo in die Weltgeschichte. Aber davon wollte Mutti nichts wissen, denn wenn sie sich mal was in den Kopf gesetzt hatte, dann machte sie das auch, ohne auf irgendjemanden Rücksicht zu nehmen ... und schon gar nicht auf meine Großeltern oder auf mich.

Aber ich hatte ja richtig großes Glück: Sowohl meine Oma als auch mein Opa hatten mich längst in ihr Herz geschlossen und erklärten sich letztendlich gerne dazu bereit, sich um mich zu kümmern. „Wir haben 7 Kinder groß gezogen, da kriegen wir auch noch ein achtes groß“, sagte meine Oma mit einem Lächeln. - Und so fing eben alles an ...

Mutti, warum hast du mich nicht lieb?

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