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Ein Mädchen steht im Walde…

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Ja, es war nicht immer leicht für mich in diesen ersten Jahren in unserer kleinen Siedlung. Die dicke Babsi ließ kaum eine Gelegenheit aus, sich Gemeinheiten für mich auszudenken. Und sie zog sogar Jutta aus der Nachbarschaft mit herein, was mir besonders wehtat, denn ich mochte die 3 Jahre ältere Jutta, spielte gerne mit ihr und vertraute ihr. Doch eines schönen Tages sollte dieses Vertrauen zum ersten Mal in Frage gestellt werden ...

Es war ein wunderschöner warmer und sonniger Tag und ich spielte mit meinem neuen Ball, den Oma mir wenige Tage zuvor gekauft hatte. Da kamen Jutta, Babsi und noch zwei weitere Mädchen auf mich zu. „Wir wollen Verstecken spielen und wollten dich fragen ob du nicht Lust hast mit zu spielen. Je mehr wir sind desto lustiger ist es doch“ sagte Jutta und lächelte mich an.

Ich sah unsicher von Jutta zu Babsi. Doch dann nickte ich zögernd. „Na gut ...“, sagte ich. ‚Jutta ist ja dabei, dann wird schon nichts passieren‘ dachte ich mir und lief mit den Mädchen in Richtung Wäldchen. „Da macht es doch viel mehr Spaß sich zu verstecken“ rief Babsi.

Unsere kleine Siedlung war von einem herrlichen Waldgürtel umgeben und durch die vielen Spaziergänge mit Oma und Opa kannte ich den größten Teil des Waldes recht gut. Aber Jutta, Babsi und die anderen Mädchen liefen in einen Teil des Waldes, der mir noch nicht so vertraut war. Aber Jutta war ja dabei und ich versuchte tapfer, meine Angst abzulegen. „Wir verbinden dir die Augen, du zählst laut bis 20 und wir verstecken uns dann“ sagte Jutta und band mir ein Tuch vor die Augen, das sie vorher um den Hals getragen hatte.

Ich ließ es geschehen, zählte bis 20, nahm die Augenbinde ab und fing an zu suchen. Aber so sehr ich auch suchte, ich konnte nirgends eines der Mädchen finden. Da stand ich auf einer kleinen Lichtung und sah mich suchend um. Es war seltsam still um mich herum, denn auch auf mein Rufen bekam ich keine Antwort. Da beschlich mich ganz allmählich Panik und ich begann zu ahnen, dass sie mich alleine zurückgelassen hatten und längst weggelaufen waren.

Ich blickte hektisch um mich und versuchte mich zu erinnern, wo genau wir her gekommen waren, aber ich konnte es nicht. Mein Herz klopfte bis zum Hals und ich weinte vor Angst. Immer wieder rief ich laut nach Jutta und Babsi. Aber niemand antwortete.

Da kam plötzlich ein älterer Mann auf mich zu. Er hatte mich rufen hören und gesehen, dass ich Mutter Seelen allein mitten auf der kleinen Lichtung stand und weinte. „Na, hast du dich verlaufen?“, fragte er mich ruhig und freundlich lächelnd. Froh, endlich jemanden zu sehen, erzählte ich ihm, wie ich in den Wald gekommen war. „Da haben dich die älteren Mädchen einfach alleine hier zurück gelassen? Das ist aber nicht sehr nett“ sagte der Mann. „Weißt du was? Ich zeige dir den Weg aus dem Wald heraus und bringe dich zurück nach Hause. Was hältst du davon mein Kind?“ Ich nickte heftig mit dem Kopf und schnäuzte in das Taschentuch, das mir der freundliche Spaziergänger gereicht hatte. Niemand kann sich vorstellen wie froh und erleichtert ich war, ihn getroffen zu haben.

Meine Oma war sehr erstaunt als ich mit einem fremden Mann vor ihr stand. Aber er erklärte Oma was passiert war. „Ach du lieber Gott“ rief sie bestürzt und nahm mich in den Arm. Dann bedankte sie sich bei dem Mann, der sich dann verabschiedete und mit einem letzten Lächeln ging er.

Oma brachte mich in die Küche und deutete mit der Hand auf die Couch. „Jetzt setz dich erst mal hin und dann erzählst du mal was da passiert ist. Wie kommst du denn ganz alleine da in den Wald? Und wieso hast du nicht Bescheid gesagt bevor du gegangen bist?“

Da erzählte ich ihr wie Jutta, Babsi und noch ein paar ältere Mädchen mich dazu überredet hatten, mit in den Wald zu gehen, um mit ihnen verstecken zu spielen. „Jutta war doch dabei! Und da dachte ich, dass schon nichts passieren kann. Sie ist doch meine Freundin“ erwiderte ich noch immer sehr aufgeregt.

„Was?? ... Jutta war auch dabei? Und dann hat sie nicht auf dich aufgepasst und sich mit den anderen Kindern einen Spaß daraus gemacht, dir Angst einzujagen und dich ganz alleine im Wald zurück zu lassen?“ Jetzt war Oma richtig verärgert. Für den Rest des Nachmittags blieb ich zu Hause und ging nicht mehr nach draußen zum Spielen. Ich musste erst mal den Schreck und die Enttäuschung über das Erlebte verarbeiten. Ich hatte mich in die Sofaecke gekuschelt und drückte mein Lieblingskissen an mich. Ich grübelte, weshalb ausgerechnet Jutta bei dem falschen Spiel mitgemacht hatte. Wir waren doch Freundinnen und ich hatte ihr vertraut ...


Als wir an diesem Abend alle zusammen beim Essen saßen, war mein Erlebnis das vorherrschende Gesprächsthema. Auch Opa und Onkel Horst waren entsetzt und sehr erstaunt darüber, dass Jutta bei dem gemeinen Spiel mitgemacht hatte. „Das kläre ich gleich nach dem Essen. Ich gehe sowieso noch zu Lehmanns rüber, da werde ich mir das Fräulein gleich mal vorknöpfen!“, sagte mein Onkel verärgert. „Ich komme gleich mit und rede noch mal mit Babsis Eltern, die wohnen ja im gleichen Haus.“ Fügte Opa hinzu.

Mir wurde mulmig bei dem Gedanken, dass Opa mit Babsis Mutter reden wollte, denn ganz sicher wird Babsi dann wieder gemein zu mir sein wenn sie mich das nächste Mal sieht. „Opa ... was mache ich, wenn die Babsi mich wieder bedroht weil du mit ihrer Mutter gesprochen hast? Babsi behauptet dann wieder ich würde petzen!“ Ängstlich sah ich Opa an. „Die wird dir nichts mehr tun, keine Angst. Ich rede mit ihrer Mutter auch darüber. Du brauchst dir darüber jetzt keine Sorgen zu machen.“ Opa lächelte mir aufmunternd zu. „Es wird alles gut ... du wirst schon sehen!“ Da glaubte ich ihm und atmete erleichtert auf.


Und tatsächlich: In den nächsten Tagen und Wochen ließ Babsi mich in Ruhe. – Nur hin und wieder warf sie mir einen bösen Blick zu. Aber das machte mir nichts aus. Dann drehte ich mich um und ging einen anderen Weg. – Jutta hatte sich in der Zwischenzeit bei mir entschuldigt und mir versichert, dass sowas nie wieder vorkommt.

Jutta hatte ich verziehen, denn sie war ja eigentlich meine Freundin. Aber anderen Menschen gegenüber wurde ich nur noch misstrauischer. So schnell glaubte ich keinem mehr etwas. Ich bemerkte, dass es mir zunehmend schwerer fiel anderen zu vertrauen.


Trotzdem hatte die Zeit damals in unserer kleinen Siedlung auch viel Gutes und ist voller schöner Erinnerungen für mich und bis heute ein wertvoller Schatz. - Das Wertvollste und Beste von allem war jedoch die Güte und nie enden wollende Liebe meiner Großeltern, die immer für mich da waren, mich trösteten, sich mit mir freuten und mir mit unendlicher Geduld und Liebe alles beibrachten, was im Leben wichtig war.

So vergingen die ersten Jahre und das nächste große Ereignis in meinem Leben stand bald bevor. Meine Einschulung!

Mutti, warum hast du mich nicht lieb?

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